Das Verhältnis zwischen Griechenland und Deutschland
Einleitung
Diesem Text ging voraus ein Vortrag der an der Nationalen Universität, Bogota, Kolumbien am 27.6.2016 gehalten wurde.
Eingangs zitierte ich Brecht, der einmal sagte:"der Umweg sei der kürzeste Weg." So soll es auch sein: eher Dinge umschreiben als direkt angehen, zwecks der Vermeidung der Annahme man verfüge über ausreichende Kenntnisse, um die einzelnen Schritte der Politik der beiden Länder, Griechenland und Deutschland, einwandfrei nachvollziehbar zu machen.
Allein das Verhältnis zwischen zwei EU Mitgliedsstaaten wahrhaft zu beschreiben, das ist bereits eine enorme Aufgabe, kommt noch der Anspruch hinzu dieses Verhältnis, wenn einmal adäquat beschrieben, zu analysieren, dann wird die gesamte Aufgabe doppelt so schwer. Praktisch dürfte das fast jeden Rahmen sprengen. Hegel hat das einmal als "Anstrengung des Begriffs" beschrieben, doch damit bezog er sich bloß auf die Identitäts-Findung innerhalb eines Staates.
Wahrlich ein bilaterales Verhältnis innerhalb von Europa auf einen Begriff zu bringen, ist alles andere als leicht. Schließlich beziehen sich Deutschland und Griechenland nicht nur direkt aufeinander, und das innerhalb einer sehr wechselhaften Geschichte insbesondere nach 1821 als ein achtzehnjähriger Bayerische König eingesetzt wurde, sondern auch indirekt mittels den EU Institutionen. So ist z.B. der Strukturfond für Griechenland von enormer Bedeutung, weil das sehr viel Geld bedeutet. Dabei spielt ein gravierender Unterschied zwischen beiden Ländern eine nicht unerhebliche Rolle: Deutschland ist Netto Beitragender zum EU Haushalt, Griechenland Netto Empfänger. Leider wird das oftmals hervorgekehrt, wenn es polemisch, und vor allem Medien bezogen, zugeht. Außerdem spiegelt das eine Reduktion auf nur noch dem Geld d.h. wer zahlt, wer erhält, wenngleich Mitgliedsschaft, aber auch die Beziehung zwischen Ländern weitaus mehr als nur eine finanzielle sein sollte. Zumindest müsste man das annehmen, da Kultur mehr als die Ökonomie ist, und Europa insgesamt beide Länder miteinbezieht. Kommt noch der Mythos von Europa hinzu. Ein Hauch der Andeutung davon findet man z.B. in Ernst Schnabels Roman "Ich und die Könige": eine Beschreibung von Dädalus wie er für den König Minos arbeitete und mit bekommt wie Minotaurus zustande kam.
Zwei Bedingungen sind darum vorab zu benennen: obwohl ich mit einem Fuß in Berlin seit 1977 stehe, aber die meiste Zeit ab 1988 in Athen verbringe, möchte ich nicht als Experte für das Deutsch-Griechische Verhältnis eingestuft werden. Mir ergeht es dabei ähnlich wie einst Uwe Johnson der aus der Bundesrepublik abhaute, weil er nicht länger als Experte für die Ost-West Deutsche Beziehung (damals gab es noch die BRD und die DDR) gelten wollte. Zwar bekommt man beiläufig etwas mit, wenn an zwei verschiedenen Orten fast gleichzeitig gelebt wird, aber zu einem fundierten Vergleich reicht das noch lange nicht aus. Ich bin außerdem weder Historiker noch irgend ein Experte im Außenamt. Ich kann also nur durch poetisch-philosophische Reflexionen gelebter Erfahrungen etwas beisteuern, um dieses vertrackte Verhältnis insbesondere seit dem Zweiten Weltkrieg etwas zu lockern.
Ein Experte ist z.B. Dieter Klemm der die Deutsch-Griechischen Schule in Athen besuchte, also Griechisch fließend spricht, und der später als Kulturattachee für Deutschland in Athen aktiv diese Beziehung gestalten wollte. So initiierte er am Goethe Institut in Athen z.B. die Ausstellung "Wechselwirkung" in den Jahren nach 1988, um erst einen in Griechenland lebenden deutschen Künstler z.B. Thomas Müller oder Astrid Koeker, oder dann einen in Deutschland aktiven Künstler wie Yannis Psychopedis zu zeigen. Nachdem er seine Tätigkeiten als deutscher Botschafter beendete indem er in den Ruhestand ging, widmete er sich um so mehr als Übersetzer von Texten und wurde als die Krise in Griechenland ab 2009 ausbrach, zu einem der wichtigsten Vermittler zwischen beiden Länder. Er trägt dazu bei Griechenland in der Krise beizustehen. Ganz im Gegenteil zu solch einer Expertise, nahm ich über die Jahre nur manche Dinge fast beiläufig wahr. Stets bezog ich mich ohnehin mehr auf Europa und darüber hinaus auf Länder wie Kanada wo ich zwölf Jahre ab meinem zwölften Lebensjahr verbracht hatte.
Die zweite Bedingung ist eine Frage der Methode, denn wie kann und soll das Verhältnis zwischen zwei Ländern, die zugleich Mitglieder der Europaeschen Union sind, wahrgenommen werden? Als Methode gilt es eine besondere Art der Annäherung zu einer historisch gewachsenen Komplexität so zu ermöglichen, das schon eher ein Anspruch auf Objektivität erhoben werden kann. In der Photographie wäre das mit einer minimalen Kunst zu vergleichen, um nicht sich direkt auf die Akropolis zu fokussieren, sondern auf die Reflexion des Tempels im Glas des Scheinwerfers der auf die Akropolis gerichtet ist.
In dieser Beziehung zwischen beiden Ländern spielt insbesondere in der deutschen Philosophie die Projektion auf Griechenland eine enorm wichtige Rolle. Hölderin, Heidegger, Gadamer aber auch Heinrich Heine seinen da nur zu nennen, was wiederum die Wahrnehmung von Griechenland in Deutschland betrifft. Hegel wurde verblendet alleine von der Tatsache, dass Staatsdiener des preußischen Staates ihre Dissertation in der alt griechischen Sprache absolvieren mussten, und darum nannte er ihn einen aufgeklärten Staat. Er übersah dabei geflissentlich, dass es in Wirklichkeit ein Polizeistaat war. Folglich übernahm Hegel in seiner Philosophie den darin verankerte totalitäre Anspruch des Staates auf eine absolute Durchsetzungsgewalt, etwas das ihm Popper in seinem Buch "Die offene Gesellschaft und ihre Feinde" niemals verzieh. Hinzu kommt noch eine fast systematische Ausblendung einer Gegenwarts-bezogene Wahrnehmung der griechischen Gesellschaft. Viele deutsche Gelehrte, aber nicht nur sie, interessierten sich vornehmlich für die Antike, und nichts anderes.
Umgekehrt besagt ein Spruch etliches, wenn Spyros Bokos meint, Griechenland würde darunter leiden stets seine eigene Vergangenheit importieren zu müssen. Allein die Präsenz von all den Archäologischen Instituten aus England, Deutschland, Frankreich, Kanada usw. sagt sehr viel darüber aus wie wichtig noch heute Studien der Antike sind. Doch deren Präsenz besagt zugleich, dass der post-koloniale Zustand in Griechenland bis heute vorherrschend ist.
