Verhältnis Griechenland Deutschland Teil III
Kulturhauptstädte Europas - seit Athen 1985 und Melina Mercouri
Auf einer Initiative hin von Melina Mercouri, Kulturministerin in Griechenland seit 1981 als PASOK mit Premierminister Andreas Papandreou an die Macht kam, wurde die Idee von Kulturhauptstädten in Europa ins Leben gerufen. Inzwischen zählt die EU dies zu einem ihrer erfolgreichsten Projekte, für eine umfassendes Archiv in dieser Angelegenheit siehe European Capitals of Culture.
Athen wurde die erste Stadt in 1985. Es war ein griechischer Beitrag zur Festigung der EU nicht durch die Wirtschaft, sondern mittels von Kultur. Das Konzept hat sich weitgehend verändert, insofern nach 2004, zwei Städte pro Jahr den Titel erhalten, und das nach Überprüfung einer Jury. Demnächst wird es drei Städte im gleichen Jahr geben: im Westen, Osten und in einem EU Nachbarstaat.
Ob jedoch die originelle Idee dabei erhalten bleibt, ist zu bezweifeln, denn bei solch einer inflationären Tendenz kann das Grundkonzept völlig verwässert werden. Völlig unter geht in den jeweiligen Konzepten und Programmen die die Städte für das eine entscheidende Jahr zu realisieren versuchen, der Inbegriff von "Kulturhauptstadt", also eine Stadt die für alles, was mit der Kultur innerhalb von Europa geschieht, verantwortlich zu sein. Solch eine politische Stellungsnahme wird geflissentlich vermieden, gibt es ohnehin genügend politischen Krach wenn Bürgermeister abgewählt und Künstlerdirektoren plötzlich abgesetzt werden.
Wichtig wäre zu sehen, inwiefern es den Städten gelingt mittels der Kultur Europa zusammen zu halten. Ein kultureller Zusammenhalt würde die angestrebte soziale und wirtschaftliche Kohäsion nicht nur komplementieren, sondern vertiefen und ergänzen. Oft genug betont die EU, dass die "Einheit in der Vielfalt" ihre wirkliche Stärke sei. Trotz unterschiedlicher Sprachen und kulturellen Besonderheiten vermochten es die Europäer nach zwei katastrophalen Weltkriegen 'friedlich' zusammen leben. Seit der Lehmann Brüder Bankkrise in 2008 wird allerdings dieser Zusammenhalt immer stärkeren Anforderungen ausgesetzt, nicht zuletzt die Defizite staatlicher Haushalte nicht nur in Griechenland, sondern ebenfalls in Irland, Spanien, Portugal und Italien. Immer wieder kommt es zu einem Testen vor allem des Bankensystems wodurch der EBZ, die Europäische Zentralbank, mehr Macht zukommt, als was die politischen Institutionen der EU vorgesehen haben. Denn viele Nationalstaaten feilschen gerne um ihre eigene Souveränität, um von der EU günstigere bzw. Ausnahmebedingungen zu erzielen. Das reduziert die Haltung der Mitgliedsstaaten auf ein ewiges Verhandeln statt auf EU-Ebene eine gemeinsame Politik zu entwickeln. Hinzu kommt das Subsidiaritätsprinzip das den Mitgliedsstaaten im Unterschied zur Umwelt das vorrangige Recht in der Kulturpolitik einräumt. Damit kann die Kultur zum Zipfel von auch reaktionären bzw. anti-Europäischen Entwicklungen werden. Statt vom kulturellen wird dann so auch in Polen wegen der "Gesetz und Gerechtigkeitspartei" vom nationalen Erbe die Rede sein. Kulturgut als nationale Identitätsstiftung läuft auf einen Missbrauch von Kultur hinaus, und im Zusammenhang mit Kulturhauptstädten, hieße bloße Selbstdarstellung, statt einen wirklichen Beitrag zum kulturellen Zusammenhalt auf Europäischer Ebene beizutragen.
Im Juli 2016 erhielt Galway den Zuspruch der Jury für 2020 Kulturhauptstadt. Das entspricht dem dritten Mal in Irland. Zuvor waren es Dublin 1991 und dann Cork 2005.
Deutsche Städte mit diesem Titel waren Berlin 1988, Weimar 1999 und Essen/Ruhr 2010. Im Vergleich dazu, Griechenland fing an, wie gesagt, mit Athen 1985; es folgten Thessaloniki 1997 und Patras 2006.
Eine interessante Anekdote erzählt Spyros Mercouris, Bruder von Melina und erster Koordinator einer ECoC als Athen in 1985 kurzfristig den Titel erhielt. Es gab kaum Geld dafür und vieles musste binnen sechs Monate auf die Beine gestellt werden. Heute haben dagegen die Städte fünf Jahre Zeit sich darauf vorzubereiten. Kurzum, Melina Mercouri ging zu Genscher, der damalige Außenminister der BRD und bat ihm um Unterstützung. Sie verlangte die Schaubühne, das Philharmonische Orchester von Berlin, Pina Bauschs Tanzgruppe usw. Als Genscher fragte, wer solle all das bezahlen, gab Melina eine knappe Antwort: "Sie!" Genscher erklärte sich sofort dazu bereit diese deutsche Unterstützung zu gewährleisten. Als Melina sein Ja-Wort erfuhr, ging sie direkt auf ihn zu und küsste Genscher auf die Wange. Der schmunzelte und drehte sich zu den anderen Anwesenden um, und sagte, "meine Herrn, sie haben soeben einen der teuersten Küsse in der Welt erlebt!" Damals gab es diese freiwillige Unterstützung weil die Begeisterung für diese Idee einfach riesengroß war.
Eine Auswertung dieser Jahre ist sicherlich eine enorme Aufgabe, doch wichtig war, zum Beispiel, dass Weimar Goethe und Schiller in Konfrontation mit Buchenwald brachte, und darum nicht den schrecklichen Teil deutscher Geschichte ausklammerte oder versuchte wie Linz 2009 das zu umgehen versuchte, insofern eine Ausstellung zu Hitlers Einfluss auf die Kulturhauptstadt an der Donau ein Jahr davor statt fand und somit das Thema als abgehackt galt.
Die wirkliche Aufgabe ein künstlerisch durchdachtes Konzept zu initiieren, um es dann innovativ durch das Engagement der Bürger der Stadt zur Entfaltung zu bringen, wird selten eingelöst. Der Druck erfolgreich sein zu müssen, ist zu enorm, um sich wirkliche Experimente zu erlauben. Außerdem steckt oftmals sehr viel Geld dahinter. Obwohl die EU nur einen Melina Mercouri Preis in der Höhe von 1,5 Millionen Euro beisteuert, erreichte z.B. Liverpool 2008 eine obere Grenze von über 100 Millionen. Dabei versuchen die Städte langfristig davon zu profitieren, insofern sie sich sozusagen durch das eine Jahr auf die Landkarte setzen, um danach von mehr Touristen besucht zu werden. Das ist u.a. Graz 2003 gelungen, aber auch Liverpool wurde zu einer Konferenz Metropole nachdem das eine Jahr vorbei war.
Gesellschaftlich wirkt sich das Konzept unterschiedlich aus, und die zuständige EU Kommission reagiert oftmals sehr unsicher darauf, was wirklich mit der Kultur geschehen kann und soll. Eher wird die Kreativwirtschaft als Leistungsfaktor gerne gesehen, doch dann geht es von der klassischen Kunst (Malerei, Skulptur, Musik, usw.) zu den Medien über. Das zieht nicht nur eine Überkommerzialisierung der Künste nach sich, sondern widerspricht der Grundprämisse, die das ERDF Artikel 10 Programme noch den geförderten Projekten vorschrieb, nämlich nicht nur zu sehen ob durch Kultur Arbeitsplätze geschaffen werden können, sondern auch ob der Gefahr einer Zerstörung von kultureller Identität durch Überkommerzialisierung entgegen gewirkt werden kann. Damit erreichen die kulturellen Projekte nur selten diejenigen, die bislang überhaupt noch nicht an der Kultur teilnehmen, und somit in ihrer Unmündigkeit auch zu Einstellungen, die abträglich für den kulturellen Zusammenhalt von Europa sind, beitragen. Schließlich gilt es die Befangenheit von Kultur innerhalb von nationalen Kategorien zu überwinden.
Archäologie des Wissens
Zur Bedeutung der Archäologie für sowohl Griechenland als auch Deutschland überhaupt versuchsweise einige Reflexionen anzustellen, ist kein leichtes Unterfangen. Hier handelt es sich um ein Spezialgebiet indem Fachkompetenz mit einem besonderen Forschungsdrang einher geht. Letzterer ist eng mit Ausgrabungen verbunden.
Es ist also keine Frage, dass die Archäologie in beiden Gesellschaften einen hohen Stellenwert genießen. Die archäologische Gesellschaft, die dem Kulturministerium in Griechenland untersteht, war bislang einer der mächtigsten Institutionen, weil sie stets Baugenehmigungen hat verhindern können. Nur über die Zeit änderte sich, spielte gerade unter Premier Minister Karamalis (2004-2009) sein Stellvertreter im Kulturminister Zachopoulos bis zu seinem Selbstmordversuch indem er aus dem vierten Stock sprang, aber überlebte, eine fatale Rolle. Insofern er als Staatssekretär - Karamalis war zugleich der Kulturminister, aber ließ sich durch Zachopoulos vertreten - eine doppelte Stimme im archäologischen Rat hatte, wurden im Nachhinein manche der gefällten Entscheidungen bzw. Baubewilligungen angezweifelt. Ähnlich zu den Richtlinien der UNESCO handelt es sich dabei stets ums Bewahren der archäologischen Stellen vor einer Ver-urbanisierung.
Es ist also keine Frage, dass die Archäologie in beiden Ländern sehr wichtig ist, doch unterscheiden sich drastisch die Auswertungen bzw. die Ausbeutungen. Alleine die "imperialistischen Sammlungen" in westlichen Museen, ob nun Afrikanische Masken in Ethnologischen oder die Parthenon Marmor Skulpturen im Britisch Museum, besagen die westlichen Industriestaaten eigneten sich Dinge an, die nicht dorthin gehören. Das Britisch Museum argumentiert zugunsten dem "Keeping of the Marbles", dass es sich hier nicht um ein nationales sondern um ein universelles Kulturerbe handele, und darum bittet das Britisch Museum mit seinen vielen Besuchern, die zumal kostenlos Eintritt bekommen, einen viel eher geeigneten Zugang zu eben diesem Erbe.
Das Problem bezieht sich nicht alleine auf England. In München finden sich originelle Skulpturen aus Aegina, Kopien davon in der Rotunde im Alten Museum in Berlin.
Die von Schinkel gebaute Rotunde im Alten Museum von Berlin
Gelehrte wie Humboldt aber auch Archäologen wie Schliemann verfolgten wie alle anderen auch das selbe Ziel: den Selbstwert der eigenen Gesellschaft aufzuwerten, insofern auf die Herkunftsländer dieser kulturellen Artefakten herab geschaut wurde, um dann diese koloniale Sichtweise auf die eigene Bevölkerung anzuwenden. Letzteres war ein rein erzieherisches Konzept, also keine wirkliche Vermittlung von Kultur. Schlichtweg gesagt, das einfache Volk solle endlich kultivierter sein. Das schließt Umgang mit der Deutschen Sprache mit ein, so auch Goethe.
Besonders in Hinblick auf Griechenland spielt eine entscheidende Rolle die Projektion auf die Antike. Hier wäre es nachdenkenswert, ob nicht diese Projektion oder Rückblendung auf eine vergangene Vergangenheit - Heidegger spricht hier von den Göttern, die "uns verloren gegangen sind" - gerade wegen ihrer Anmaßung eine gegenseitige kulturelle Wahrnehmung basierend auf Gleichberechtigung nicht nur verhindert, sondern permanent entstellt. Das verleitet sehr oft auf der griechischen Seite zu ebenfalls fast irrational anmutenden Ausbrüchen bzw. unwissenschaftlich begründete Bezüge auf die Antike, und das mit dem Zweck das nationale Bewusstsein von Griechenland in der Neuzeit zu stärken.
Während in der griechischen Denkweise der Kosmos und darum der Universalismus eine nicht unerhebliche Rolle spielt, wirkt in Deutschland eine Interpretation die stark von der Romantik beeinflusst ist und insgesamt den deutschen Idealismus faktisch als Grundphilosophie bis heute gefördert hat. Man brauche nur das Wirken eines Gadamers und seine Stellenbesetzung als Papst der Philosophie in der Nachkriegszeit zu studieren, um zu wissen wie sich nach Heideggers "Sein und Zeit" (1929) "Wahrheit und Methode", also die Hermeneutik als neu verstandene Phänomenologie durchgesetzt hat.
Die niemals voll und ganz verifizierte Projektion - z.B. Heidegger ging niemals vom Schiff während er zwei Mal Griechenland besuchte, aber stets vor der Wirklichkeit kehrt machte und lieber sich auf das Antiken-Bild eines Hölderlins einließ (siehe Norbert Wokart, Wie die Wahrheit ans Licht kommt: Heidegger in Griechenland Zeitschrift für Religions- und Geistesgeschichte Vol. 56, No. 4 (2004), pp. 374-376) - ermöglichte den deutschen Gelehrten eine ideelle Welt zu konstruieren. Das ist einerseits wenig verwunderlich, hat es selbstverständlich auch mit der in griechischen Skulpturen inne wohnenden, menschlichen Proportionalität als Inbegriff von Schönheit zu tun.