Selbstverständlich ist bei allem nicht zu übersehen, dass das Demokratie-Modell der Polis, insbesondere zu Zeiten von Perikles, den westlichen Demokratien als Vorbild, aber auch als Alibi dient. Allerdings gehört dazu was Perikles vertrat, nämlich dass "Athen keine Armee bräuchte um sich zu verteidigen, sondern aktive Bürgerbeteiligung." Ferner achteten sie in der Antike darauf, keiner einzelnen Gruppe die Übermacht zu gewinnen. Ehe das zu weit kommen kann, wurden deren Einfluss beschränkt und Macht beschnitten. Leider halten sich westliche Demokratien gerade nicht an dieses Vorbild, siehe z.B. Präsident Bushs Steuererleichterung für die Reichen, und das zu Lasten des Staates, der seitdem nicht mehr aus den Schulden herauskommt.
Kurzum soll im Verlaufe von thematisch bezogenen Beschreibungen eine Methode entwickelt werden, eine die durch Beobachtungen oder Anmerkungen weiter gehende Analysen dieses schwierigen Verhältnis zulässt. Thematisch gesehen, kann jedes thematische Begriffsfeld, wie unten erläutert, weiter gehende Studien anregen, um die gesamte Fragestellung, was betrifft am stärksten oder am meisten das Verhältnis zwischen Griechenland und Deutschland, weiter zu entwickeln. Dabei dürfte die wichtigste Frage sein, ob die beiden Länder auf eine Gleichberechtigung zusteuern, oder innerhalb der institutionellen Befangenheit der EU sich alles zu Ungunsten von Griechenland entwickelt?
Symbolkraft hervorstehender Gebäuden
Akropolis
Bundestag
Manchmal bestehen feine Unterschiede die sich anhand der Symbolkraft bestimmter Gebäuden festmachen lassen. Natürlich ist das was folgt eine gewagte These, doch die Intuition kann einiges dazu beitragen, wo andere das nicht einmal sehen weil sie sich nicht auf gelebte Erfahrungen beziehen. Dazu gehört eine Wahrnehmungsweise die laut Ernst Bloch Sherlock Holmes gleich kommt, insofern auf angeblich unbedeutende Details ebenso geachtet wird.
Kurzum nach der Wiedervereinigung und der Entscheidung erneut Berlin zur Hauptstadt des alt-neuen Deutschlands zu machen, entstand ein neues Regierungsviertel mit dem Bundestag neben dem alten Reichsgebäude. Letzteres wurde mit einer Glaskuppel versehen, um Transparenz in der Politik zumindest zu symbolisieren. Und da ragt vor allem das Kanzleramt als Sitz der Macht heraus. All das bedeutet die Rückkehr zum "Monumentalen" in der Politik und unterstreicht vor allem die Macht des Kanzlers. Das wurde nach dem Abgang von Kohl zuerst von Schröder der SPD angehend ausgefüllt, aber erst im Zuge von Merkel wird diese Übermacht deutlich, und nicht nur in Deutschland, sondern in ganz Europa und in der Welt. In 2015/2016 gilt Merkel immer noch als einer der mächtigsten und bedeutsamsten Politikerinnen. Das hat eine unmittelbare Auswirkung auf das Verhältnis von Deutschland zur Europaeschen Union, und darum auch zu Griechenland. Dazu wird aber später einiges zu sagen sein.
Ganz anders hingegen die Präsenz des Parlaments am Syntagma Platz in Athen. Die ehemalige Residenz des Königs wirkt eher bescheiden nach außen hin, und es ist nicht einmal das bedeutsamste Gebäude in Athen. Nicht zu übersehen ist die unmittelbare Präsenz der Akropolis die mehr als 2000 Jahre Geschichte vermittelt. Dadurch entsteht im kollektiven Bewusstsein eine ganz andere politische Selbstverständlichkeit als was der Fall in Deutschland. Vor allem entsteht mittels der Akropolis ein kultureller Konsensus betreffs Kontinuität von Demokratie. Ein jeder junge Grieche wächst mit solch einem Bewusstsein heran.
Die Symbolkraft von Gebäuden ist nur dann zu verstehen wenn die Projektionen die die Menschen auf diese Gebäude machen, berücksichtigt werden. So tanzten Laserbeams auf dem Höhepunkt der Proteste gegen die Sparmaßnahmen in Folge der Finanzkrise in Griechenland ab 2009/2010, auf dem Parlamentsgebäude. Das geschah aus Protest und aus der Ansicht heraus sämtliche Politiker seien nur korrupt.
Griechisches Parlament am Syntagma (Verfassungs-) Platz
Wie sind aber solche Projektionen zu begegnen? Insofern sie im Grunde besagen, es bestehen enorme Diskrepanzen zwischen der äußeren Wahrnehmung von Menschen was die Politik betrifft und der inneren Reflexion derjenigen die in diesem politischen Prozess z.B. als gewählte Abgeordnete beteiligt sind, bedarf es der Vermittlung zwischen Innen und Außen. Doch solche Brücken sind eine Seltenheit, folglich bleiben die Projektionen an den Außenwänden des Parlaments einfach unbeantwortet kleben.
Cornelius Castoriadas geht davon aus, dass es die Aufgabe der Parteien sei diese Projektionen durch solche Programme, in denen die Menschen sich verstanden fühlen, aufzuheben (im Hegelschen Sinne, also ein Bewahren im Gedächtnis, um darauf zurück zu kommen). Erst dann könne die politische Institution zwecks dem Regieren nach demokratischen Prinzipien den Anspruch, gerecht für alle zu sein, erfüllen. Dazu bedarf es zwecks Verständigung zwischen den Politikern und der Bevölkerung, dass alle im öffentlichen Raum agieren können, und für die Bevölkerung die öffentliche Wahrheit stets erkennbar bleibt. Erst wenn das gegeben ist, fühlen die Menschen sich imstande dem politischen Prozess zwecks Entscheidungsfindung zu vertrauen.
Allerdings ist das Verhältnis der Athener und darüber hinaus der Griechen zur Akropolis und zur Antike im Allgemeinen nicht so sehr eine Projektion, sondern von Kindheit auf eine verinnerlichte Bedeutung eben weil die Akropolis eine Kontinuität in der Geschichte ein- und ausatmet. Somit stehen viele Griechen in einem unmittelbaren Bezug zu dieser besonderen Vergangenheit, was wiederum Richard Payne in seinem Buch "Ancient Greece" dazu bewegt zu meinen das damalige Leben gibt es auch heute noch, nur in einer modernen Variation. Die Stimmen der Fisch- und Fleischverkäufer auf dem Zentralmarkt unterhalb der Akropolis sind immer noch so laut wie damals. Folglich bewirkt das verinnerlichte Etwas eine besondere Haltung zur Demokratie und bestimmt das kollektive Bewusstsein. Besonders in der Krisenzeit die Griechenland seit 2009 durchmacht, ist diese besondere Selbstverständlichkeit erkennbar. Mittels ihrer finden die Menschen zueinander, und sei es durch noch so laut volle Diskussionen.
In Deutschland dagegen wirkt die Einheit als eine von oben verordnete Gesellschaftsordnung die nicht unbedingt von den Menschen getragen wird. Die politische Bedeutung der Nation wurde von Bismarck durch künstliche Kriege von außen her regelrecht erzwungen. Folglich wurde ein demokratisches Leben nie verinnerlicht, sehr wohl kam es aber zu einem falschen, d.h. extrem nationalistischen Bewusstsein. Immer wieder zeigt sich, dass die politische Institution, und noch mehr die um Macht konkurrierenden Parteien, eher den natürlichen, sprich historisch gewachsenen Zusammenhalt der Menschen verzerren. Somit ent-solidarisiert die Politik die Gesellschaft, statt die Menschen zusammen kommen zu lassen. Wenn letzteres geschieht, dann als eine Bewegung die sich außerhalb des politischen Rahmens befindet. Während die Grünen es allerdings schafften von der Friedensbewegung in eine innerhalb den Institutionen agierende Partei überzugehen, verbleiben andere Gruppen draußen z.B. die Pediga Leuten in Dresden aber auch die überlegen sich eine Partei zu werden. Der sogenannten Mittelschicht, falls noch als stabiler politischer Faktor vorhanden, fehlt bei all dem an fundierten Argumente zugunsten von Demokratie. Zumindest so scheint es, weil außerstande der zunehmenden Anti-Politik, eine die Heinrich Böll als Folge des Anti-Kommunismus voraus sah, etwas positives entgegen setzen zu können. Gleichzeitig besagen die NSU Prozesse, dass der Verfassungsschutz gefährliche Verbindungen zur rechten Szene und vor allem zu Neo-Nazis eingegangen ist. Hinzu kommt noch neuerdings seit 2015 das Aufkommen der AfD oder Alternative für Deutschland, die durch eine schlaue anti-Medien Politik alles mögliche öffentlich behaupten kann, um dann die Schuld fürs Missverständnis oder Falschaussagen in die Schuhe der Medien zu schieben. Gerade diese Untergrabung der öffentlichen Meinung ist eines der gefährlichsten Indizien der neuesten politischen Entwicklung in Deutschland.