Hermes im Olympia Museum
Anderseits hatte das maßgeblich Einfluss auf die Politik bzw. politische Wahrnehmung, insofern stets herab lassend vom Volk die Rede war, während die Elite, sprich u.a. die Professoren sich das Recht herausnahmen fast wie unsterbliche semi Götter zu agieren und aufzutreten. Alles floss in Platons Inbegriff eines Philosophen Königs als alles wissender Politiker zusammen.
Überraschend weil er im Grunde genommen die Poesie als Quelle der Wahrheit verneinte, war im Zusammenhang mit dieser Projektion deutscher Dichter und Philosophen, Hegels "Eleusis"-Gedicht welches er seinem Studium freund Hölderlin widmete. So dichtet der Philosoph, dass die griechischen Götter entflohen seien und zurück bleibt nur die Neugierde der Forscher die nach "Worten" graben, aber vergebens, oder sie erhaschen nur etwas vom damaligen ewigen Leben in "Etwa Staub und Asche".
Zum Thema "Staub und Denken" trug der Religionswissenschaftler Klaus Heinrich weitere Gedanken bei. Staub als Anfang und Ende vom Leben kann verbinden, in etwa werden darum die Mysterien von Eleusis von manchen hoch gehalten, da sie noch in Höhlen gemachten Erfahrungen anderer Natur versprechen. Vor allem wurde das durch ein Geheimnis gehütet, wobei im übertragenden Sinne das auch für die Demokratie heutzutage gilt. Denn das beste gehütete Geheimnis der Demokratie ist wohl wenn alle wissen ein jeder kann nur dann in Freiheit leben, wenn auch die anderen Menschen frei sind. Dieser Grundsatz zur Gleichheit der Menschen stellt darum die größte Herausforderung nicht nur für Griechenland und Deutschland, sondern für Europa dar. Nicht unwichtig ist dass Europa als Inbegriff einer neuen Freiheit sich mittels dieses Bezuges nach Griechenland viel eher vermitteln könnte, als im Bezug auf die Verfassungen der verschiedenen Mitgliedsstaaten.
Noch etwas kann Europa von Griechenland übernehmen: die Kunst des Theaters zwecks Verbreitung von Grundwerten die erst dann zum Tragen kommen, wenn ein kultureller Konsensus dazu hergestellt ist. Spyros Mercouris stellte eine digitale Karte her die zeigt wie verbreitet das Antiken Theater rund ums Mittelmeer war.
Digitale Karte zeigend Verbreitung von Antiken Theaterstätten
Die Lehre die alleine aus antiken Theaterstellen gezogen werden kann, unterstreicht umso mehr die Bedeutung der "Archäologie des Wissens". Sie wurde von Michel Foucault philosophisch begründet. Er meint damit auch die Umbrüche im Lernprozess, also da wo Kultur und Zivilisation sich überschneiden und neue Strukturen beginnen zu wirken, Umbrüche die anders als Thomas Kuhns "Paradigmen-Wechsel" in der Wissenschaft oftmals verschwiegen werden. Darum wäre es ratsam besonders fürs Nachvollziehen der Veränderungen im Verhältnis zwischen Deutschland und Griechenland solch ein Schweigen zu berücksichtigen. Das käme nahe der sogenannten Begriffslosigkeit, die nicht mit einer Sprachlosigkeit verwechselt werden soll.
Sehr häufig wird im Bezug auf die Antike der Gegenpol von Polis als geordnetes Leben in der Demokratie und Chaos als Ursprung der Schöpfung herauf beschworen. Es handelt sich dabei um zwei verschiedene epistemologische Spannungsfelder: die der Anthropologie das zum Vorschein kommt wenn Dichter der Antike sich Gedanken über gute Nachbarschaftsverhältnisse machen, und die der Topologie als Begriffsfeld das von einem bestimmten Ort ausgeht, aber nicht kategorisch definiert wie das Denken dadurch bestimmt wird. Poetisch folgt daraus, dass die Botschaften aus dem modernen Griechenland als Vermittler der Antike selten ankommen, weil im Grunde genommen 'begriffslos' gehalten. Dennoch werden Begriffe wie "Logos" gerne für EU Programme verwendet, eben weil die Teile dazu noch immer nicht das Ganze bestimmen. Gleichzeitig tun sich Übersetzer schwer denn "Kosmos" bedeutet zweierlei: die Menschen und das Universum, aber zusammen gefasst in einem die Welt in der die Menschen leben. Statt aber das kulturell zu vermitteln, bzw. in der Philosophie das epistemologisch zu erklären, kommen höchstens "weinende Begriffe" rüber oder wenn ein Grieche in Berlin ankommt, kann er oder sie das Problem der Entwurzelung griechischer Begriffe anhand der vielen Neologismen verdeutlichen.
Von Olympia zu den modernen Olympischen Spielen - Athen 2004
Keiner kann da herum, wenn die Olympischen Spiele 2016 in Rio de Janeiro statt finden, den Beitrag von Griechenland zu leugnen. Das beinhaltet sowohl den Sinn der Spiele in der Antike, nämlich mittels des Olympischen Friedens Einhalt sämtlichen gewaltsamen Auseinandersetzungen zu gebieten, als auch die Neuerfindung der modernen Spiele insofern Sport als Begegnung der Athleten zu internationalen Freundschaften beitragen kann. Doch was ist daraus geworden? Abgesehen vom Verdacht des ständigen Betruges durch Doping hat die Überkommerzialisierung der Olympischen Spiele den ursprünglichen Sinn völlig in den Schatten gestellt. Professionelle Sportler haben inzwischen die Amateure fast komplett verdrängt. Nur der Gewinn einer Goldmedaille wird als Erfolg anerkannt, die bloße Teilnahme zählt schon gar nicht mehr insbesondere in den Augen der Medien. Länder geben enorm viel Geld aus, um durch die Anzahl der gewonnenen Medaillen die Stärke der Nation zu beweisen.
Alles wird ideologisch und kommerziell ausgeschlachtet. Das war bereits so als Hitler die Spiele in 1936 nutzte, um die Welt zu täuschen er habe gar keine Kriegsabsichten. Ähnlich verhält es sich mit Putin.
Völlig unberücksichtigt bleibt bei aller Kritik ein Aspekt der problematische Spuren hinterlässt, nämlich die Wiedererstarkung der nationalen Zugehörigkeit. Obwohl die Olympischen Spiele individuell und allgemein menschlich ausgetragen werden sollten, um das Zusammenkommen unter dem Zeichen des Friedens zu ermöglichen, werden sie angesichts des Verdachts von Korruption und Betrugs kaum noch, wenn überhaupt diesem Anspruch gerecht. Betrug beinhaltet in erster Linie Publikumstäuschung betreffs Leistungen der Athleten wenn nicht nur individuell, sondern systematisch ein ganzes Land wie Russland Doping benutzt, um Medaillen zu gewinnen.
Als die Spiele in Athen 2004 eröffnet wurden, wütete der Krieg im Irak unbeirrt weiter. Die Amerikanische Botschaft ließ laut Presse-Erklärung wissen, trotz Unterzeichnung des Landes des Olympischen Friedenscharta würden die Kampfhandlungen im Irak und Afghanistan weiter gehen. Es sagt also sehr viel aus was aus einer ursprünglichen Idee in dieser verkehrten Welt geworden ist. (siehe für Rio welche Erklärung vom Olympischen Komitee abgegeben wurde: Olympic Truce for Olympic Games Rio de Janeiro 2016)
Um so mehr wurde Griechenland durch die Olympischen Spiele in einen Sumpf an Korruption hinein gezogen. Bereits erwähnt wurde der Auftrag den SIEMENS erhielt, um ein Sicherheitssystem zu installieren. Das System sollte dazu dienen einen möglichen terroristischen Angriffes abzuwehren, dennoch funktionierte es niemals. Jeder war nur froh, dass es in dieser Zeitspanne um August 2004 zu keinem Angriff kam. Hier handelt es sich also um eine enorme Verschwendung an Geldern. Befremdend bis heute ist, dass niemand wegen diesen vergeudeten Unsummen an Geldern zur Rechenschaft gezogen wurde.
Verlassene Olympische Spielstätte von Athen 2004
Praktisch hinterlassen die Olympischen Spiele fast in jedem Land eine Schneise an Schulden und nicht länger benutzte Spielstätten. In Athen werden heute von den 28 Spielstätten höchsten zwei bis vier noch genutzt. Alles andere wurde nur für die zwei Wochen und zwecks Täuschung der Medien gebaut, aber an einer Nachhaltigkeit wurde so gut wie niemals gedacht.
Dieser Unfug im Umgang mit öffentlichen Geldern ist nicht nur individuellen und korrupten Persönlichkeiten anzulasten, sondern allgemein die ganze Gesellschaft begibt sich in einen Art Rausch. In Griechenland war das vor 2004 besonders stark zu spüren. Die Griechen wollten endlich der Welt zeigen, sie können doch etwas leisten. Lange mussten insbesondere die Organisationen, aber mittels einer verallgemeinerten Form die ganze griechische Gesellschaft Zweifel und sogar Spott ertragen, weil vieles bis fast zu Beginn der Spiele noch nicht fertig war. Doch dahinter steckt eine geschickte Verzögerungstaktik derjenigen die von den Olympischen Spielen profitieren wollen.
Baufirmen wissen sehr wohl, wenn es brennt, wird die Regierung bereit sein weitaus mehr zu zahlen, um die Arbeiten fertig zu bekommen. Verzögerungen werden also künstlich erzeugt, doch keiner kann das wirklich oder will das beweisen. So wird alles, und insbesondere das Ausgeben von Extrageld, durch die Notwendigkeit endlich alles fertig haben zu müssen, gerechtfertigt. Praktisch waren deshalb die Olympischen Spiele in Athen bereits ein Vorspiel was ab 2009 mittels des Begriffes 'Krise' gerechtfertigt wird. Bei Krise handelt sich dabei um einen ständigen Ausnahmezustand, wo dann keine Rücksicht mehr genommen werden muss wie viel was kostet, Hauptsache die Arbeit wird rechtzeitig fertig oder das Problem der Krise gelöst. Dieser Art Logik einer subtilen Ausbeutung von einem Netz an Abhängigkeiten ist nur sehr schwer beizukommen.
Feuer eine Korrektur bedarf es Politiker die nicht alles rechtfertigen und auch 'Nein' sagen wenn etwas zu teuer wird, weil dann deutlich gemacht wird nicht alles ist unter dieser Sonne möglich. Doch die Sprache dazu zu finden, da müssten die Politiker und die gesamte Bevölkerung sich darüber im Klaren sein welche Konsequenzen müssen unbedingt vermieden werden z.B. Schulden machen, um etwas noch dazu überteuertes zu finanzieren. Keiner braucht eine Limousine wenn das Fahrrad als Transportmittel ebenso zur Verfügung steht. Doch Bataille hat bereits erkannt, die moderne Wirtschaft beruht auf Verschwendung die durch die Sucht nach Status nur noch größer wird wenn Athleten Millionen verdienen und dahinter sich noch Sportverbände und alle möglichen Sponsoren verbergen.
Das Olympische Stadium in Alt Olympia
Die Spiele in Alt Olympia wurden in einem Stadium ausgetragen. Nur männliche Athleten, alle nackt, traten an. Es gab nur eine weibliche Person die anwesend war: die Schiedsrichterin. Anekdote sagt sie sei blind gewesen. Der Eingang zum Stadium war ein Tunnel, und direkt davor, gab es rechts die Statuen der Gewinner von voran gegangenen Spielen, während rechts befanden sich Abbilder derjenigen die sich des Betruges schuldig gemacht hatten. Jeder Athlet konnte sich also ausmalen was mit ihm geschieht, falls er versuchen sollte nicht ehrlich zu sein.
Wenn es die Spiele gab, wurde der Olympische Frieden ausgerufen, um vor allem den Weg hin zu Olympia frei von sämtlichen Übergriffen zu machen. Die Waffen sollten ruhen um die Spiele zu sichern. Es war eine wichtige Atempause im damaligen Leben oft genug kriegerischen Kämpfen ausgesetzt.
Die Anlage vor dem Stadium war voller verschiedener Gebäuden u.a. Hallen zum Training für die Athleten, ein Art Hotel für höhere Gäste, den Tempel für Zeus aber nebenan auch einen Tempel für Hera gewidmet. An einer Stelle brannte das Olympische Feuer und wurde von jungen Frauen bewacht.
Spyros Mercouris organisierte in Olympia, dass Symposium "The need of a constructive dialogue", 1 -7 Sept. 2015, um zu verdeutlichen dass der Dialog die wichtigste Voraussetzung zur Wahrung des Olympischen Friedens ist.
Die fehlende kritische Öffentlichkeit
Mangels Dialog wird sehr selten etwas hinterfragt. Eher werden "Info-bites" bereits als Glaubensbekenntnisse wahrgenommen, in der Meinung bereits alles zu wissen. Dahinter verbirgt sich selbstverständlich eine enorme Unsicherheit die aber mittels solcher Verallgemeinerungen und bloßen Behauptungen verschwiegen wird. Der Mangel kommt zustande wegen einer fehlenden Intellektualität die es verstünde mit der Phantasie im Dialog mit der Realität zu bleiben. Folglich fehlt eine kritische Öffentlichkeit, die imstande wäre, die Politik in ihre Grenzen zu weisen. Das dies sowohl auf Deutschland als auch auf Griechenland zutrifft, ist zutiefst beunruhigend.