All das erschwert bereits die Ausgangsposition für eine Klärung des Verhältnis zwischen Griechenland und Deutschland.
Das persönliche Verhältnis zwischen Politikern: Merkel und Tsipras
Tsipras
Als Tsipras die Wahl am 25 Januar 2015 gewann, betrat ein neuer Typus von Politiker die Bühne. Im Unterschied zu seinen griechischen Vorgängern (Samaras, Papandreou, Simitis usw.) studierte er nicht außerhalb von Griechenland. Er hatte eine ganz andere Sozialisierung hinter sich, zumal er aus der Region Epirus stammt. Von Anfang musste seine Regierung, insbesondere sein Finanzminister Varoufakis, sich mit den Eurozone Minister auseinander setzen, da im Wahlkampf sehr viel auf Hoffnung gesetzt wurde, die Bedingungen des "Memorandum of Understanding" positiv zugunsten von Griechenland beeinflussen zu können.
Was die beiden, Tsipras und Varoufakis, allerdings nicht bedachten, ist, dass sie nur das fortsetzten was all die anderen griechischen Politiker vor ihnen bereits falsch gemacht hatten, nämlich zu versuchen weiter zu verhandeln statt einmal eingegangene Verpflichtungen einzuhalten. Das mag eine besondere Eigenschaft der Griechen sein die ähnlich zu Odysseus in Homers epischen Gedicht stets versuchen sich aus sämtlichen Problemen herauszureden bzw. durchs Verhandeln positive Bedingungen für sich selber zu erzielen. Das entspricht auch dem Mensch-Götter Verhältnis der Antike wo nichts absolutes galt, und darum NOMOS, das Gesetz, so sehr gefürchtet wurde, weil solch eine Festlegung keine Flexibilität mehr erlaubt.
All das wurde von der Europaeschen Seite aus falsch verstanden bzw. negativ gedeutet, so als wollen die Griechen keine Verbindlichkeit eingehen. Da gibt es allerdings einen enormen Unterschied zwischen einer mündlichen Zusage und einer schriftlichen Fixierung. Letztere wollte stets insbesondere Schäuble erreichen und darum nahm er nicht wahr, dass er dabei die Ehre der Griechen verletze.
Natürlich ging es bei den Verhandlungen stets um GREXIT: Griechenlands Austritt aus der Eurozone und Rückkehr zur eigenen Währung. Damit wird immer wieder suggeriert eine vereinfache Lösung gäbe es: Griechenland könne nach dem Austritt abwerten und somit eigene Produkte exportieren bzw. absetzen, weil dann eher Wettbewerbs-faehiger. Doch diese leichtsinnige Argumentation übersieht, dass es darum ging Griechenland bei der Stange zu halten, und dabei die Kaufkraft des Euros zu erhalten.
Zweierlei kann dem noch hinzu gefügt werden. Erstens, wenn ein Staat Schulden macht, spricht der Staatshaushalt die deutlichste, zugleich lauteste Sprache laut Schumpeter. Da gibt es kein Vorbeischmuggeln mehr und erst ein sich stellen dieser Schulden schafft die Möglichkeit, davon frei zu kommen. Allerdings gilt im Bezug auf Griechenlands hohen Schulden das Argument, sie können niemals wett gemacht werden und folglich bedarf es der Umschuldung. Das aber verweigert konsequent bislang Schäuble der maßgeblich einen enormen Einfluss auf sämtliche Verhandlungen hat, und dabei eher deutsche als Europaesche Interessen vertritt.
Anderseits zeigt Jean Paul Sartre in seiner "Kritik der praktischen Vernunft" was in Spanien geschah, wenn die Suche nach Ausgleich zu einer plötzlichen Krise - plötzlicher Verlust an Kaufkraft - ungerechter Weise ausgeht. Was ereignete sich damals? Spanien erhielt im 15.Jahrhundert plötzlich sehr viel Gold aus den Kolonien. Die Schatzkammer des Königs schwoll an. Das viele Gold stellte eine Zunahme des abstrakten Reichtums dar. Alle in Spanien fühlten sich dadurch gestärkt und nutzten das neu gewonnene Gold, um ihren eigenen, d.h. konkreten Reichtum (die Währung und ihre Kaufkraft in ihren Händen), zu vermehren. Viele stellten neue Arbeitskräfte ein und ließen neue Gutshöfe für sich bauen. Sie bedachten aber nicht um all das zu bewerkstelligen, mussten sie vieles importieren, und das musste wiederum mit dem Gold bezahlt werden. Plötzlich war eines Tages über Nacht die Schatzkammer des Königs leer. Die Kaufkraft brach in sich zusammen. So geschah etwas das auch heute in Griechenland angewendet wird: es wurde im damaligen Spanien eine Arbeitslosigkeit geschaffen, indem z.B. ein Gutsherr all seine zehn Landarbeiter entließ, um dann nur einen wieder einzustellen. Der musste nun die Arbeit von zehn verrichten, so hatte er keine andere Wahl als seinen Gehalt mit den anderen zu teilen. Es wurden Unterverträge unter viel schlechteren Bedingungen geschlossen. Faktisch bedeutet das geringere Lohnkosten bei gleich bleibender Arbeitsproduktivität, doch dadurch wird die ursprüngliche Kaufkraft wieder hergestellt.
Ökonomen behaupten zwar die Wettbewerbsfähigkeit, meinen aber eher die Kaufkraft kann über solch eine künstliche Arbeitslosigkeit abermals hergestellt werden, weil dann die Lohnkosten sinken oder niedrig gehalten werden können. Das war der Fall in Deutschland ab dem Zeitpunkt als die Schröder Regierung die Hartz IV Reform für den Arbeitsmarkt einleitete. In Griechenland stieg seit 2009 die Arbeitslosigkeit bis zu über 25%, während die Jugendarbeitslosigkeit über 50% Marke kletterte. Das Fatale daran ist Arbeitnehmer die nichts mehr verdienen, bezahlen keine Steuern, geschweige dass die Jugend eine Zukunft für sich aufbauen kann. Bereits jetzt schon sind viele dadurch gefährdet weil ohne Versicherung und ohne eigenen Beitrag zur Rente. Es ist leicht auszumalen was mit ihnen geschehen wird, wenn einmal ältere Menschen, denn die Aussicht in eine grausame Armut abzugleiten bestimmt sie jetzt schon.
Angesichts dieser "irrationalen Austeritätspolitik", die die Troika - seit Syriza an der Macht ist, wird sie "die Institution" genannt - Griechenland aufbürdet, bleibt zu fragen, wie kann der griechische Staat jemals aus der negativen Spirale herauskommen? Statt die Schulden abzubauen, steigen sie nur. Der Staat ist dann gezwungen wiederum durch neue Erhöhungen der direkten und indirekten Steuern es zu versuchen, die fehlenden Steuereinnahmen irgendwie zu kompensieren. Das dies der falsche Weg ist, leuchtet allen, nur anscheinend den Euroministern nicht ein.