Dialog hieße nicht mit dem, was in der Realität geschieht, unbedingt einverstanden zu sein, sondern imstande andere Möglichkeiten in Betracht zu ziehen, noch ehe es zu einer Schlussfolgerung kommt. Letzteres wird außerdem nur dann die Diskussion weiter bringen, wenn das keine endgültige ist, sondern als Teil einer Deutungspraxis die das Bedeutsame am Vorgang erkennen ließe, ohne andere Aspekte, oftmals als nebensächliche abgetan, zu vernachlässigen. Nicht umsonst nannte Adorno "schöne Stellen" in der Musik da wo das Hauptthema plötzlich von einer Nebenmelodie überquert wird, und die dann zur Hauptmelodie wird.
Die Verbindung zwischen Dialog und Phantasie ist deshalb von Bedeutung, weil dies eine Empathie für andere Menschen beinhaltet. Ohne die Ängste und Sorgen der anderen wahrzunehmen, kann die kritische Öffentlichkeit nicht die Aufmerksamkeit der Politik auf Aspekte lenken die oftmals übersehen werden, weil immer etwas anderes wichtig ist. All das macht sich bemerkbar mittels der politischen Kultur die in einer bestimmten Gesellschaft existiert.
Ohne politischer Kultur bliebe die Gesellschaft nur ein unbestimmtes Etwas. Die Menschen könnten sich nicht länger darauf beziehen, insofern sie auch keinen Zugang zur Kultur fänden.
John Berger glaubt sogar, dass die Menschen heutzutage in einer Welt des "Vergessens" leben, obwohl Pablo Neruda bereits das Phänomen sehr früh erkannte. In seinem Gedicht über die Männer die einen Polypen bekämpften beschreibt er wie die sehr schnell erfahren an einem Tag sind sie die Helden, aber am nächsten Tag steht bereits etwas anderes auf der vorderen Seite der Tageszeitung.
Pablo Neruda fügt dem Gedicht noch etwas hinzu. Durch die Kurzlebendigkeit der Nachrichten würden die Männer zum ersten Mal Angst vor solch einer Welt entwickeln. Schließlich hängt vieles davon ab, dass keiner sich von den Erinnerungen abgeschnitten fühlt, weil erst dadurch die Kontinuität der Menschheit erkennbar wird. Sich der Träume im späteren Alter zu erinnern, die in der Kindheit gehegt wurden, lässt Brendan Kennelly im Vorwort zum seinem epischen Gedicht "Judas" vermuten, dadurch könne die Gefahr eines Verrats an einem Selbst vermieden werden. Sobald das der Fall wäre, mündet es in Selbsthass der sich irgendwann auf gefährliche Weise entladen wird.
Kurzum eine kritische Öffentlichkeit beinhaltet eine Gedächtnisarbeit, so dass nicht vergessen wird, was gestern noch besprochen wurde und selbst wenn noch nicht heute realisiert, erkennbar bleibt, dass an dem Problem weiter d.h. konsistent gearbeitet wird, um es zu lösen. Schließlich kann der Forschungsgeist der Wissenschaft auf die gesamte Öffentlichkeit übertragen werden, insofern Michael D. Higgins, Präsident von Irland, von einem Inbegriff von Kultur ausgeht, der die Suche nach "Wahrheit" beinhaltet. Plakative Benennungsakte bleiben aus, dagegen werden die Verhältnisse differenziert wahrgenommen und nach menschlichen Erfahrungen beurteilt. Dazu gehört auch das Hören auf verschiedene Stimmen zwecks Stärkung der 'praktischen Urteilskraft' (Kant).
Svetlana Alexandrowna Alexijewitsch, die Nobelpreisträgerin für Literatur von 2015, meint wenn in einem Land wie Russland alle ihre Freiheit verloren haben, und kein wahres Wort mehr in der Öffentlichkeit zu hören ist, dann hilft nur die Methode sich den verschiedenen Stimmen im Alltag zuzuwenden, um dadurch eine Annäherung an die Wahrheit zu ermöglichen.
Jürgen Habermas ging zuerst von einem positiven Ansatz zwecks Herstellung solch einer kritischen Öffentlichkeit aus. Er thematisierte den Begriff einer 'kommunikativen Kompetenz', was aber einer Entfremdung und Abwandlung von 'Mündigkeit' gleich kommt. In der Englischen Sprache gilt hierfür der viel passendere Begriff 'Literacy', also nicht nur Lese- und Schreibfähigkeit, sondern vor allem die Erstattungsfähigkeit politischer, wirtschaftlicher, sozialer und persönlicher Vorgänge.
Im Zeitalter der Ökologie kann das ebenso das Lesen der Zeichen der Natur einbeziehen. Hierzu sagte Levi-Strauss, es käme darauf an mit welchen Kategorien die Welt wahrgenommen wird. Er stellte z.B. fest, dass die Indianer mehr Kategorien zwecks Kennen der Natur hätten als was sie zwecks Überleben bräuchten. Solch eine Intellektualität die übers bloße Nutzen-Schema hinausgeht, die ist sehr selten in der westlichen Welt anzutreffen. Die Reduzierung auf nur was 'Wert' im wirtschaftlichen Sinne hat, also vom Nutzen fürs Funktionieren des Systems ist, erklärt ebenfalls den Mangel an einer kritischen Öffentlichkeit. Versäumt wird dabei die Tatsache, dass Kultur weitaus mehr als nur die Ökonomie ist.
Die Menschen neigen dazu aus lauter Verlegenheit erstmals nur übers Wetter zu reden, also praktizieren sie ein Nicht-Reden Miteinander. Statt sich zu engagieren, um sich inhaltlich zu verständigen, setzt sich die Reduktion in bestimmten Verhaltensformen fort. Interessanterweise betont Bob Palmer, einer der wichtigsten Experte der Kulturhauptstädte Europas, Engagement noch vor Partizipation, weil ersteres eine Verpflichtung beinhaltet, also eine freiwillige Bereitschaft sich um kulturelle und andere Angelegenheiten zu kümmern und darum um all das was übers bloße wirtschaftliche Nutzen hinaus geht. Das beginnt bereits wenn jeder dazu beiträgt nicht die Umwelt mit weiterem Abfall zu belasten und darum eine lebendige Spannung in Raum und Zeit mit anderen schafft, so dass das Zusammenleben auch wirklich interessant wird.
Gerade im Zeitalter einer Resignation, die wiederum zum Zynismus beiträgt, kann ständig miterlebt werden, dass viele es nicht vermögen politische Prozesse zu deuten, d.h. sie auf ihre Nuancen hin abzuklopfen. Das trifft auch auf jene zu die sich für politisch bewusst halten. Politische Aussagen gemäß deren inhaltlichen Bedeutungen fürs Zusammenleben der Menschen zu interpretieren, das ist kein leichtes Unterfangen. Es kann niemals alleine getan werden und bedarf um so mehr eine kritische Öffentlichkeit die imstande ist falsche Annahmen zu korrigieren. Erst wenn solch ein umfassender Validierungsprozess den Anspruch auf weiter gehende Reflexionen als was die politische Rhetorik zulässt, erheben kann, wird das praktische Vorfeld erkennbar. Denn dann geht es um eine konstruktive Zusammenarbeit weil imstande innovativ Impulse in schöpferische Handlungen umzusetzen.
Statt dessen erwartet die Mehrheit der Bevölkerung zu viel von den Politikern, und tun das ohne dabei die institutionelle Ebene, die eine funktionierende Demokratie erforderlich macht, zu beachten. Stattdessen üben sich viele in einer anti-Politik Haltung und ahmen den üblichen Spott über das bloße Gerede der Politiker nach. Oftmals verneinen sie die Politik ohne überhaupt genau hingehört zu haben, geschweige zu wählen wenn an der Zeit die eigene Stimme abzugeben. So kommt es dazu, dass sie nicht Reden hören, sondern Handlungen sehen wollen, so als läge die Glaubwürdigkeit der Politik allein in der Tat. Bei all dieser Ungeduld wird übersehen, dass das Reden als eine schöpferische Problematisierung ein wichtiger Bestandteil dieser Suche nach Wahrheit ist. Erst wenn das Problem genau definiert werden kann, können die dazu passenden Lösungsvorschläge ebenso diskutiert und in ihrer zwingenden Effektivität beurteilt werden. Auf alle Fälle benötigt solch eine kritische Öffentlichkeit die theoretische Reflexion ohne die, so Habermas, es nur noch am Ende Gewalt bzw. Zwangsmaßnahmen zwecks Lösung der Probleme gäbe.
Jean Pierre Faye hat zu dieser Forderung, statt Reden Taten sehen zu wollen, eine brillante Analyse geliefert. In seinem Buch über totalitäre Sprache zeigt er wie es dazu kommt, dass die Menschen derartig von Hass erfüllt, nur noch darauf warten den Hass an einem geeigneten Subjekt, sei es der Jude im 20zigsten Jahrhundert, der Migrant im 21zigsten, zu entladen. Dabei wird eine kritische Öffentlichkeit völlig zerstört. Jene wird in eine Propaganda Maschine umfunktioniert. Das war der Fall unter Hitler, tritt aber ebenso in verschiedenen Variationen erneut heutzutage auf, in der Türkei unter Erdorgan oder in Russland unter Putin. Dazu gehört die Zerstörung der kritischen Unterscheidung zwischen Tatsachen und öffentlicher Meinungsäusserung, wobei zusätzlich die wichtige Vielfalt an Meinungen in der Diktatur bzw. "autoritären Demokratie" durch das Erheben von nur einer Stimme ersetzt wird. (Feuer eine weitere Analyse, siehe Is there a new totalitarian language in the making? - Hatto Fischer)
Habermas hat diese negative Entwicklung betreffs Verlust einer kritischen Öffentlichkeit als Indiz einer "Pathologie der Kommunikation" begriffen. Er verbindet damit den Einfluss von Murdoch oder Berlusconi. Für die US Wahlen 2016 wird beispielsweise voraus gesagt, dass FOX News bestimmen kann wer letztlich gewählt wird.
Sollte aber ein Vergleich zwischen Deutschland und Griechenland betreffs der Vorhandenheit einer kritischen Öffentlichkeit etwas mehr Einsicht in Meinungsbildung in beiden Ländern vermitteln, dann wäre es gewiss falsch Öffentlichkeit nur auf die Medien und auf die jeweils nationale Verständigung zu reduzieren. Leider begeht auch Merkel in ihrer Pressekonferenz am 28.7.2016 den Fehler zwecks Bekämpfung des Terrorismus von einem nationalen Plan zu sprechen.
Der Terror ist international und überschreitet sämtliche Grenzen. Da gibt es keine Rückzugsmöglichkeit ins eigene Haus, um dann die Türen und Fenster zu schließen, so als würde man sich dann in Sicherheit wähnen. Schon lange wurde dieser Rückzug als eine Knick in der Generationslogik identifiziert. Als es Überschwemmungen in den Sieben Gebirge um 1920 gab, deuteten die damaligen Menschen dies als ein Zeichen Gottes, also die Sintflut würde kommen, und schlossen sie sich in ihren Häusern ein, um drinnen nur noch die Bibel zu lesen. Folglich kamen alle um. Sie hätten viel eher Gräben ziehen müssen, um das Wasser ablaufen lassen. Insofern kann solch ein Einengen auf nationale Alleingänge nicht nur der Europäischen Zusammenarbeit schaden, sondern im Verkennen der Probleme die Öffentlichkeit nicht wirklich auf das volle Ausmaß der Herausforderung vorbereiten.
Kritisch in Erwägung muss ebenfalls gezogen werden, heutzutage besteht die Möglichkeit, dass die Menschen sich übers Internet, Twitter und Facebook selber informieren. Sie sind also einer anderen Herausforderung ausgesetzt, nämlich der Gefahr einer Überflutung an Informationen, die gerade im Falle eines ernsten Vorfalles z.B. in München Juli 2016 wenn ein junger Mann neun Menschen tötete, viele Falschmeldungen und darum auch Panik auslösen kann. Nachdem der Hauptbahnhof in München geschlossen wurde und die Züge nicht mehr liefen, rannten aus lauter Panik die Menschen über die Geleise. Das obendrein ein junger Mann einen Polizeieinsatz von mehr als 2 300 Beamten auslösen kann, besagt die Verhältnismäßigkeit wie die Gesellschaft darauf reagiert, stimmt nicht mehr. Grund dafür dürfte wiederum der fehlende Dialog und die Abwesenheit einer kritischen Öffentlichkeit sein. Letzteres hieße nicht alles wird als bare Münze hingenommen und die gesamte Gesellschaft verlässt sich nicht auf eine Scheinsicherheit.
Eine absolute Sicherheit kann gar nicht geben. Ferner wäre ohne Vertrauen in andere Menschen die Begegnung an öffentlichen Orten kaum vorstellbar. Somit stellt sich die Frage wie ein gesundes Misstrauen mit einer Offenheit so zu verbinden, dass das Leben in aller Freiheit möglich bleibt? Noch mehr, Leben in Unsicherheit ist praktisch der Modus vivendi von vielen Künstlern schon immer gewesen. In der heutigen Gesellschaft, ob jetzt in Griechenland oder Deutschland, kommen noch hinzu all diejenigen die ohne sicheres Einkommen dennoch in solch einer materiellen, Konsum-orientierten Gesellschaft existieren müssen. Sämtliche Fluchtorte sind verbaut weil es außerhalb der globalen Gesellschaft keine Einsiedler Namens Robinson Crusoe mehr geben kann. Google hat die letzten unbekannten Winkel auf dieser Erde bereits ausgeleuchtet und auf der globalen Landkarte eingezeichnet.