Tsipras versuchte mit seiner Verhandlungsstrategie aus dieser Falle herauszukommen. Nachdem klar war, dass sein Finanzminister Varoufakis eher ein Hindernis darstellt und darum entlassen werden musste, versuchte Tspiras persönlich Bündnispartner zu finden. Als erster war dran Juncker der ihn väterlich an die Hand nahm - eine Gestik von der bis heute die Rede ist, weil die Presse das eher als herabsetzende Haltung gegenüber dem griechischen Premierminister deutet. Obendrein spiegelt ausgerechnet Juncker auch den Zweifel an der EU Kommission wieder, und was einer der ausschlaggebenden Argumente fürs BREXIT Votum letztendlich war. Sie kommt nämlich nicht als eine gewählte Regierung zustande, sondern wird durch ein besonderes Verfahren durch den Rat in Abstimmung mit dem Europaeschen Parlament eingesetzt. Jedes Mitgliedsstaat erhebt selbstverständlich Anspruch auf ein repräsentatives Kommissionsmitglied im Kabinett von Juncker.
Varoufakis hatte bereits Bekanntschaft mit Schäuble gemacht. An diesem harten Kern der Eurozone-Finanzpolitik gibt es fast kein Vorbeikommen, es sei denn Tsipras findet einen direkten Zugang zu Merkel. Es wird nach gesagt, dass Merkel zuerst zögerte sich voll und ganz auf Tsipras einzulassen, zu groß war nicht nur der Erfahrungsunterschied betreffs Regierungsgeschäfte, sondern auch das Misstrauen einer konservativen Kanzlerin in einen jungen Politiker, sprich Tsipras, zumal der aus dem radikalen Linken Spektrum in Griechenland hervor ging.
Merkel schwankte lange in ihrer Meinung hin und her, bis sie eines Tages zu ihrem Erstaunen feststellte, Tsipras will nicht nur etwas umstülpen oder radikal verändern, sondern auch an der Macht bleiben. Der letzte Beweis lieferte seine Entscheidung ein Referendum abzuhalten, wobei er so ziemlich alles riskierte, und dann als sich über 60% gegen jegliches Abkommen mit den Eurozone Ministern entschieden hatte, er seine Meinung dahin gehend änderte, dass er einen Kompromiss einging, um sicher zu gehen Griechenland bleibt Mitglied der Europaeschen Union und in der Eurozone zwecks der gemeinsamen Währung. Er nahm die Kritik aus den eigenen Reihen in Kauf. Ein radikaler Flügel spaltete sich von Syriza ab, so dass er gezwungen war Neuwahlen auszurufen. Zum Erstaunen vieler gewann er im September 2015 die Wahl. Seitdem regiert Tsipras mit einer Mehrheit an drei Stimmen im griechischen Parlament mit 300 Sitzen.
Ohne viel spekulieren zu wollen, so hat bereits Lily Garndner Feldman in ihrem Buch zur Versöhnungspolitik von Deutschland gesagt, es käme auf das persönliche Verhältnis zwischen den Politikern an, um wirklich etwas zu ermöglichen was ansonsten undenkbar sei. (siehe Lily Gardner Feldman. Germany's Foreign Policy of Reconciliation – from enmity to amity. Plymouth,UK: Rowman & Littlefield Publishers, 2012). Folglich bedarf es einer sorgfältigen Rekonstruktion wie sich das Verhältnis zwischen Merkel und Tsipras entspannte, und auch Merkel dazu veranlasste Athen zu besuchen, allerdings unter erheblichen Sicherheitsvorkehrungen.
Ungleichzeitigkeit in Europa
"Ungleichzeitigkeit" ist ein seit Hölderlin ein bekannter Inbegriff von nicht gelungener Simultaneität. Nachdem die Revolution in Frankreich ausgebrochen war, wollte der Dichter ebenso seine Freunde in Deutschland per Brief animieren. Selbstverständlich kamen nicht all diese Briefe gleichzeitig an, also verzögerten sich die Reaktionen der Freunde nicht nur um Stunden, sondern um Tagen und Wochen. Der Begriff hat also mit einem gestörten Rhythmus innerhalb von Europa zu tun, soll aber nicht mit der Diskussion um Unterschiede innerhalb der EU bezüglich Entwicklungstempo verwechselt werden. Letzteres will suggerieren während manche Nordischen Länder weit in ihren Entwicklungen voraus sind, hinken insbesondere die Süd-Laender wie Portugal, Spanien und halt auch Griechenland nach.
"Ungleichzeitigkeit" will vielmehr besagen, obwohl alle in der EU leben, entsteht eine Entsolidarisierung wenn es den einen gut und den anderen schlecht geht. Kein Wunder wenn Jürgen Habermas sich den Begriff 'Solidarität' vornahm, um ihn nicht nur als Philosoph zu analysieren, sondern er verfolgte damit die politische Absicht ihn auch praktisch im Umgang mit Ländern wie Griechenland einzufordern.
Leider ist bislang sehr wenig davon zu spüren. Stattdessen verdeutlicht sich die Ungleichzeitigkeit insbesondere in den Lebens- und Arbeitsbedingungen, so dass viele aus den Süd-Ländern in die reicheren Nordländer abwandern. Die EU nennt das Mobilität der Arbeitskräfte als Ergänzung zum freien Umlauf von Kapital, aber so einfach ist diese neue Abwanderung vieler Fachkräfte nicht zu deuten. Schließlich fehlen dann die Ärzte in Griechenland während Deutschland diese höchst qualifizierte Kräfte praktisch frei ins Haus bekommt d.h. den Erziehungsaufwand bezahlte der griechische und nicht der deutsche Staat. So zogen gleich 250 Ärzte aus einem Jahrgang bestehend insgesamt aus 350 absolvierten nach Deutschland.
Während Griechenland immer weiter in eine teilweise selbst verschuldete, zugleich aber auch Memorandum bedingte Krise hinein schilderte, entwickelt sich ein gesellschaftliches Leben auf hohem Niveau in Deutschland weiter. Zumindest hielt sich diese Illusion in Deutschland bis September 2015 als Merkel plötzlich die gestrandeten Flüchtlinge auf dem Bahnhof in Budapest willkommen hieß, und somit faktisch Fluttore für Flüchtlingsströme öffnete. Es kamen über 1 Millionen Menschen binnen kürzester Zeit nach Deutschland, aber das soll jetzt nicht das Thema sein. Denn davor sonnte sich noch das wieder vereinigte Deutschland im Erfolg der Wirtschaft die einen Export-Überschuss jedes Jahr erneut zustande bringt, und darum den Finanzminister glücklich macht, weil der Staatshaushalt schwarze Zahlen schreibt.
Eine Erfahrung kann zwecks Vergleich zwischen Griechenland und Deutschland hinzu gezogen werden. Während also Tsipras gemeinsam mit Varoufakis vergeblich mit den Euro-Ministern verhandelte, und das Land am Abgrund stand, wurde der Erfolg der Wiedervereinigung mit einer Ausstellung in Berlin gefeiert.
Als ich der Eröffnung der Ausstellung Alltag Einheit im Historischen Museum am 26 Mai 2015 beiwohnte, war ich soeben aus Griechenland gekommen. Mir schien es als würde ich eine andere Welt betreten. In Athen fühlten sich die Menschen von der Ungewissheit eines Ausganges der Verhandlung der griechischen Regierung mit den Euroministern regelrecht bedroht, dagegen fühlten sich die deutschen Besucher bei dieser Eröffnung offensichtlich in einer wohl behüteten Wirtschaftsordnung sehr geborgen. Bezeichnend dafür ist der Spruch, würden die Deutschen sich über etwas beschweren, dann galt das als ein "Jammern auf hohem Niveau". Nicht deutlicher hätte ich die Ungleichzeitigkeit innerhalb von Europa wahrnehmen können.