Abendversammlung auf dem Syntagma Platz 26.6.2011 - jeder hatte eine Sprechzeit von 2 Minuten
Öffentlichkeit kommt zustande, wenn die Menschen sich an einem bekannten Ort versammeln, um da Meinungen und Informationen austauschen. Das war der Fall in Kairo, Ägypten als die Menschen ihren Forderungen nach Freiheit auf dem Tahrir-Platz zusammen kamen. In Griechenland fand ähnliches ab 2011 auf dem Syntagma Platz statt. Doch in beiden Fällen wurden sie früher oder später unterbunden, weil die politische Macht in Ägypten nach dem Fall von Morsi abermals in eine neue militärische Diktatur mündete. In Griechenland fühlten sich die etablierten Parteien in ihrem Anspruch auf Macht gefährdet und wollten eher die Meinungsfindung, wie auf die Forderungen der Troika zu reagieren sei, kanalisieren und unterbinden bzw. unterdrücken.
Natürlich spielen die Medien (Fernsehen, Zeitungen, Radio) eine entscheidende Rolle in der Meinungsfindung und Vermittlung insbesondere von Nachrichten. Klar ist aber auch, dass Meinungsfindungen noch auf anderen Wegen statt finden. Hierzu gehören die Literaturhäuser und was die Verlage durch ihre Autoren fördern, während die Filmwelt ebenso sich periodisch durch klare Meinungsäußerungen in die Politik einmischt. Jemand der einmal Völker Schlöndorff zugehört hat, weiß hier redet einer überlegt wenn er zu verschiedenen Themen etwas sagt. Darum ist der Meinungsfindungsprozess ein viel komplexer und vielschichtiger als was allgemein angenommen wird.
Nur fehlt es oftmals an kritischen Überlegungen wer übt maßgeblich Einfluss auf Bewegungen aus. Das liegt daran, dass besondere Theorien in ihrer Wirksamkeit oftmals unterschätzt werden. Ähnliches gilt für die Philosophie. So ist die 'Gender und Trans-Gender' Bewegung ohne der einflussreichen Stimme einer Judith Butler kaum begreifbar. Nicht nur in Frankreich, sondern auch in Deutschland wirken durch die Medien besonders geförderte sogenannte Star-Philosophen. In Deutschland hat Sloterdijk mit seinem Buch über Zorn den sogenannten Wutbürger der Pediga Bewegung vorweg genommen, und sein Schüler mischt direkt bei der AfD mit. Sloterdijk hat sich allerdings inzwischen, aber auf eine ambivalente Weise, von der AfD Partei distanziert.
Manchmal spielen eben diese Nuancen in Meinungsverschiebungen eine entscheidende Rolle. Zur Methode der AfD gehört die allgemeine Medienschelte d.h. die Presse würde nur lügen. Das erlaubt den AfD Politikern irrsinnige Statements zu machen, z.B. Merkel sei an der Verschlechterung der Sicherheitssituation Schuld, um dann solche Statements zu widerrufen, insofern die Medien schuld seien wenn sie falsch verstanden wurden. Eine feinere Analyse solcher öffentlichen Aussagen besagt allerdings trotz des Widerrufs werden dadurch bestimmte Botschaften an die oftmals anonym bleibenden Anhängern und Unterstützern gesendet.
Selbstverständlich leiden die Menschen in Griechenland ebenso unter der Dominanz von privaten Fernseh- und Medienanbieter die nicht einmal bislang Steuern zahlen mussten. Als Samaras noch im Amt war, schloss er außerdem ERT, die öffentliche Fernseh- und Radioanstalt die über siebzig Jahre existierte, ein enormes Archiv hat und die die deutsche Besatzung und die Militärdiktatur 1967-74 überlebte. Die Schließung war ein enormer Einbruch in der öffentlichen Medienlandschaft. Interessanterweise hat Tsipras als er mit Syriza an die Macht in 2015 kam, ERT wieder eröffnet. Mitarbeiter hatten seit der Schließung dennoch weiter übers Internet gesendet. (siehe Closure of ERT 11.6.2013) Zumindest macht sich durch der Unterschied zwischen öffentlicher Anstalt und privater Sendungen die Qualität von Sendungen bemerkbar.
Selbstverständlich wird die griechische Krise von unzähligen Protesten und Demonstrationen verschiedener Arten begleitet. Vor allem richtet sich der Protest gegen die Maßnahmen die im "Memorandum of Understanding" festgelegt sind. Ferner will die griechische Öffentlichkeit wissen wie es dazu kam, dass der griechische Staat sich so sehr verschulden konnte. Ferner wollen fast alle wissen nicht nur war dafür verantwortlich, sondern vor allem ob es überhaupt dem Land jemals gelingen wird aus dieser Schuldenfalle zu entkommen? Und wenn Maßnahmen notwendig sind, ob die ohne allzu großen Schaden besonders den Schwachen der Gesellschaft zuzufügen, implementierbar sind? Tatsächlich ließen all die vorgesehenen Renten- und Gehaltskürzungen bis hin zum Verlust an Arbeitsplätzen nichts gutes ahnen. Praktisch besagt aber dieses Verlangen nach einer kritischen Öffentlichkeit, dass die Menschen lieber die volle Wahrheit wissen wollen, als im Dunkeln gelassen zu werden. Sie wollen wissen unter welchen Bedingungen sie leben müssen, und das ohne dabei ihre Dignität zu verliereneinzubuesen.
Von Anfang wollten die Griechen eine andere Analyse der Ursachen als was die von Außenseitern superschnell heran getragenen Erklärungen für die griechische Misere suggerierten. Ihrer Meinung nach lag es nicht an der Faulheit, schließlich arbeiten die Griechen im Durchschnitt 42 Stunden in der Woche, und darum mehr als als alle anderen EU Bürgern im Durchschnitt arbeiten. Auch war es ihrem Verständnis nach die Erklärung allzu einfach, alles sei Schuld einer ineffizienten Behörde.
In Wirklichkeit wissen die meisten Menschen um die Komplexität des Zusammenlebens, und welchen Aufgaben die griechische Gesellschaft innerhalb der EU gegenüber steht. Nur können sie sich oftmals nicht verständlich genug für die Euro-Minister und der Europäischen Öffentlichkeit artikulieren. Es fehlt ihnen dazu die Möglichkeit dies in einer kritischen, zugleich Europäischen und deshalb gemeinsamen Öffentlichkeit zu praktizieren. Statt tatsächliche Rückmeldungen auf ihre Vermutungen und Forderungen bekommen, bekommen sie nur von sämtlichen EU Politikern die Athen aufsuchen, zu hören, Griechenland habe bereits sehr viel getan um die Reformen voranzutreiben, aber nur mehr müsse getan werden, um den nächste Evaluierungstest zu bestehen. Das gleich der berühmte gelbe Rübe die am Ende eines Stockes vor der Nase des Esels hängt. Bewegt der Esel sich vorwärts, entfernt sich zugleich die gelbe Rübe. Es wird ein die Nerven-aufreibendes Spiel mit griechischen Bemühungen um den Abbau der Schulden betrieben.
Schließlich bleiben alle Menschen ohne einer inhaltlichen Rückmeldung auf was sie versuchen und tun, desorientiert. Dagegen arbeitet das abstrakte System stets mittels von "Feedbacks". Wie das funktioniert, das hat bereits Hegel in seinem Herr-Knecht Model adäquat beschrieben: der Knecht gibt an den Herrn solche Informationen, womit der Herr ihn besser kontrollieren und wenn nötig auch beschneiden kann.
Kurzum benötigt eine offene Gesellschaft die kritische Öffentlichkeit, um Rückmeldungen zu erhalten. Ohne das lässt sich das wirtschaftliche Problem kaum lösen noch würde sich die Gesellschaft gerechterweise auf einen entscheidenden Begriff der Ökonomie - das Haushalten mit vorhandenen Mitteln - einigen können. Da dies die globale Wirtschaft miteinbeziehen muss, wäre es von vorn herein falsch, alles auf nur eine nationale Meinungsfindung zu reduzieren.
Wirtschaft und die EU, Euro und die globale Entwicklung
Oft ist die Rede von einer maroden Wirtschaft wenn abermals die Aufmerksamkeit der Medien auf den Zustand der griechischen Wirtschaft gelenkt wird. Das geschieht der Regel nach wenn erneut Verhandlungen mit der Troika anstehen, demnach eine schwer zu durchschauende Krisenstimmung aufkommt. Ein Grund mag sein weil erheblicher Zweifel besteht ob die griechische Regierung es bis dahin schafft sämtliche Maßnahmen umzusetzen wie vom "Memorandum of Understanding" vorgesehen. Da davon abhängig, dass die nächste Tranche ausgezahlt wird, um den griechischen Staat über Wasser zu halten, mutet solch Krisengerede oftmals an als würde eine ganze Gesellschaft nahe dem Abgrund dahin taumeln.
Ob aber eine marode Wirtschaft der wirkliche Grund für die griechische Misere ist, kann bezweifelt werden. Schließlich verlangte die Rettungspolitik der Troika drastische Spar- und Reformmaßnahmen, die zur Folge haben, dass die Wirtschaft immer stärker in die Rezession getrieben wurde. Interessanterweise wird dieser Fehler in einem Gutachten (Juli 20016) von der Independent Evaluation Office (IEO) des IWF bestätigt: "der Fonds habe zwar vor der Krise die richtigen Probleme identifiziert, letztlich aber das Ausmaß der Risiken unterschätzt." Ob die Probleme wirklich richtig identifiziert wurden, mag erstmals dahin gestellt sein. Gravierender wirkten die falschen Prognosen der IWF-Ökonomen die übermäßig positive Wachstumsprognosen zugrunde legten und die konjunkturellen Folgen der Sparprogramme unterschätzten. Noch heute werden diese "Lehren der Vergangenheit nicht immer befolgt", so die Schlussfolgerung des IEO.
Auf diese Art Prognosen zu erstellen, muss sich erstmals die kritische Öffentlichkeit einstellen, um dann entsprechende Argumente für einen Schuldenschnitt zu entwickeln bzw. eine weichere Umgangsform mit Griechenland zu fordern. Im Juni 2016 Premier Minister Tsipras schlug vor, viel wäre bereits gewonnen wenn Griechenland nicht einen Primär Surplus von 3,5%, sondern nur 1,5% erziele müsse, weil das wiederum nötiges Geld für den Staatshaushalt und Investitionen frei machen würde.
Natürlich sind all diese Überlegungen noch keine eingehende Analyse was die Wirtschaft in Griechenland betrifft. Hierzu aber einige offensichtliche Diskrepanzen zwischen Medienberichten und kritischer Wahrnehmung die einem sofort bei weiteren Überlegungen auffallen:
Die Landwirtschaft
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die Landschaft hat ein enormes Potential z.B. die Olivenölproduktion, dennoch wurde für eine lange Zeit keine offensive Marketingstrategie entwickelt, um Absatzmärkte zu sichern. Stattdessen kaufen italienische Firmen das saubere griechische Öl, mischen es es dann mit dem italienischen das nicht so rein ist und verkaufen es anschließend als ihr eigenes Erzeugnis. Am Ende muss Griechenland sein eigenes Öl verteuert erneut importiert. Wie es dazu kommt, der Grund dazu mag die EU Subvention für Produkte die mehrere Grenzen der Mitgliedsstaaten überqueren, sein. Sehr schnell entwickeln gewiefte Unternehmer und Vertreiber Methoden wie sie extra Gelder von der EU erhalten, obwohl sie im Grunde genommen nur die Ware hin und her schieben. Letztlich geht das auf Kosten der Konsumenten und erklärt weshalb Griechenland einen Defizit im Export-Import Posten aufweist.
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Die griechische Landschaft könnte eine Vielfalt an Produkten von sehr hoher Qualität und im Vergleich zu der Landwirtschaft in Nord Europa sehr viel billiger die Märkte beliefern. Ihre Stärke ist eine erstaunliche Vielfalt die einen Reichtum an Gemüse, Gewürzen, und Lebensmitteln verschiedenster Sorten verspricht. Das ist nicht dazu kommt, mag sehr wohl an der EU Landwirtschaftspolitik liegen die alles andere als solch eine Vielfalt zu fördern. (siehe http://www.griechenland-blog.gr/2014/04/eu-agrarpolitik-vernichtete-traditionelle-landwirtschaft-in-griechenland/103012/) Folglich lösten sich viele Bauernhöfe auf, weil alles auf den einheitlichen EU Markt hin getrimmt ist. Das hieß auch ganze Olivenhaine zu schließen. Viele wanderten in die großen Städte ab und die Dörfer entleerten sich. Immer mehr müssen die noch verbliebenen Landwirte auf ausländische Hilfskräfte zurück greifen, und Frauen für Heirat und Arbeit am Bauernhof von weit her holen. Insgesamt wird dadurch immer weniger produziert. Die Folge davon ist, dass Griechenland, obwohl imstande sich selber zu ernähren, immer mehr von Landwirtschaftlichen Produkten aus anderen EU Ländern abhängig geworden ist.
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Die Sanktionen gegen Russland haben den Export von Landwirtschaftlichen Produkten im Norden von Griechenland nach Russland und anderen Balkan Staaten stark geschadet. Gegeben die geo-politische Lage Griechenlands, muss die Regierung in Athen zwischen Interessen der Bauern auf der einen Seite und Mitgliedschaft in der EU auf der anderen eine oftmals prekäre Balance finden, um überhaupt gemeinsam beschlossene außen-politische Maßnahmen auf EU Ebene mittragen zu können.