Das Publikum bei der Eröffnung
Die Ungleichzeitigkeit kennzeichnet die Unterschiede zwischen Griechenland und Deutschland betreffs vor allem sozialen und wirtschaftlichen Möglichkeiten in Deutschland. Eine wesentliche Differenz dürfte die produktive Basis in Deutschland spielen. Das beeinflusst das Denken in der Nutzung von welchen Kategorien, um auch mit der Materie als auch mit den Herausforderungen des Lebens klar zu kommen. Das geht nicht ohne ein System das funktioniert, zumindest vom Anspruch her. Es fällt bereits auf wenn die Deutsche Bahn nicht ihre Züge pünktlich ankommen lässt oder der neue Flughafen in Berlin noch immer nicht eröffnet wurde. Vor allem schienen bei 2015 die negativen Folgen der Wiedervereinigung und des Jugoslawien Krieges überwunden. Ein wichtiges Indiz war dass der Export boomt und die Arbeitslosigkeit wenn nicht ganz gelöst, zumindest Dank Hartz IV kontrollierbar. Das schließt nicht aus, dass sehr viele Menschen an der Armutsgrenze leben. Viele von ihnen sind Rentner die einfach nicht von ihrer Rente leben können, und selbst im hohen Alter von über 70 sich gezwungen sehen doch noch bezahlten Arbeiten nachzugehen. Kurzum, Deutschland ist nicht nur eine Wirtschaftsmacht, sondern ihre soziale Gerechtigkeit lässt zu wünschen übrig.
Der Kontrast kann ebenso mittels der Kunst untermalt werden. Während die Kunst in Griechenland faktisch Proteste, Demonstrationen, ja regelrechte Strassenkämpfe wieder spiegelt, die Künstler aber selten noch Galerien finden die Werke zum Verkauf anbieten und deshalb sich gezwungen sehen nur noch für den Depot Werke herzustellen, zeigt die Kunst in Deutschland eher, dass die Suche nach Identität mit der Frage wie Anschluss an Kunstmärkte in New York und London zu finden, einher geht.
"In Verteidigung gegen die Polizei": Kunstobjekt in der Akademie der Künste von Athen, 2015
Bemerkenswert sind einige Entwicklungen in Griechenland. Vor allem regte ein etwas größeres Aufsehen die Photo-Ausstellung "Ära der Depression", wobei ein Vergleich zur Fotografie während der großen Rezession in Amerika nach dem New Yorker Börsenkrach in 1927 gezogen wurde. (Feuer weitere Information zur Ausstellung, siehe http://www.benaki.gr/index.asp?lang=en&id=202020001&sid=1519 und für eine Dokumentation, siehe Era Depression - photos of Greek crisis)
Wartend auf Arbeit USA nach 1927
Nach der Demonstration beim Parlament Photo: Dimitris Michalakis
Doch während Berlin verzweifelt versucht den Ruf eine kreative, welt- offene Stadt für Künstler und andere zu sein, zu erhalten, wendet sich Documenta 2017 in Kassel Athen zu und initiiert eine künstlerische Innovation mittels des Titels "Lernen von Athen". Falls es zu einem Vergleich der Kunstformen zwischen Griechenland und Deutschland überhaupt käme, dann sind im deutschen Kunstbetrieb u.a. allerlei alte und neue Spuren des Deutschen Expressionismus zu sehen. Gleichzeitig breitet sich unter dem Einfluss des Kunstmarktes eine oberflächliche Kunstrichtung aus. Sie will nur so schnell wie möglich etwas verkaufen, und sei es dazu verwendet sie sämtliche Tricks der Reklame- und Marketing-Industrie. Andy Warhol nahm praktisch diese Entwicklung vorweg. Gleichzeitig breitet sich in Reaktion auf die Medien basierte Kommunikation die Graffiti an den Wänden der Stadt aus. Besonders im Exarchia Viertel von Athen aber nicht nur da macht sich das ab 2008 explosiv ähnlich bemerkbar. Die Stadt wird zur Galerie bzw. die Wände zu Projektionsflächen für oft politische und satirische Aussagen.
Graffiti der drei USA Musketeers
Der Schrei eines Mannes
Wegen der Wirtschaftskrise in Griechenland verlieren viele ihre Wohnungen und schlafen letztendlich in Athen auf der Strasse. Nur die Reklame am geschlossenen Kiosk erinnert noch an andere Zeiten.
Eine noch größere Ungleichzeitigkeit innerhalb von Europa hatte ich bis dahin noch nie in diesem Ausmaß erlebt. In Deutschland setzt man weiter auf den technologischen Fortschritt, wobei "Kreativität und Innovation" groß geschrieben wird, so als könne es immer so mit der wirtschaftlichen Expansion weiter gehen. Dagegen spielt sich in Griechenland eine Tragikomödie ab, insbesondere was die Wirtschaftsleistung des Landes betrifft. Vor allem durch die Beschneidung (Entlassungen, frühzeitiges Gehen in die Rente, Kürzungen der Rentenansprüche usw.) des Verwaltungsapparates, deren Beamten wiederum eine bestimmte Kaufkraft für die lokale Wirtschaft darstellte, fanden ab 2010 die kleinen und mittleren Betrieben selten noch die Kundschaft die sie über Wasser hätte halten können. Viele Läden und Kleinbetriebe schlossen darauf hin und die Zahl der Arbeitslosen schoss in die Höhe. Verzweifelt schauen insbesondere die Jugendliche in die Zukunft und sehen keine Perspektive für sich. Viele denken ans Auswandern, insbesondere nach Deutschland.
Ursprünglich strebte die Europaesche Union mittels des Strukturfonds eine Gleichheit zwischen den verschiedenen Regionen an. Auf Englisch hieß das, man wolle "social and economic cohesion", also den sozialen und wirtschaftlichen Zusammenhalt von Europa realisieren. Das Streben danach dauerte bis 1999 an, aber dann mit der Bombardierung von Kosovo in diesem Jahr änderte die EU sofort ihre Prioritäten. Nicht länger war die Rede von einem aus dem Inneren heraus gewachsener oder entstandener Zusammenhalt, sondern es wurde plötzlich die Notwendigkeit beschworen, dass die EU eine "rapide Eingreiftruppe" bräuchte - der Beginn einer Militarisierung der Wirtschaftspolitik, und was anhand dem enormen Anstieg von Waffen und Sicherheitssystemen (deutsche Exporte in dieser Hinsicht verdoppelten sich im Jahr 2014/15) nicht mehr zu leugnende Konturen angenommen hat. Hier stellt sich wahrlich die Frage, ob nicht das Geschäft mit dem Krieg zur gesamten Instabilität und Gefährdung des Weltfriedens darstellt?
Vermittlung und Verstaendigung zwischen Griechenland und Deutschland - zuwider stereotypischen Wahrnehmungen die kritische Frage ob eine Wiedergutmachung möglich ist
Als die Finanzkrise in Griechenland die ganze Eurozone zu bedrohen anfing, tauchten in den deutschen Medien hässliche Kommentare und negative Karikaturen des angeblichen griechischen Übeltäters auf. Darauf folgten in den griechischen Medien ebenfalls die deutsche Seite entstellende Bilder. Angesichts der Tatsache dass beide Länder Mitglieder der Europaeschen Union sind, bedeutet der Rekurs auf stereotypische Wahrnehmungen des jeweils anderen ein Scheitern der Europaeschen Integrationsbemühungen. Schließlich ist zu erwarten, dass man nicht mit einem Partner in einer gemeinsamen Union so umgeht.
Die griechische Antwort auf was Focus brachte: Stinkefinger
Das Ganze wurde noch obendrein dadurch verschlimmert, dass auf deutscher Seite Wirtschaftsprofessoren sich mit lapidaren Kommentaren bemerkbar machten u.a. ein Prof. Otte der nur den Grexit als ein zigste Lösung sah. Diese Formel Austritt, um dann selber Abwerten zu können, um dadurch die eigenen Produkte billiger auf dem Markt verkaufen zu können, gleich einer Wiederherstellung der Wettbewerbsfähigkeit auf dem Weltmarkt wurde immer wieder zitiert, geht allerdings an vielen Ursachen vorbei. SIEMENS praktizierte 20 Jahre lang eine Bestechungspolitik hoher Beamter und Politiker, um an lukrative Verträge mit überhöhten Preise heran zu kommen. Griechenland ist für SIEMENS da keine Ausnahme, gilt doch die gleiche Beschwerde für Norwegen und anderen Ländern. Nur in Griechenland hatte SIEMENS wegen der besonderen Deutsch-Griechischen Verbindung erheblichen Einfluss. So erhielt u.a. SIEMENS einen Milliarden schweren Auftrag eine Sicherheitsanlage für die Olympischen Spiele zu bauen, um einen möglichen terroristischen Angriff frühzeitig abwehren zu können. Als die Spiele in 2004 statt fanden, funktionierte das System immer noch nicht und jeder war froh dass kein Angriff erfolgte trotz des Krieges der im Irak seit März 2003 tobte.
Selbstverständlich gilt es bei aller Kritik auch die korrupte Elite in Griechenland zu benennen. Dennoch sollte dabei die Involviertheit auf deutscher Seite nicht übersehen werden. Das gilt selbstverständlich auch für andere Westmächte die Griechenland auch heute noch als besten Konsument für deren Rüstungsgüter betrachten. Entsprechend ist der griechische Posten für Verteidigung überproportional ausgestattet und steht überhaupt nicht in einem Verhältnis zur wirklichen Wirtschaftskraft des Landes.
Inmitten den Verhandlungen mit Griechenland, die den Zweck verfolgten eine Staatskrise wegen der hohen Verschuldung abzuwenden, und dies unter strikten Auflage von Seiten der Troika (IMF, Europaesche Kommission und Eurozone Finanzminister), erhob die griechische Seite schwere Vorwürfe, dass Deutschland noch immer sich nicht der Wiedergutmachungszahlung gestellt hätte. Der Grund war, dass die neu gewählte Syriza Regierung die alte Debatte "Versöhnung" erneut belebte. Erhoben wird der Anspruch auf Kriegsentschädigung in drei Kategorien:
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Das Geld/Gold welches die deutsche Besatzungsmacht von der griechischen Zentralbank als Kriegskredit nahm
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Kompensation für den angerichteten Schaden während der 3 1/2 Jahren Besatzungszeit
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spezielle Schäden die in bestimmten Dörfern angerichteten wurden z.B. Kalávryta (Nord-Peloponnes)
Die Verhandlungen über eine Kriegsentschädigung wurde zum Stillstand durch das London Schulden Abkommen 1953 zwischen Deutschland und den Alliierten gebracht. Noch mehr, der "Zwei plus Vier" Vertrag in 1990, der die Wiedervereinigung Deutschlands siegelte, schrieb fest alle Schulden sind abgegolten. Dies galt als eine besonderer Erfolg von Schäuble. Der Vertrag "2+4" ist kein Friedensvertrag als solches und kann darum solch eine Wiedergutmachungszahlung geflissentlich umschiffen. Seitdem besteht Deutschland darauf, dass sämtliche Kriegsschulden "rechtsmässig und politisch" abgegolten sind.
“Ich kann zu solchen wiederholten Forderungen nach Reparationen und Entschädigungszahlen im Grunde nur das sagen, was wir hier schon oft vorgetragen haben. Deutschland ist sich seiner historischen Verantwortung für das Leid,das der Nationalsozialismus über viele Länder in Europa gebracht hat, absolut und ständig bewusst. Aber das ändert nichts an der Haltung und an der festen Überzeugung, dass die Frage von Reparationen und Entschädigungszahlungen nach unserer Überzeugung final geklärt, also abgeschlossen ist.”
Steffen A. Seibert, Sprecher der Bundesregierung, Pressekonferenz, 11.3.2015
Wie die griechische Seite denkt damit umzugehen, ist faktisch ein offenes Geheimnis. Der offizielle Standpunkt der griechischen Regierung ist dass keine Versöhnungsarbeit insbesondere im zivilen Bereich wird ausreichen. Erst müsse die grundsätzlich Frage der Wiedergutmachung geklärt werden und darum bedarf es einer vertraglichen Regelung zwischen den beiden Ländern.
Rückblickend hat sich diese offizielle Position erst aus weiteren Reflexionen betreffs Deutschlands Verantwortung für die Kriegsschäden und mangelnder Bereitschaft eine Versöhnungspolitik, wie der Fall mit Frankreich, Polen, Tschechoslowakei und Israel, mit Griechenland betreiben zu wollen, heraus gebildet. Siehe hier, zum Beispiel, die Untersuchung der Versöhnungspolitik von Germany's Foreign Policy of Reconciliation – from enmity to amity by Lily Gardner Feldman. Plymouth,UK: Rowman & Littlefield Publishers, 2012.
Etwas überraschend musste das erneute Aufleben der Verjährungsdebatte muss das in Deutschland angekommen sein, wog man sich unmittelbar nach dem Kriege und nach Beendigung des Bürgerkrieges in Griechenland (1945-48) in der Sicherheit, die griechische Seite habe bereits alles vergessen und sich mit der Bundesrepublik versöhnt.
Tatsächlich besagt Hagen Fleischer, einer der besten Kenner der Deutsch-Griechischen Verhältnisse, dass Griechenland enorm zu Deutschland unmittelbar nach Beendigung des Zweiten Weltkrieges stand und keineswegs dem Land fürs Verbrechen im Zweiten Weltkrieg etwas nachtrug. Das wird leider in Deutschland entweder verdrängt oder schlicht nicht wahrgenommen.
"Dessen ungeachtet vermerkten alliierte Beobachter bereits 1948, die Griechen gehörten zu den europäischen Völkern mit den geringsten anti-deutschenPauschalurteilen. Dieser Trend wurde institutionell abgesichert, da während der kritischen Jahre der Wiederannäherungund unter den Vorzeichen des Kalten Krieges Griechenland und dieBundesrepublik von ideologisch verwandten Parteien regiert wurden. Schon früh plädierteAthen für eine Integration Westdeutschlands in NATO und Europarat und verletztealliierte Regulationen, indem es der Bundesrepublik bei Verhandlungen zur Bereinigung der Kriegsfolgen, darunter der Rückgabe deutschen Eigentums (so etwa desArchäologischen Instituts), weit entgegenkam. Etappenweise übertrugen die griechischenRegierungen der Bundesrepublik sogar den Rechtsanspruch zur Verfolgung deutscherKriegsverbrecher."
Hagen Fleischer, "Schuld und Schulden - der Fall Griechenland "endgültig abgegolten." S. 51
Zu dieser Form der Unterstützung von West Deutschland nach 1945 gehört auch was Onassis tat, nämlich Aufträge für Schiffskonstruktionen an die Howaldt Werft in Hamburg zu erteilen, um den dortigen Arbeiten neue Arbeitsmöglichkeiten zu geben.