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Die Bauern der griechischen Landschaft begingen selber viele Fehler, indem sie z.B. massiv auf Kunstdünger und anderen Chemikalien umstiegen und nicht die Umwelt in etwa durch biologischen Anbau schonten. Obendrein verschlingt das enorm viel Geld. Erst in der Krise kommt es jetzt verstärkt zur Bildung von alternativen Landwirtschaftliche Betrieben die bereits in bestimmten Läden in Athen ihre Ware absetzen. Inwiefern sie es verstehen über die sogenannte Nischen-Oekonomie hinauszugehen, das hängt noch von anderen Faktoren ab, u.a. ob Landwirte die nötigen Kredite von den Banken erhalten. Letzteres ist kein leichtes Unterfangen insbesondere wenn die Banken unter Kapital Kontrolle stehen!
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Obendrein wurde die Landwirtschaft faktisch mit allerlei Traktoren und sonstigen Vehikeln 'aufgerüstet', doch inwiefern die alle in der Landwirtschaft nötig sind, bleibt eine offene Frage. Es hätten sich auch Kooperativen bilden können, um untereinander diese Vehikeln gegenseitig auszuleihen. Oftmals besteht der Verdacht die Bauern bilden einen günstigen Absatzmarkt für allerlei Produkte und Maschinen, obwohl dieser Art von Konsum nicht unbedingt zu einer nachhaltigen Entwicklung der Landwirtschaft beitragen.
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Momentan ist wegen von der Troika geforderten Privatisierung die Olivenöl Produktion gefährdet. Es gibt einen Investor der sämtliche Produktionsstätten aufkaufen will, um dadurch eine Monopol Situation zu schaffen. Praktisch wurde das ein Ende der kulturellen Vielfalt in der landwirtschaftlichen Produktion von Olivenöl bedeuten.
Wettbewerbs -verzerrung und 'irrationales Verhalten'
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Der EU Strukturfond hat laut 'the Economist' bereits ab 2003 zu einer Marktverzerrung von Nachfrage und Angebot beigetragen, weil viele Projekte ins Leben gerufen wurden und doch nur solange bestehen wie sie den EU Zuschuss erhalten, eben weil sie nicht nachhaltig genug von Anfang an so konzipiert wurden, dass sie im freien Markt bestehen können.
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Die Abhängigkeit von EU Geldern ließ ein System an Misswirtschaften und Missmanagement entstehen, insbesondere weil oftmals die Kofinanzierung niemals stimmte, und darum die wirkliche Kaufkraft der fürs Projekt zur Verfügung gestellten Gelder geschmälert wurde. Wenn die Kofinanzierung durch Kontribution "in kind" ausgeglichen wird, werden zwar Hotels, Flüge usw. direkt bezahlt, nicht aber die wirkliche Arbeit weil dafür die Ressourcen fehlen. Folglich werden Scheinergebnisse produziert während oftmals das Projekt sich in gegenseitigen Besuchen und Konferenzen erschöpft. Vor allem mangelt es dann erheblich nicht nur an endgültigen und konkreten Ergebnissen, sondern auch das Immaterielle, also der Lernprozess die ein EU Projekt fordern kann, wird dabei nicht erfasst und weiter nach außen vermittelt. Selten bekommt die griechische Gesellschaft mit welche EU Projekte es gibt und wie sie finanziert werden, obwohl sie Türen auch zum Bürgermeister öffnen und darum Dinge auf die Tagesordnung setzen können ohne dass es dafür eine weitere politische Legitimation bedarf. Doch die übliche Reduzierung auf nur lokal bezogene Interessen verhindert effektiv, dass die Europäische Dimension überhaupt bei allem Getue eine wirkliche Rolle spielt. Eher wird ein EU Projekt zynisch angegangen, d.h. nur im Interesse möglichst viel Geld abzuschöpfen ohne dafür wirklich Rechenschaft ablegen zu müssen. Berichte kann fast jeder verfassen, um den Projektverlauf als Erfolgreich darzustellen.
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Bei öffentlichen Aufträgen z.B. für Straßenbau, Brücken, Tunnels, usw. wurde ein Gesetz erlassen die es einem erfolgreichen Anbieter erlaubt falls nötig den ursprünglichen Kostenplan bis zu 50% zu überschreiten, vorausgesetzt die zuständigen Beamten genehmigen das per Unterschrift. Das hatte zur Folge dass die Baufirmen ein Sonderkonto für diese Beamten einrichteten in denen monatlich eine Summe in Ergänzung zu ihrem üblichen Gehalt gezahlt wurde. Mit der Zeit nahmen die Beamten das als ihren normalen Gehalt an und richteten ihre Ausgaben entsprechend danach aus. Selbstverständlich leisteten sie fast automatisch die nötige Unterschrift was zur Folge hatte beide, die Baufirmen und die Beamten, trugen dazu bei, dass die öffentlichen Arbeiten zu ueberhöhten Preisen realisiert wurden. Das irrationale Verhalten daran ist, keiner der beteiligten Parteien kümmerten sich darum, dass dabei der Staat mit überhöhten Kosten belastet wurde. Es erklärt teilweise wie die hohen Schulden zustande kamen.
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Ein weiteres Beispiel liefert die Nationale Eisenbahngesellschaft die zehn Mal so viel für Lohe ausgab als was die Eisenbahn insgesamt einnahm. Während hoch bezahlte Mitarbeiter sich über Gehälter die weit über einem normalen Maß lagen, freuten, weil es ein gutes Leben sicherte, fragte sich keiner dieser Mitarbeiter wer aber dafür aufkommen muss. Solange die Krise ab 2009/2010 nicht aufkam, zahlte der Staat die Differenz und nahm somit weitere Schultern auf sich.
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Oftmals wird gesagt in Griechenland gibt es eine Wettbewerbs -verzerrung wegen dem existierenden Klientel System. Das funktioniert nach persönlichen Absprachen und umgeht geschickt irgendwelche Angaben für eine objektive Vergabe von nicht nur Aufträgen, sondern von Arbeitsplätzen in der Beamtenhierarchie oder von Stellen an den Universitäten.
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Ehe Andreas Papandreou mit PASOK die Macht in den Wahlen 1981 errang, hatte er bereits erkannt die griechische Wirtschaft könne ebenso auf der Makro-Ebene mittels einer neuen Wirtschaftspolitik beeinflusst werden. Dies hieße sich nicht mehr aufs Klientel-System zu verlassen. Griechenland trat der EU bei und erhielt die ersten Gelder aus dem Strukturfond. Damit schaffte Andreas Papandreou zweierlei: er gewährte der Linke der bislang Pensions- und Versicherungsansprüche seit dem Bürgerkrieg verwehrt waren, staatliche Unterstützung und praktisch trug zur Versöhnung zwischen Links und Rechts bei; und er hob eine Mehrheit der Griechen aus der Armut und schuf eine neue Mittelschicht. Das gab der PASOK eine bislang gekannte Machtbasis die bis 2004 hielt, und nur mit drei Jahren Unterbrechung wenn Nea Demokratia an der Macht 1990-93 war. In der letzten Phase von PASOK an der Macht war Premier Minister Simitis einer der ersten der es versuchte eine rationale Entscheidungsfindung zu etablieren. Er ermöglichte außerdem Griechenland den Eintritt in die Eurozone so dann basierte die griechische Wirtschaft auf der gemeinsamen EU Währung. Viele sagen allerdings das hätte niemals statt finden soll weil die Bücher getüncht waren und Griechenland nicht die Kapazität in Wirklichkeit hatte, um unter den neuen Einschränkungen aber auch Vorteilen vor allem im Sinne von neuen Kreditmöglichkeiten, mithalten könne, was eine nachhaltige wirtschaftliche Entwicklung benötige.
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Heute sagen viele Griechen wenn man ein Land ruinierten will, dann braucht man nur es viel Geld zu geben. Sie verweisen auf Norwegen wo ganz anders mit dem plötzlich vielen Geld, dass das Öl dem Land bescherte, umgegangen wurde. Man schaffte einen Fond und sicherten dafür die Renten und anderes für zukünftige Generationen. Ganz im Gegenteil, viele nahmen immer mehr Kredite auf, um zu expandieren. Bei 2004 dachten viele es geht endlich mit Griechenland aufwärts und sogar Griechen der Diaspora kehrten aus dem Ausland zurück, um Arbeiten aufzunehmen. So machte ein Geschäftsmann folgendes: er holte sich Kredite von der Bank um eine Reihe neue Ferienhäuser auf den griechischen Inseln zu bauen, und warb um Kunden die ihm diese Häuser abkauften, insofern er sie zu sein Bank brachte wo die selber Kredite aufnahmen, um diesen Kauf abzusichern. Folglich entstand ein Kartenhaus an Krediten die ab einem bestimmten Punkt gar nicht mehr überschaubar waren. Als dann die Krise einbrach und die Wirtschaft nicht länger einen Wachstum aufzuweisen hatte, sondern stagnierte, brach alles ein. Plötzlich stand die Bank und all ihre Kunden vor einem Berg an nicht mehr zu zahlenden Anleihen. Auf Englisch machen diese "bad performing loans" den größten Teil der Schulden die bei den Banken lagern, aus. Ähnliches geschah in Portugal, Spanien während in Italien die jüngste Rettungsaktion der Monti dei Paschi sich genau um den selben Punkt dreht. Praktisch haben viele Europäische Banken seit die Lehmann Brüder die große Krise im Bankensektor 2008 auslösten, ständig Schwierigkeiten, eben weil sie nicht genügend Kapital zurück gelegt haben, um den Ausfall von nicht zurück bezahlten Anleihen decken zu können. Faktisch haben sich alle verspekuliert mit dem Versprechen in Zukunft würde die Wirtschaft doch noch stärken wachsen. Man blickte dabei auf China als der neue große Markt und dachte nicht daran etwas stimmt nicht mit dieser Entwicklung in der auf globaler Ebene manche plötzlich enorm reich werden während andere in prekären Verhältnissen leben weil ohne ein sicheres Einkommen.
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Louis Baeck erklärte den Zusammenbruch der Sowjet Union als Indiz dafür, dass die "Moralität der Zahlungen" nicht mehr stimmte. Bergbauarbeiter gingen in Streik nachdem sie selbst im dritten Monat nicht ihren Gehalt bezahlt bekamen. Drei Monate ist aber gar nichts was die gängige Praxis in Griechenland ist. Ein Mann der an einer Tankstelle arbeitet, erklärte er wüsste niemals ob, wann und wie viel er am Ende des Monates erhielt; immer gab es Verzögerungen. Selbst das berühmte Benaki Museum lässt heute sogar bis zu drei Monaten nicht die Gehälter für die Mitarbeiter auszahlen, zugleich organisiert das Museum weltweite Ausstellungen. Das deutet auf etwas besonderes hin. Die Oberschicht bedient sich der Ressourcen ohne jedoch sicher zu gehen, dass die Grundbedürfnisse der Bevölkerung gedeckt sind. Noch mehr befinden sie sich in einem ständigen Krisenmanagement weil sie das vorhandene Geld von einem Projekt benutzen, um Lücken in einem anderen Projekt zu füllen, und darauf warten bis von da neues Geld rein kommt, um abermals die fehlende Gehälter für die Mitarbeiter des ersten Projektes endlich auszuzahlen. Solche Zeitverschiebungen bedeuten ein irreguläres Zahlungsverhältnis, so dass die Lohnabhängigen nicht wirklich planen können. Dennoch müssen sie Steuern und sonstige Rechnungen u.a. für das Wasser und Elektrizität regelmässig zahlen. Heutzutage sind viele nicht mehr in der Lage diesen Anforderungen nachzukommen. Überall wird gespart. So kommt es nicht nur zur Schließung von extra Büroräumen um alles nach Hause zu verlagern, sondern die Haushälter vermeiden es das Heizungsöl zu kaufen weil es jetzt gleichwertig mit Benzin versteuert wird und darum zu teuer für Menschen mit einem geringen Einkommen. Bei allem wirkt natürlich mit der Verlust an Kaufkraft der Beamten deren Löhne stark gekürzt wurden oder sie wurden gezwungen in Rente zu gehen, so dann fehlt es der lokalen Wirtschaft an jener Mittelschicht die noch eine Nachfrage nach Arbeiten und Dienstleistungen von kleinen und mittleren Betrieben hätte aufrecht erhalten könnte.
Eine Wirtschaft im globalen Zeitalter vermag oftmals nicht den Erhalt lokaler Produktionen mit der Förderung Wettbewerbs-faehigen Firmen vereinbaren. Griechenland scheint sich darin besonders schwer zu tun denn die Diskrepanz zwischen lokalen Bauern und global agierenden Firmen ist enorm. So kommt es zu Gewinnern und Verlierer, zumal die "economies of scale" von ganz unterschiedlichen Faktoren bestimmt werden. Eine Fischfarm benötigt z.B. unmittelbaren Anschluss an ein Transportnetzwerk, dass den Transport der Fische binnen weniger Stunden an Märkte in London oder New York ermöglicht. Gleichzeitig ist der Einstieg von Cosco in den Hafen Piräus Indiz dafür, dass hier ein Transport Hub von einem größeren Ausmaß entstehen soll. Ferner wird die griechische Wirtschaft von Reedern bestimmt die keine Steuern bezahlen müssen. Das wurde in der Verfassung von 1975, also nach Beendigung der militärischen Diktatur, so festgelegt. Stattdessen lassen sie durch ihr massives Geld Stiftungen entstehen, um durch sie Akte des Patriotismus zu finanzieren. So baut z.B. die Niarchos Stiftung ein Opernhaus und eine Bibliothek, wovon gesagt wird, dies sei momentan die einzige Bautätigkeit die in dieser Zeit der Krise voran geht. Das reflektiert wiederum den starken Ausnahme-Charakter wenn etwas geschieht.