Insgesamt kann behauptet werden, dass in der BRD und dann im wiedervereinigten Deutschland nach 1989 so gut wie gar nicht das was den Griechen im Zweiten Weltkrieg angetan wurde, wahr genommen wird. Die Aufarbeitung des Holocausts in Deutschland mündete eher in eine Versöhnung mit dem Westen, insbesondere mit Frankreich, oder beinhaltete die Ost Politik. Letzteres wurde notwendig wegen des heraufziehenden Kalten Krieges. Insbesondere der Mauerbau in 1961 machte die Teilung Deutschlands um so deutliche. Das beinhaltete im Vergleich dazu die besondere Beziehung von Griechenland zur DDR. Die griechische Linke, einschließlich PASOK Anhänger, pflegte ein besonders Verhältnis zur DDR und sahen in diesem Sozialistischen Staat den besseren Teil von Deutschland. Selbst der Dichter Ritsos nahm noch in 1988 eine Ehrung von Seiten der Deutschen Demokratischen Republik an.
Wohl bemerkt Griechenland selber ging vom Zweiten Weltkrieg direkt in den Bürgerkrieg über. Er war besonders grausam weil jeder den Schlupfwinkel des anderen kannte. Der Bürgerkrieg dauerte von 1945 bis 1948. Auslöser waren erneut das Einwirkung anderer Mächte. Während der deutschen Besatzungszeit gab es Nazi Kollaborateure die nach dem Krieg plötzlich Unterstützung von Churchill erhielten weil jener es nicht wollte, dass ganz Griechenland kommunistisch regiert wird und sich dem Osten zuordnet. Damals war die Kommunistische Partei einer der größten und stärksten in ganz Europa. Sie hatte sich mit anderen Widerstandsgruppen gegen die deutsche Besatzung aufgelehnt und in den befreiten Gebieten bereits sehr progressive Gesetze erlassen u.a. zur Gleichstellung von Mann und Frau. Somit täte es gut wenn auch der Einfluss den Deutschland neben England aufs weitere Geschehen innerhalb von Griechenland aufgearbeitet und analysiert wurde. Hagen Fleischer erwähnte bereits wie sehr das Deutsch-Griechische Einvernehmen zustande kam, weil gleich gesinnte Parteien, sprich die Konservativen, in beiden Ländern die Regierungsgeschäfte unter ihrer Kontrolle hatten.
Kurzum die Wiedergutmachungszahlung blieb artikuliert wie unartikuliert, doch durch den Beitritt von Griechenland in die Europaesche Union änderte sich die Argumentation von Seiten Deutschland. Denn ab dann versuchte die deutsche Seite den Europaeschen Kontext zu benutzen, um sich des Anspruches auf Wiedergutmachung zu erledigen.
„Im symbolträchtigen Mai 1995 folgte die übliche axiomatische Alibi-Erklärung des Auswärtigen Amtes gegenüber den Griechen (und allgemein), die Bundesregierung sei nicht bereit, eine Frage zu erörtern, die sich "durch Zeitablauf erledigt" habe. Es gäbe keinen "Präzedenzfall dafür, dass 50 Jahre nach Ende eines Krieges die Reparationsfrage aufgeworfen worden ist". Mittlerweile seien in Europa neue Strukturen sowie "ein völlig neues Verhältnis zwischen Deutschland und Griechenland entstanden. Sie gewährleisten zugunsten Griechenlands bedeutsame Netto-Transferleistungen auf dem Gebiet der EU, der NATO und anderen, wobei die Bundesrepublik Deutschland einer der Hauptzahler ist. Dazu kommt bilaterale Hilfe Deutschlands auf technischem und finanziellem Gebiet in großem Umfang.“ Diese sachfremde Vermengung von historischen Altlasten mit zukunftsorientierter europäischer Zusammenarbeit im Verhältnis zweier Mitgliedsstaaten stieß sogleich auf Widerspruch der Europäischen Kommission, wird aber dennoch bis heute hartnäckig gebraucht.” Op. cit. Hagen Fleischer
Letzteres Argument spielt immer noch heute eine Rolle, und wird stets eingebracht, um jeglichen Anspruch auf Wiedergutmachung ins Lächerliche zu ziehen. Diese Methode ist in Deutschland sehr bekannt, zeigte doch Thomas Mann ihre Anwendung sehr genau, als er in Buddenbrooks die Kutscher beschrieb wie sie höhere Löhne forderten und mit schallendem Gelächter der Herrn nach Hause geschickt wurden. Revolution und Widerstand kamen nur sehr selten in der deutschen Geschichte zustande. Das macht sich letztlich auch in der politischen Resignation gegenüber einer eigenwilligen Staatsmacht bemerkbar, und lässt die humanistische Frage nach Gerechtigkeit und Fairheit weitgehend ausgeklammert bzw. links liegen.
Notiz: Tsipras erneuert seine Forderung auf Wiedergutmachung, siehe Artikel in der Wirtschaftswoche
Tsipras will Schuldenreduzierung und Reparationen aus Deutschland
Zweiter Weltkrieg – drei und halb Jahre Besatzungszeit deutscher Truppen in Griechenland
Aber was beinhaltet das, wenn gesagt wird, daß die deutsche Besatzung von Griechenland besonders grausam war? Einblick in was allein in Athen geschah, gibt der Dichter Stamatis Polenakis:
PAPADIAMANTOPOULOU STREET On Papadiamantopoulou Street, opposite the entrance to a building, one might stop in front of a worn-out marble inscription that bears the names of those who were hanged by the Nazis there in August 1944. In all likelihood, at that time this street was lined with trees. In all likelihood the hanged bodies remained suspended for days from the branches of some tree that no longer exists. Everything was swept away by the feverish reconstruction and the wind of progress of the postwar period. (They arrived at night and uprooted everything with excavators.) Stamatis Polenakis
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PAPADIAMANTOPOULOU Strasse Auf der Papadiamantopoulou Straße, gegenüber dem Eingang zu einem Gebäude, kann man Halt machen vor einer beschrifteten ausgenutzten Marmortafel die die Namen erwähnt die von den Nazis an diesem Ort im August 1944 aufgehängt wurden. In aller Wahrscheinlichkeit, zu jenem Zeitpunkt säumten Bäume diese Straße. In aller Wahrscheinlichkeit die aufgehängten Körper blieben hängend für Tage von den Zweigen von einigen Bäumen die nicht länger da stehen. Alles wurde weggefegt von einer fieberhaften Rekonstruktion und dem Wind des Progresses der Nachkriegszeit. (Sie kamen in der Nacht und entwurzelten alles mit einem Bagger.) Stamatis Polenakis |
Stamatis Polenakis verdeutlicht durch sein Gehen durch die Straßen von Athen nicht die Straßennamen alleine ergeben Einblicke in die Geschichte z.B. wenn in Berlin die Straße 17 Juni an den ersten Aufstand in Ost Berlin zur DDR Zeit erinnert. Es kommt noch hinzu was in dieser Straße geschah und darum dem Straßennamen etwas anhaftet, das erst sichtbar wird, wenn literarisch zugänglich gemacht. Ces Noteboom in seinem Buch "Umweg nach Santiago" wundert sich darüber welche Namen von Plätzen und Straßen die Geschichte wieder geben. So kam es zu erheblichen Auseinandersetzungen in Berlin als eine Straße nach Rudi Dutschke benannt werden sollte. Konservative Kräfte sahen in ihm nur den Umstürzler der Studentenbewegung '68, aber heute gibt es die Straße auf dem Weg nach Kreuzberg.
Der Zweite Weltkrieg begann in Griechenland als Mussolini in Absprache mit Hitler ein Ultimatum der griechischen Regierung stellte. Sie solle abdanken und ihm das Land übergeben. Die griechische Regierung sagte "Nein" - O R C H I E. Heute ist das ein nationaler Feiertag. Was war geschehen. Mussolini versuchte einzumarschieren aber wurde von der griechischen Seite zurück geschlagen. Da Griechenland als Brücke nach Afrika, aber auch wegen seinen Rohstoffen unerlässlich für die Strategie des Dritten Reiches war, musste Hitler statt seinen Feldzug nach Russland zu starten, deutsche Truppen nach Griechenland entsenden. Diese Verzögerung des Feldzuges nach Russland in den Herbst trug dazu bei, dass die deutschen Truppen in Russland gegen einen unsichtbaren Feind ebenso kämpfen mussten, nämlich den Russischen Winter. Somit trugen die Griechen wesentlich zu einem anderen Ausgang des Zweiten Weltkrieges bei.
Als die deutschen Truppen in Griechenland eindrangen, setzte sich zuerst die Regierung auf Kreta ab, wurde aber dann kurz darauf dort erfasst. Ab dann hinterließ die deutsche Besatzung auf Kreta ihre blutigsten Spuren, insbesondere nachdem der griechische Widerstand sich einen deutschen General schnappte und ihn entführte. Mittels eines U-Bootes der UK Flotte wurde er nach Kairo gebracht. Das glich gleich dem Stochern im Wespennest. Die deutschen Truppen zogen aus und schlugen zu wo sie nur konnten.
In Athen hisste die deutsche Besatzung auf der Akropolis die Swatiska Fahne: eine unvorstellbare Machtübernahme erfolgte. Als der griechische Widerstand dann eines Tages durch zwei mutige Männer diese Fahne runter holten und statt dessen die griechische Fahne hissten, galt das als deutliches Zeichen für den Anfang eines offenen Widerstandes. Die deutsche Besatzungsmacht schlug sofort zurück.
Elytis
Der griechische Dichter Elytis beschreibt in "AXION ESTI" - "gepriesen sei das Leben" - was geschah. Die deutschen Truppen trieben sämtliche wehrfähige Männer zusammen und erschossen sie gnadenlos. Es gibt Bilder wo noch die jungen Männer, versammelt auf einem leeren Grundstück im Dorf, zu den deutschen Soldaten rüber lächelten, in der Erwartung es käme zu einem Tausch zwecks Zigaretten. Sie ahnten fast gar nichts was ihnen bevor stand bis es zu spät war. Der Vater eines Freundes erlebte eine Scheinhinrichtung in einer Sandgrube. Der Priester der von seiner Hütte hoch oberhalb des Dorfes ausgerechnet zu diesem Zeitpunkt runter gekommen war, der wurde neben ihn erschossen. Erschüttert über was er gerade erlebt hatte, kehrte er nach Hause zurück, legte sich ins Bett und starb unmittelbar darauf.
Elytis schildert wie auf einem Grundstück die Männer sich in einer Reihe aufstellen mussten, und laut Befehl eines Oberst hervortreten mussten, ihren Namen laut ausrufen, und dann wieder zurück treten. Als Manolis an der Reihe war, weigerte der sich hervorzutreten. Der Oberst wurde wütend und brüllte ihn erneut an, er solle hervortreten. Manolis weigerte sich erneut. Dann nahm der Oberst seine Pistole und erschoss Manolis. Da trat Elytis in seinen Text und sagte, der Oberst ahnte nicht, dass "sein Leben da endet, während das von Manolis erst begonnen hatte". Der Dichter will damit besagen, dass ein echter Widerstand immer eine Zukunft in der Menschheitsgeschichte hat.
Es ist befremdend, zugleich leider typisch für die Verdrängungskunst der Nachkriegszeit, dass die deutsche Seite im Nachhinein all ihre brutalen Unterdrückungen legalistisch zu rechtfertigen versuchte. So wird behauptet sie wollte die griechische Bevölkerung unter Kontrolle bringen, aber der Widerstand habe sich geweigert das Genfer Abkommen zu respektieren.
Vielleicht sollte im Vergleich zu dieser Besatzungszeit in Griechenland ein literarischer Vergleich gezogen werden, um eine Gleichzeitigkeit herzustellen. Denn was sich in Deutschland zuerst in der Weimar Zeit, dann unter Hitler und schließlich nach 1945 in einem geteilten Land abspielte, bedarf ebenso einer menschlichen Betrachtung, und gemeint sei damit die Vermeidung solcher moralischen Kategorien die a priori alles im Nachhinein verurteilen, so als habe man schon immer gewusst, was ein besseres Verhalten gewesen wäre. Ein Roman der das erfüllt ist Uwe Johnsons "Jahrestage". Darin wird beschrieben wie die Menschen sich in der Weimar Zeit, unter Hitler und dann in der Nachkriegszeit unter dem Kommunismus verhielten. Während sie sich an die politischen Gegebenheiten oberflächlich anpassten, zeigte Johnson eine Menschlichkeit die fast unbemerkt dennoch weiter existierte und nicht durch die Politik zum völligen Verschwinden gebracht wurde. Es ist ein literarische Untermalung von so etwas wie menschliche Kontinuität.
Dennoch ließ die BRD in ihrer Aufarbeitung des Zweiten Weltkrieges bis hin zur Erinnerungsarbeit um nicht den den Holocaust zu vergessen bzw. leugnen zu lassen, diese menschliche Dimension sowohl im Inneren, als auch in der Außenbeziehung zu Griechenland vermissen. Zugleich machte die DDR es sich da noch leichter. Weil die kommunistische Elite oftmals von den Faschisten selber verfolgt wurde, gab die DDR zu erkennen, sie habe sich stets auf der Anti-Faschistischen Seite geschlagen und brauche deshalb keine Aufarbeitung der Vergangenheit.
Eine weitere literarische Quelle um diese schreckliche Kriegszeit 1939-45 näher zu beleuchten, gilt ein in Deutschland bislang fast unbekannte Trilogie von Tsirkas.
Tsirkas
Die Trilogie "Steuerlose Städte" von Stratis Tsirkas beschreibt was sich in drei Städten, nämlich Jerusalem, Alexandria und Kairo in der Zeit 1942-44 abspielte. Es gab auch dort Internierungslager und Verrat d.h. eine Vorstufe des Bürgerkrieges der unmittelbar nach 1945 in Griechenland ausbrach. Das Besondere an diesem Roman wurde auf einer Veranstaltung im Literaturhaus von Satorius hervor gehoben, denn Tsirkas unterschied sich von anderen Schriftstellern insofern er nicht auf die Araber und ihre Welt, ansonsten herablassend der Orient genannt, herab schaute, sondern eher zeigte er wie jemand der sich verirrte von einer Araberin aus dem Labyrinth hinaus begleitet wurde. Vieles im Roman nimmt vorweg was mit Jerusalem geschah, aber auch mit der griechischen Welt die lange mit Alexandria als kultureller Ort der Vielfalt, man denke nur anCavafy verbunden war, und darum eine Welt-Offenheit praktizierte, eine die nur selten in den nördlichen Metropolen z.B. Paris, London oder Berlin anzutreffen war.
Das Ende des Zweiten Weltkrieges war in Wirklichkeit gar kein Ende. Adorno und Horkheimer schrieben in ihrem Vorwort zur "Dialektik der Aufklärung" 1944, dass "selbst wenn der Faschismus besiegt worden ist, heißt das noch lange nicht Xenophobische Kräfte sind beseitigt worden." Wie Recht sie nur leider heute haben, siehe Le Pen Bewegung in Frankreich, die BREXIT Befürworter weil gegen weitere Einwanderer nach England oder die Pediga Bewegung in Dresden, eine die wiederum Auftrieb zu einer neuen Partei genannt "Alternative für Deutschland" beitrug. Nicht verdrängt werden soll, was Rudolf Hagelstange - Ballade vom verschütteten Leben poetisch fest gehalten hat, und zwar was es bedeutet nicht zu wissen, wann der Krieg wirklich beendet ist.
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