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Reform
Von Griechenland ist ständig die Rede von Reform, in Wirklichkeit handelt es sich dabei um die Beseitigung struktureller Probleme die Auslandsinvestitionen verhindern. Dazu gehört die von der Troika verlangte Privatisierung mittels derer der griechische Haushalt saniert werden soll.
Effektiv läuft die Privatisierung auf einen Ausverkauf des ganzen Landes zu Spottpreisen hinaus. In letzter Zeit außer dem Container Hafen von Piräus betrifft das den alten Flughafen Hellikon der seit 2001 nur ein brach liegendes Land in der Mitte von Athen ist, und immer wieder verschiedene Spekulationen anzieht. Absurd ist die Vorstellung dort ein neues Konsumzentrum entstehen zu lassen, statt das Versprechen, hier wird es einen Park geben, einzulösen. Hinzu kommen die Regionalflughäfen die profitabel wegen des Tourismus sind. Gefährdet sind insbesondere von Natura 2000 geschütztes Land weil wird einmal da private Entwicklungen erlaubt, macht sich die griechische Regierung strafbar nach EU Umweltdirektiven und müsste Strafen bezahlen. Es ist also ein absurdes Drama aber bekannt, dass diejenigen die einen Abbau staatlicher Hemmnisse befürworten im Grunde genommen ohne Rücksicht auf die Natur ihre Villen und sonstigen Hotelanlagen in den begehrten Orten, also da wo es noch keine zerstörte Strände gibt, bauen wollen. Im Zuge von solchem Raubau wird selbstverständlich nur weiter die Natur ausgebeutet und das ökologische Gleichgewicht gestört.
Eine Reform die bislang überhaupt noch nicht selbst nach den verschiedensten Versuchen und Ansätzen gelungen ist, wäre das Steuersystem zum Funktionieren zu bringen. Das Scheitern hängt eng mit dem Problem der Steuerhinterziehung zusammen. Da es vor allem ein kulturelles, also keineswegs ein rein verwaltungstechnisches ist, scheiterten bislang sämtliche Reformvorhaben weil sie falsche Methoden ansetzten. Unter Kultur ist zweierlei zu verstehen: als eine Suche nach Wahrheit, ermöglicht sie festzustellen was ist eine gerechte Steuer die der Staat den Bürgern aufbürdet; und als eine Ehrlichkeit, da jeder bereit sein muss das ganze Einkommen anzugeben, um dann auch den gerechten Steuerbetrag zu zahlen. Den gröbsten Fehler der Austeritätspolitik, der zu nur weiteren Steuererhöhungen Anlass bietet, lässt sich anhand einer chinesischen Staatsweisheiten einfach ablesen, insofern sie besagt, "wenn es dem Volk schlecht geht, sollte der Staat nicht sparen, sondern das Volk unterstützen, denn es wird all das später doppelt zurückzahlen." In Griechenland wird gerade das Umgekehrte praktiziert: immer höhere Steuern als Reaktion auf fehlende Steuereinnahmen. Da dies aber ebenso mit dem fehlenden Einkommen wegen der wirtschaftlichen Rezession zusammenhängt, hilft es nicht fiktive Rechnungen aufzustellen, um auf der Verhandlungsebene mit der Troika vorzutäuschen, die aufgestellten Rechnungen nach Prognosen des weiteren Verlaufs stimmen mit sämtlichen Erwartungen überein. So erhebt die griechische Regierung einfach noch höhere direkte und indirekte Steuern - die Umsatzsteuer ist bereits bei 24% - obwohl unter der Hand jeder weiß, diese Steuersätze werden niemals gezahlt. Oft ist der Grund nicht einmal eine böse Absicht, sondern die Kapazität der Menschen noch Rechnungen überhaupt zahlen zu können, die ist einfach ganz und gar ausgeschöpft.
Stets ist nur die Rede von Investitionshemmnisse und von einer ineffizienten Wirtschaft. Gewiss stimmt das partiell, aber es ist nicht die ganze Geschichte. In Wirklichkeit sind die Dinge viel komplexer. Der Unterschied zwischen Mittelmeerländern und den nördlichen EU Mitgliedsstaaten zeigt sich vor allem im Verhältnis Kultur und Wirtschaft. Louis Baeck meint die Atlantische Tradition neigt dazu die Wirtschaft strikt von der Kultur abzutrennen, obwohl in letzter Zeit der sogenannte kreative Sektor stärker hinzu gezogen wird. In Griechenland gilt es nach wie vor Kultur, also die Lebensweise, so mit dem Wirtschaften zu vereinbaren, dass der Haushalt die wichtigste Entscheidungsbasis bleibt. Hier kann also nicht Reproduktion und Produktion einfach von einander getrennt behandelt werden. Es sagt außerdem einiges aus, dass z.B. die EU Wasser Direktive von 2000 nur auf nördliche Landschaften, nicht aber auf die komplexe Landschaft im Mittelmeer Raum zugeschnitten ist. Das verleitet oftmals zu Fehlentwicklung denn was für den Norden passend scheint, muss nicht unbedingt in Griechenland stimmen.
Der Unterschied der griechischen zur deutschen Wirtschaft könnte nicht Gradmesser sein. Faktisch gilt die deutsche Wirtschaft als der stärkste Motor der EU, verzeichnet sie doch einen ständigen Export-Überschuss und eine geringe Arbeitslosigkeit um die 6%. Die Wirtschaftspolitik der Bundesregierung wird höchstens dafür kritisiert, dass sie nichts unternimmt, dass die Löhne mehr steigen als der Fall. Die Kritik basiert auf der Annahme falls deutsche Arbeiternehmer besser verdienen, steige die Nachfrage in Deutschland für Produkte von anderen EU Mitgliedsstaaten.
Angesichts den Fehlern die im Umgang mit der griechischen Krise gemacht wurden, scheint sich eine sanftere Umgangsweise durchzusetzen. Denn außer Griechenland sind andere EU Staaten ins Hintertreffen geraten weil ihre Wirtschaften wenig Wachstum verzeichnen. So weisen die Staatshaushalte von Spanien und Portugal ein Überschreiten der im Europäisch Stabilitätsverlust festgelegten 3% Grenze, und dennoch entschied sich die EU Kommission keine Strafmaßnahme anzuordnen. Vermutlich geschieht das in der Absicht zweierlei zu vermeiden: die Wirtschaften dieser Länder in eine Rezession zurück zu stoßen und den Euro-Skeptikern Rückwind zu geben. Allerdings beschweren sich viele, dass die EU Kommission nicht konsequent genug dafür sorgt, dass die Verträge eingehalten werden.
Italien wird schon lange von einer schleichenden Bankenkrise bedroht aber in 2016 schrillen die Alarmglocken. Fast ein Fünftel der Wirtschaftskraft des Landes wird von ungedeckten Bankanleihen eingeschränkt, eben weil die Spekulation nicht aufging, dass die italienische Wirtschaft zum Wachstum zurückkehren würde und die Leute dann imstande ihre Anleihen bei den Banken zurückzuzahlen. Kurzum die Bankenkrise durchzieht allen Wirtschaften, einschließlich die deutsche, insofern die Deutsche Bank nicht den Stress Test bestanden hat und folglich weitere Maßnahmen ergreifen muss, um nicht diese Krise außer Kontrolle geraten zu lassen. Letzteres wird wahrgenommen was die Kaufkraft des Euro für die Börsen und insbesondere Aktienmärkte weltweit in Wert gilt.
In Griechenland verlangt dieser Stress Test obendrein Veränderungen im Management von Banken die nicht ganz bestimmten Auflagen bislang nachgekommen sind. Das zielt ab auf Reformen in den Vorstandsetagen und wie die Banken insgesamt sich des Finanzmarktes mit Hilfe der EBZ bedienen können, ohne dass diese Schulden erneut durch Hinzuziehung des Steuerzahlers wie der Fall in Griechenland gedeckt werden müssen. Renzi in Italien ringt um dieses Paradox denn die Banken sind außerstande durch eigenes Kapital ihre maroden zu helfen, doch würde er dass Mittels des Staates lösen wollen, würden die Steuerzahler belangt werden. Letzteres kann sein politisches Aus bedeuten.
Der Krise zum Trotz ist der griechische Entrepreneur Geist keineswegs eingeschlafen. Im Gegenteil, viele sind bereit Risikos einzugehen, um Geschäfte zu entwickeln, aber alleine die Bedingungen denen griechische Baufirmen im Ausland, insbesondere im Nahen Osten ausgesetzt sind, die sind umso größere Hürden im Vergleich zu was französische oder deutschen Firmen zu erfüllen haben. Niemand spricht aber von dieser Wettbewerbsverzerrung die oftmals zum Nachteil Griechenlands solch negative Auswirkungen haben. Folglich wäre es entscheidend die wirtschaftlichen Probleme von Griechenland in einem größeren Kontext zu verstehen.
Vor allem wollte die Öffentlichkeit in Griechenland ab 2010 wissen wie die schlimmsten Konsequenzen der Austerität-Politik vermeidbar sind. Viele wünschten sich natürlich eine sogenannte "sanfte Landung". Zum Beispiel, es hat vielen geholfen, dass die Regierung von Giorgios Papandreou nach 2009 sofort ein Gesetz erließ, dass die Menschen vor einem Rauswurf aus ihren Wohnungen schützt. Doch die von der Troika geforderten Maßnahmen greifen immer mehr um sich. Sie sind mit einem Würgegriff nach der Kehle zu vergleichen.
Bei solch einer Aussicht kein Wunder wenn immer mehr der talentierten und höchst qualifiziertesten Menschen auswandern. Nach einem Bericht der Griechischen Zentralbank in 2016 wurde errechnet, seit 2013 seien mehr als 400 000 ins Ausland gegangen und darum der größte "brain drain" in der modernen Geschichte Griechenlands. Viele von ihnen sind Ärzte oder hoch qualifizierte Fachkräfte die das Land stark vermissen wird. Bereits jetzt schon befindet sich der Gesundheitssektor kurz vor dem Kollaps.
Arbeitslosigkeit - das ungelöste Problem
Während in Deutschland die Arbeitslosigkeit um 2 Millionen, also 6%, eine der niedrigsten in der EU ist, besagen die Zahlen für Griechenland bereits welch ein großer Unterschied besteht. Die allgemeine Arbeitslosigkeit in Griechenland liegt ungefähr bei 25%, und das seit Beginn der Krise in 2010. Die Jugendarbeitslosigkeit ist noch gravierender, nämlich um die 50%.
Für die hohe Arbeitslosigkeit in Griechenland gibt es etliche Erklärungen, besonders wie es zu diesem rapiden Anstieg kam. Sobald das nötige Geld fehlte, stoppten viele Projekte. Insbesondere der Bausektor brach rapide ein. Hinzu kam der massive Druck der Troika Reformen anzugehen, u.a. Abbau eines was die Troika für einen aufgeblähten Beamtenapparat hält. Bereits PM Samaras versuchte den Forderungen nachzukommen, indem er in 2013 einfach die öffentliche Fernseh- und Radioanstalt ERT schloss, um mit einer Entscheidung 2 500 Arbeitsplätze zu streichen. Damals holte er sich noch Legitimation von der allgemeinen Vermutung, hier handele es sich um ein Privilegiertem wo viele überbezahlt sind und dafür wenig tun. Die Einschaltquota von ERT lag außerdem auf einem sehr niedrigen Niveau um die 27%, doch diese Zahl sagt nicht sehr viel über die wirkliche Bedeutung des Senders aus. ERT war stückweise ein Teil der Geschichte Griechenlands und mit seinen Radio- und Fernsehsendungen aus den tiefsten Winkeln der Provinz oder Übersee bei der griechischen Diaspora sorgte er dafür die griechische Identität insgesamt aufrecht zu erhalten. Folglich wäre der Sender wie Kinder ihre Eltern betrachten, insofern sie nicht immer bei ihnen sind doch werden sie dennoch gebraucht.
Das Beispiel von ERT besagt bei Kürzungen und Schließungen von Institutionen und bis dahin existierenden Funktionen ist es nicht so einfach. Konsequenterweise sollten keine reine ökonomische Evaluierungsmethoden angewendet werden, wenn das dazu verleitet kulturelle und soziale Aspekte zu übersehen. Hier gibt es noch ganz andere Möglichkeiten den Mehrwert zu sehen. Schließlich zählt sehr viel was zum Zusammenhalt einer Gesellschaft beiträgt. Außerdem ist es im Sinne einer kritischen Öffentlichkeit ein entscheidender Beitrag wenn ein öffentlicher Sender neben den vielen privaten Anbietern besteht. Die nicht kommerzielle Orientierung ist Teil eines Wertesystems das übers rein ökonomische hinausgeht und sehr stark mit was auch eine Zivilgesellschaft auszeichnet, verbunden ist.
Geschlossener Laden in Athen
Kunst im leeren Laden in Athen
Vor allem sorgten die vielen Beamten - es handelte sich in 2009 um ungefähr 1 Millionen bei einer Bevölkerungszahl Griechenlands von 11 Millionen - mit ihrer Kaufkraft kleinere und mittlere Geschäfte unterstützte. Doch bei aller Kritik am Verwaltungsapparat von Griechenland wird mächtig übertrieben, um nicht wirklich differenziert beim Reformvorhaben vorzugehen. Außerdem sind z.B. vergleichsweise viel mehr Menschen in Dänemark vom Staat für ihre Existenzsicherung wenn nicht direkt dann doch indirekt abhängig. Da vor allem die ersten reellen Einschnitte im Beamtenapparat geschahen, machten sich Gehaltkürzungen, Entlassungen, früheres Gehen in die Rente usw. sofort im Nachlassen dieser Nachfrage bemerkbar. Sofort schlossen viele dieser kleinen Läden und Betriebe die bislang eine lebendige Vielfalt vor allem in Athen ausmachten. Die Krise ist ohnehin in Athen viel eher zu spüren als auf dem Lande oder auf den Inseln mit einem weiterhin starken Tourismus. In Athen lebt mehr als 50% der ins-gesamten Bevölkerung in Griechenland. Das hat seine historischen Gründe weil über Jahrzehnte Zufluchtsort für diejenigen die nicht länger die Armut auf dem Lande ertragen konnten oder die nach der Tragödie in Klein Asien 1921 in die Stadt kamen.
Leider ging die Troika ähnlich vor was die Bundesrepublik gegenüber der ehemaligen DDR tat, nämlich die Treuhand zu installieren. Es ist bekannt, dass besonders Finanzminister Schäuble so etwas ähnliches in Griechenland haben will, insbesondere wenn es um die Verwaltung der Privatisierung geht. Was in der damaligen DDR nach der Wiedervereinigung geschah, ist ein negatives Lernbeispiel. Sofort wurden Fabriken geschlossen und oftmals konnte man wertvollen Besitz zu nur einem Euro zu kaufen z.B. ein ganzes Schloss. Solch ein Spottpreis war allerdings mit Auflage verbunden z.B. es zu restaurieren und zu nutzen doch mit dem Versprechen dadurch Arbeitsplätze zu schaffen, sicherte sich der neue Inhaber EU Gelder aus dem Strukturfond. Es wurde also nicht wirklich investiert sondern eine Gelegenheit einseitig zugunsten des Westens ausgenutzt.
Leider geht die Troika nicht an die Probleme der griechischen Wirtschaft mit solch einer Offenheit für solch einen bevorstehenden Umwandlungsprozess geschickt heran. Denn das würde verschiedene Instrumentarium verlangen z.B. Umschulungskurse und neue Kommunikations- und Informationszentren zwecks einer Koordination neuer Formen der Zusammenarbeit. Vor allem müsste eine kulturelle Adaptation ermöglicht werden. Griechenland hat ohnehin seit 1981 einen rapiden Wandel durchgemacht. Während die Großeltern noch ihre Felder mit Hilfe eines Esels bestellten, fahren deren Enkelkinder mit einem Jeep zu ihrem Sommerhaus auf dem Dorf der Großeltern. Eher verließen sich ihre Ökonomen und Berater auf kausale Mechanismen, so als würde der freie Markt alles richten.
Dabei ist das größte ungelöste Problem nicht die Arbeitslosigkeit per Definition, sondern insgesamt die schlechten Arbeitsverhältnisse. Selbst wenn welche Arbeit haben, dann oftmals unter den schlechtesten Bedingungen. Niedrige Löhne, lange Stunden, kein Einhalten von irgend welchen Arbeitsrechten, wobei der sogenannte "soziale Dialog", der von der EU gefördert wird, nicht wirklich zustande kommt. Eher wurde dieses Instrumentarium praktisch missbraucht um eigene Interessen durchzusetzen, nicht aber eine inhaltliche Verständigung zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern zu erzielen. Da dies einen allgemeinen Standard setzen würde, ist die Vernachlässigung solch eines sozialen Arbeitsnorm der Grund dass viele sich darüber beschweren sie würden Arbeiten unter menschlich unwürdigen Bedingungen verrichten.
In manchen Fällen herrschen Sklaven-ähnliche Verhältnisse. Vor allem ausländische Hilfskräfte auf dem Land bekommen das immer wieder zu spüren. Auch Kinder werden gezwungen zu arbeiten, um etwas Geld für ihre Familien einzutreiben. Es ist keine Seltenheit überall hoch qualifizierte Studenten anzutreffen die in Restaurants und allgemein im Dienstleistungssektor Arbeiten verrichten. Ihnen werden viele Stunden abverlangt, manchmal bis zu zehn oder noch mehr Stunden, erhalten aber dafür sehr wenig Geld. Kurzum herrschen wegen der schlechten allgemeinen Wirtschafts-Lage überall Bedingungen, die geradezu zu allen möglichen Ausbeutungspraktiken verleiten. Der allgemeine Zustand der Arbeitnehmer hat sich weitgehend seit 2010 enorm verschlechtert. Das hat auch unmittelbar negative Auswirkungen auf den Gesundheitszustand. Die rapide Zunahme an Suizid Versuchen ist ein erschreckendes Indiz dafür. Hinzu kommen noch diejenigen die unbezahlte Arbeiten verrichten. Sie tun es oftmals in der Hoffnung dadurch später mal eine bezahlte Arbeit zu erhalten. Kurzum fühlen sich viele ihrer menschlichen Dignität beraubt.
Was sich außerdem fortsetzt, ist eine eingeschliffene Praxis der Elite die oftmals hoch qualifizierte Kunsthistoriker und andere für sich ohne Bezahlung arbeiten lassen wenn es um die Vorbereitung einer Ausstellung geht. Sie tun das in der Meinung es sei eine Ehre wenn sie für eine berühmte Persönlichkeit etwas tun. Mit anderen Worten, der Begriff "Arbeit mit Bezahlung" wird selten angewendet. Stattdessen organisiert sich vieles mit einer Raffinesse die sofort jemand ausgrenzt wer da nicht mit machen will, und außerdem nicht über diese Ausbeutungspraktiken schweigt. Folglich etwas zu tun, obwohl es nicht unbedingt eine anerkannte Arbeit ist, gilt als Privileg und steht höher in der Werteskala einer hierarchischen Gesellschaft als eine bezahlte Arbeit. Vor allem hängt Zahlung von Beziehungen ab und vom Gefallen der Elite ob sie jemanden belohnen wollen. Wenn ja, dann ist es ein Minimum an Geld, also eher eine symbolische als eine real angemessene Bezahlung für die getane Arbeit. Dagegen verlangen die berühmten Persönlichkeiten, auch der Komponist Theodorakis, sehr viel Geld fuer sich.
Diese Ausbeutungspraktiken sind besonders im kulturellen und sozialen Sektor zu vermerken. Ein Techniker der die Beleuchtungen für Theater und Tanzinszenierungen macht, weiß niemals ob er das versprochene Geld erhält. Ein Theaterdirektor zog es vor mit seiner Familie Urlaub in Barcelona zu machen statt ihn zu zahlen. Er protestierte nicht da seine Philosophie es ist lieber schweigen und seine Arbeit verrichten, weil er ansonsten die Berechtigung hat nicht weitere Aufträge zu erhalten. Folglich ist sein Ruf bei der Elite, d.h. denjenigen mit maßgeblichen Einfluss auf die Verteilung von bezahlten Arbeiten, dass er ein sehr lieber Mensch sei der ruhig ist, gut arbeitet und wenig verlangt. Solch eine Anpassung an die gängigen Verhältnisse erklärt weshalb so wenig Außenseiter Bescheid wissen unter welchen Bedingungen die meisten in Griechenland existieren müssen.
Die Krise selber erschwert überhaupt die ganze Situation, und jeder muss sehen wie er oder sie durchkommt, es schafft eine bezahlte Arbeit zu bekommen. Um Kosten zu sparen, sind auch viele wieder zu den Eltern zurück gezogen, nachdem sie ihre eigenen Wohn- und Arbeitsräume hatten. Die Einschränkung folgt auch einer Besinnung auf das, was noch ökonomisch zu tragen ist. Viele der Jugendlichen leben faktisch von den Renten ihrer Eltern und noch mehr Großeltern. Ohne versichert zu sein und außerstande ins Rentensystem einzuzahlen ist nicht schwer auszumalen welch eine Zukunft dieser Generation des Memorandum bevorsteht.
Vieles hängt davon ab wie der Arbeitsmarkt organisiert ist. In Deutschland gibt es z.B. Praktika die einem erlauben erstmals probeweise im Krankenhaus zu arbeiten, um zu sehen ob dieser Beruf einem zusagt. Erst dann kann in einem zweiten Schritt das Studium oder Training zwecks Qualifizierung für diesen Beruf z.B. als Pfleger oder Krankenschwester aufgenommen werden. Die Praktika werden nicht bezahlt aber sie fungieren als Voraussetzung für den späteren Einstieg in die Qualifikation. Heutzutage werden überhaupt keine genommen, wenn sie nicht solch ein Praktika absolviert haben. Es soll verhindern dass manche etwas anfangen und erst dann merken dies ist gar nicht der Beruf den sie später ergreifen wollen.
Der wirkliche Skandal, und die ungeheuerliche anti-Humanität, ist die von Neo-Liberalen eingeschlagene Strategie die verwendet wird zwecks Wieder- Herstellung einer geglaubten und real verloren gegangenen Kaufkraft nach der Bankenkrise von 2008. Gemeint sei was bereits Eingangs angedeutet wurde, indem Sartres Beispiel von Spanien im 15 Jahrhundert zitiert wurde. Sobald das Verhältnis konkreter zum abstrakten Reichtum nicht mehr stimmt, wird eine künstliche Arbeitslosigkeit erzeugt, um die Kaufkraft wieder herzustellen. Wo vorher zehn Gehälter bezahlt werden musste, um sämtliche Arbeiten auf dem Gut verrichten zu lassen, wurde nur noch einer eingestellt während die anderen neun arbeitslos wurden. Doch der einzelne kann nicht die Arbeit von zehn verrichten, also muss er Sub-Unternehmen gründen und mittels seines eigenen Gehaltes die anderen dazu bewegen unter Bedingungen von viel niedrigeren Löhnen doch noch die selbe Arbeit zu verrichten.
Statt also die Arbeit so zu verteilen, dass alle mitmachen können und jeder davon etwas hat, verdienen viele sehr wenig während einige sehr viel mehr als alle anderen verdienen. So kommt es zur Schere zwischen arm und reich. Es widerspricht ganz und gar dem Grundprinzip einer demokratischen Gesellschaft die auf der Basis der Gleichheit aller Menschen erst ihren wirklichen Anspruch erheben kann, dass alle in Freiheit miteinander leben und arbeiten können. Kurzum wird die konstruktive Zusammenarbeit zerstört, entstehen willkürliche Abgrenzungen und künstliche Hierarchien.
All das fing bereits an als Adam Schmidt die Arbeitsteilung als Prinzip einer neuen Wertschöpfung entdeckte, und was Hegel in seiner Philosophie fortsetzte, insofern ein jeder für den Reichtum der Nation arbeiten müsse, ansonsten würde er Schaden zufügen, ja ein Krimineller sein. Selbstverständlich sagte Hegel dabei nicht der Reichtum der Nation ging zugute von ganz bestimmten Leuten. Denn die einzigen die von solch einer scharfen Verurteilung geschützt sind seiner Meinung und Philosophie nach, sind die mit Besitz und Eigentum. Sie müssen nicht arbeiten, also auch nicht sich "veräußern", um ihre Energie dem Arbeitsprozess und darum dem Herstellen von Produkten zu geben. Sie sind außerdem nicht die Inhaber dieser Produkte, sondern gehören demjenigen der über die Produktionsmittel und darum über das Kapital verfügt.
Zwar wird behauptet Griechenland sei seit der Krise ein günstiges Experimentierfeld für solch neue Strategien. Allerdings war in Deutschland die Hartz IV Reform bereits das Mittel die Arbeitslosigkeit einerseits einzudämmen, anderseits aber auch Mittel zum Zweck, nämlich die Lohnkosten so niedrig wie möglich zu halten. Firmen hatten der Bundesregierung von Schröder angedroht, würde er nicht diese Reformen realisieren, dann verlagern sich ihre Produktionen ins Ausland. Manche Reformen kommen anscheinend erst nach kolossalen Erpressungen zustande. Die Hartz IV Reform verdeutlichte zugleich welche Option eine SPD Regierung hatte und was sie dazu zwang die Frage der sozialen Gerechtigkeit aufzugeben. All das hat ihr im Nachhinein Wählerstimmen gekostet, aber es hat der deutschen Wirtschaft eine enorme Stabilität beschwert weil dadurch eine höhere wirtschaftliche Entwicklung finanzierbar wurde.
Neue Studie zeigt drastischen Anstieg von Armut in Griechenland
19.03.2015, 16:50 Uhr | t-online.de, dpa
Der neue Bürgerkrieg und die Flüchtlingsproblematik
Enzensberger spricht nicht vom Krieg, sondern von einem neuen Bürgerkrieg, einer der bereits mit dem Vandalismus in den Städten beginnt und dadurch eine verwahrloste Atmosphäre schafft. Ferner nennt er die vielen Fliehenden Ausdruck eines demographischen Krieges. Da alles nicht mehr innerhalb einer Nation statt findet, sondern über die Grenzen hinweg alle früher oder später tangiert, verändert solch eine Sichtweise den Begriff von Krieg. Es wirft schlagartig neues Licht auf die Gefährdung bestimmter Staaten wegen ihrer geo-politische Positionen. Griechenland neben Italien erfährt den Flüchtlingsstrom ganz anders als Deutschland aber auch da wirkt sich das direkt auf die Einstellung der Gesellschaft gegenüber den neuen Fremden aus. Während viele im Mittelmeer umkamen, und besonders in 2015 wie mächtige Flüsse anschwellten, wurde erst das vorübergehend unter "Kontrolle" gebracht, als die EU ein Abkommen mit der Türkei einging. Seitdem scheint die EU befangen, was Umgang mit der Türkei und insbesondere mit Erdogan betrifft.
Ende Juli 2016 gerät Allepo unter Bedrängnis. Die Syrische Armee hat die Stadt voller Rebellen eingekreist und 300 000 sitzen fest. Die Vereinigten Nationen spricht von einer drohenden humanitären Katastrophe. Gleichzeitig trauern hohe Politiker, darunter die Kanzlerin Merkel und Bundespräsident Gauck, in München den Verlust von neuen Menschenleben weil ein junger Mann Amok lief und um sich schoss. Da dieses Ereignis in einer Reihe von weiteren gravierenden Vorfällen im Zug bei Würzburg und in Ansbach, und das in Verbindung mit dem allgemeinen Begriff von Terror gebracht wird, stellt sich die Frage ob die Gesellschaft trotz diesen grausamen Taten noch ihre Menschlichkeit bewahrt und eben bereit ist den Asyl-Suchenden nach wie vor Schutz und Sicherheit zu bieten. Zumindest die Kanzlerin Merkel ist dazu bereit mit ihrem neun Punkte Plan, aber wenn 70% der Bevölkerung dagegen ist, stimmen nicht mehr offizielle Politik mit dem Grundgefühl der meisten Bürger überein.
Selbst in Griechenland wo die menschliche Solidarität vor allem auf Inseln wie Lesbos anfangs enorm war, hat sich das Grundgefühl geändert. Je länger die Flüchtlinge in Griechenland nicht nur festsitzen, sondern auch noch unter manchmal sehr primitiven Bedingungen der Lager zu leiden haben, entstehen immer wieder gefährliche Spannungen nicht nur zwischen der lokalen Bevölkerung und den Flüchtlingen, sondern auch unter den Flüchtlingen. Immer wieder wird von gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen Afghanen und Syrier berichtet. Die Konflikte im Nahen Osten werden also auf Europa übertragen und teilweise auch stellvertretend ausgetragen. Der beste Beweis ist die in Köln am 31.7.2016 aufgerufene Demonstration von türkischen Anhänger von Erdogan, um auch eine innere Spaltung in den türkischen Gemeinden in Deutschland zu evozieren. All das und mehr sagt die sozialen, kulturellen und vor allem politischen Verhältnisse sind viel komplizierte geworden. Es geht ums Stimmrecht aber auch ums Wissen wie das nackte Überleben in solch gefährlichen Zeiten noch zu sichern ist. Überall wird die Gesellschaft, ob nun in Flüchtlingsheime oder in Schulen, auf ungelöste Probleme verwiesen, eben weil besten Falls nur Halb-Wissen über die wirkliche Lage besteht und die meisten nicht auf diese neuen Herausforderungen wirklich vorbereitet sind. Hilfsbereitschaft und spontaner Einsatz der einmalig sein kann, ist etwas ganz anders als die langfristige Integration ins gesellschaftliche Leben der anderen. Denn das kann nur auf der Basis einer gegenseitigen Anerkennung gelingen. Noch mehr muss unbedingt ein Fehler vermieden werden.
Es geht nicht darum die Flüchtlinge nur in die deutsche Kultur und Gesellschaft einzuweihen, denn Deutschland als Mitglied der Europäischen Staatsgemeinschaft kann nicht alleine diese Realität vermitteln. Dennoch wird oft genug aufs Brandenburg Tor als Teil deutscher Geschichte verwiesen, wer aber fügt in die Erklärung ein, dass die deutsche Wiedervereinigung erst im Kontext von Europa und den Vier Mächten zustande kam? Allzu schnell kann ein falsches Bewusstsein durch die Reduktion auf nur den nationalen Alleingang entstehen, oder der Bezug des Flüchtlings auf was wohlgemeint die Realität angeblich ist, sie bleibt solange unwirklich wenn die Europäische Gesetzgebung außer Acht gelassen wird.
Wie dem neuen Bürgerkrieg zu begegnen? Vor allem bedarf es eine Versöhnung auf der ganzen Welt. Das schließt das Beenden von Bürgerkriegen in Afrika mit ein. Nelson Mandela hat da in seiner Zeit vorbildlich agiert, indem er die andere Seite niemals als Feind sah, sondern als potentiellen Freund. Doch was die kriegerischen Auseinandersetzungen so schmerzvoll machen ist das sinnlose Töten mit Waffen die aus aller Welt in Konfliktregionen geliefert werden, ob nun legal oder illegal. Es kann also nicht angehen nur auf die Notwendigkeit einer Ursachenbekämpfung der Flüchtlingsproblematik zu verweisen, und dabei völlig die Waffenexporte z.B. von Deutschland außer Acht zu lassen wie es erneut Merkel in ihrer Pressekonferenz Ende Juli 2016 getan hat, als sie ihren zehn Punkte Plan vorstellte. Es war einmal der Ruf der Friedensbewegung aus der die Grünen hervorgingen, nämlich "Frieden schaffen ohne Waffen!"
Zivilgesellschaft und die 'Commons' als neue Öffentlichkeit
In Griechenland hat in der Zeit vor der Krise die Zivilgesellschaft eine pseudo- haften Aufschwung erlebt, denn Politiker kamen dazu ihre Frauen selber NGOs für Wohltätigkeitszwecke zu gründen, obwohl sie im Grunde genommen dabei nur sehr viel Geld abschöpften. Seitdem leidet die Zivilgesellschaft und ihre NGOs unter dem Verlust eines guten Rufes.
Als Giorgios Papandreou mit PASOK an die Macht Ende 2009 kam, ernannte er als Umweltministerin die junge Birbili, die sich sofort an die Arbeit machte und zum ersten Mal zwecks Beratung die WWF beauftragte bei einer neuen Gesetzgebung zwecks Schutz der Umwelt mitzuwirken. Das war das erste Mal einer Kooperation zwischen Regierung und einer NGO. Leider blieb die Umweltministerin nur zweieinhalb Jahre im Amt. Sie bekam eine Opposition zu spüren die behauptete ihr Bestehen auf Umweltdirektiven verleite zur Verneinung von Substitutionsbegrifflichkeiten, ohne zuzugeben diese seien oftmals nicht nur hohe Risiken, sondern direkte Verstoße gegen Umweltauflagen, falls realisiert. Ihr Rauswurf zeigt aber wie stark das Argument zugunsten von Investitionen besonders dann ist wenn das Land sich in einer Krise befindet und ohnehin die Hauptkritik von Seiten auch der Troika immer wieder ist, dass Investitionshemnisse nicht rapide genug abgebaut würden.
In solch einem vertrackten politischen Umfeld ist es um so wertvoller wenn Organisationen der Zivilgesellschaft aktiv sind. Die WWF macht ohnehin hervorragende Arbeit u.a. unterstützt sie lokale Kommunen in Rechtsstreitigkeiten und durch ihre Experten vor Ort sichert die Organisation, dass Umwelt-spezifische Fragen stets auf der Tagesordnung des Gemeinderates stehen. Diese von unten kommende Aufbauarbeit um das allgemeine Umweltbewusstsein zu stärken, trägt Früchte insofern es doch gute Beispiele gibt wo Umwelt-schonende Maßnahmen durchgesetzt und letztlich von allen mitgetragen wird.
"World Heritage", eine weltweite NGO mit Sitz in Berlin, versucht stets die Zivilgesellschaft parallel zu den UNESCO Konferenzen zusammen zu bringen, um sicher zu gehen, dass die Weltorganisation aus politischen und sonstigen Gründen kein blindes Auge gegenüber Sündern übt und doch die Dinge beim Namen nennt. Wie aber so oft in der Politik, momentan gibt z.B. die Türkei sehr viel Geld der UNESCO die ohnehin wegen der Sperre der Vereinigten Staaten eine Lücke von 25 bis 27% an Mitgliedsbeiträgen zu verkraften hat, und darum froh ist wenn andere sozusagen in die Bresche springen. Die Türkei kauft sich natürlich dadurch ein Schweigen gegenüber eigenem zerstörerischen Vorgehen in der Altstadt von Istanbul, heute leider fast nur noch ein herunter gekommenes Elendsviertel, oder was das Militär in Stätten die unter dem Schutz der Konvention zum Welterbe stehen, anrichtet. Jeder Versuch die Aufmerksamkeit der UNESCO auf die Resolution der NGOs zu lenken, scheiterte bei der im Juni 2016 abgehaltenen, dann doch abgebrochenen Konferenz in Istanbul. Da die türkische Delegation den Vorsitz hatten, durften die Vertreter der NGOs nicht ihre Informationsblätter drinnen im Sitzungssaal verteilen noch draußen auslegen, weil sie sofort entfernt wurden. Solch eine Unterbindung der Artikulation wichtiger Meinungen unterstreicht das Grundproblem welches NGOs gegenüber stehen, und darum geht es letztlich auch darum, wie können diejenigen, die an der Spitze von Weltorganisationen sind, dahin gebracht werden nicht länger nur opportunistische Positionen einzunehmen?
Zukunft von Europa nach BREXIT
Die Zukunft von Europa nach BREXIT ist alles andere als gewiss. Wer hätte das voraussehen können? Da sehr viele unbekannte Faktoren im Spiel waren, reduzieren manche sehr gerne die Dinge auf einzelne Faktoren z.B. es sei fatal gewesen die Mitgliedsschaft in der EU mit der Emigrationsfrage zu verknüpfen, weil viele gegen eine "unkontrollierte" Zuwanderung von noch mehr Migranten sowohl aus insbesondere Polen und Rumänien als auch aus dem Nahen Osten waren. Die Commonwealth Mitgliedschaft bringt bereits Migranten aus Afrika und Asien nach England. Doch diese zugespitzte These erklärt nicht alles. Schließlich gibt es die Vermutung, viele dachten gar nicht daran BREXIT würde kommen. Noch kurz vor der Abstimmung am 23 Juni hieß es laut letzten Umfragen, dass das "Remain" Lager um 4 bis 5% voraus waren. Es kam dann für viele ganz anders als erwartet. (siehe auch Brexit: the UK in despair)
Das Schlimme am Endergebnis ist die verbaute Zukunft für die Jugend die fürs Verbleiben in der EU stimmte während es die älteren Generationen auf dem Lande, d.h. außerhalb den Städten Englands, die für BREXIT stimmten. Leute in Kent meinen England sei besser dran wenn das Land seinen eigenen Wege geht.
Nicht nachvollziehbar ist der Rückzug von den Hauptverantwortlichen für dieses Endergebnis: Cameron, Farage und Johnson. Nur letzterer wurde plötzlich zum Außenminister von der neuen Premierministerin May erkoren, obwohl Johnson eine unerträgliche Figur ist. Spätestens nachdem er Europa / EU mit Hitlers Dominanz verglich, war er für solch eine Verlautbaren nicht mehr tragbar. Wiederholt hatte er sich Mitteln der Entstellung bedient, um effektiv die Media seine Art der Darstellung weiter spinnen zu lassen. Ob entrüstet oder aus Verzweiflung, es funktioniert immer wieder eine falsche Aufmerksamkeit auf triviale Dinge zu lenken, während die wirklichen herausfordernden Fragen in den Schatten gestellt werden.
Vermutlich hatte sich ganz Europa nicht voll und ganz für den Verbleib von England in der EU engagiert, weil es immer wieder Schwierigkeiten gab. Stets wollten die Engländer Sonderregelungen für sich in Anspruch nehmen. Cameron selber gab zu sie hätten das Beste der beiden Welten, sowohl Mitgliedschaft als auch draußen zu sein. England war nicht z.B. Mitglied der Eurozone geworden, sondern behielt das Pfund als eigenständige Währung. So war es eher eine 50/50 Entscheidungsfrage. Vermutlich wird der Austritt, sollte der Artikel 50 in Kraft treten und die auf zwei Jahre beschränkte Verhandlung über den Modus vivendi des Austritts beginnen, eine wohltuende Klarheit schaffen.
Ob zu befürchten steht, dass noch andere EU Mitgliedsstaaten per Referendum zum selben Ergebnis kommen und den Austritt wünschen, steht offen zur Spekulation. In der Realität hat die EU eine solide Basis, wenn auch es sehr viele Menschen gibt die einfach nicht den übergeordneten Institutionen in Brüssel, Luxemburg und Straßburg trauen, und deshalb es bevor ziehen ihren national eingestellten Politikern zu folgen, um ebenso den nationalen Weg hin zu einer als echte Souveränität dargestellte Selbstständigkeit zu gehen. Ungarn mag mit dieser Idee ab und zu spielen, aber eher für den internen Gebrauch. Ähnliches gilt für Polen wobei die EU hier bereits Maßnahmen ergriffen hat, um die prekäre Rechtslage des Verfassungsgerichtes in Polen zu korrigieren. Etwas anderes ist das Bankensystem. Der Stresstest der Ende Juli 2016 veröffentlicht wurde, offenbart Schwächen u.a. bei der Deutschen Bank und Commerzbank, aber vor allem bei den Italienischen Banken. Noch viel schwieriger dürfte es sein wenn es um die Frage handelt, aber welche Lehre soll denn aus dem BREXIT Ergebnis gezogen werden? Ist die EU imstande ihre eigenen Probleme zu lösen? Da es davon abhängt ob diese Probleme überhaupt erkannt und richtig identifiziert werden, kann noch nicht viel über die Aussicht auf Reformen der EU gesagt werden. Momentan scheint es als würden keine wirklichen Konsequenzen gezogen doch in Brüssel mahlen die Mühlen immer langsamer als sonst wo.
Hatto Fischer
Berlin 31.7.2016
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