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Alltag Einheit

          

                Plakat für die Ausstellung des Deutschen Historischen Museums

                                     Unter den Linden 2, 10177 Berlin     

                                                  www.dhm.de

Am 26.Mai 2015, also an einem Dienstag im noch kalten Mai, wurde die Ausstellung "Alltag Einheit - Porträt einer Übergangsgesellschaft" im Schlüterhof des Deutschen Historischen Museums eröffnet. Es kamen schätzungsweise mehr als 1000 Besucher. Offensichtlich hatte das Wetter sie nicht davon abhalten können. Der Schlüterhof ist obendrein überdeckt, sodann um so imposanter die Räumlichkeit in der so etwas stattfinden kann. Allerdings ist der Weg dorthin etwas kompliziert, denn es geht zuerst mit der Rolltreppe hinab wo Garderobe, Toiletten, Museumsshop usw. zu finden sind, und dann wieder mit der Rolltreppe hinauf. Beim Eintreten überraschten einen dann die vielen Menschen die bereits Platz genommen hatten. Fast alle Sitze waren besetzt. Zwar sollte es erst um 19.00 beginnen, aber anscheinend war die Interesse an dieser besonderen Ausstellung enorm.

          

                    Im Schlüterhof des Deutschen Historischen Museums

         

                                                   Das Publikum

 

Auf dem Programm der Einladungskarte stand:

 

Manchmal sagen erste Eindrücke etwas aus, besonders wenn kommend sozusagen von 'außen', noch dazu aus Griechenland, und das obwohl Berlin niemals ganz verlassen wurde. Deshalb wirkte solch eine Versammlung an Menschen zu diesem Zeitpunkt eher befremdend weil anscheinend völlig ausgelassen, die versammelten Menschen anscheinend sich ziemlich sicher fühlten. Ganz im Kontrast dazu die Menschen in Griechenland, die zur selben Zeit eine enorme Verunsicherung durchmachen. Manche nennen das die Europäische Ungleichzeitigkeit. Darin spiegelt sich ein momentaner Machtunterschied, da die wirtschaftlich erstarkte Bundesrepublik bzw. das Deutschland nach der Wiedervereinigung, zum restlichen Europa, einschließlich Griechenland. Wegen dieses Unterschieds scheint vollkommen ein Rat von Ökonom Keynes in Vergessenheit geraten sein, denn er meinte selbst wenn es einen wirtschaftlich gut geht, heißt das noch lange nicht das Denken an andere denen es nicht so gut geht, aufzugeben. Ob dies eine subtile, zugleich gefährliche Fragmentierung Europas Mangels Chancengleichheit bedeutet, das wird noch die Geschichte Europas im 21.Jahrhundert zeigen.

Bei der Sprachwahl, ob nun Bundesrepublik oder Deutschland, muss allerdings Vorsicht geübt werden. Allzu leicht kann es zu Missverständnissen kommen, zumal anachronistische Zeitstrukturen trotz Wiedervereinigung nach wie vor bestehen. Gerade an solch einem Ort wo das Gebäude des Historischen Museums steht, d.h. unmittelbar in der Nähe zu 'Unter den Linden', also in Berlin Mitte, sind noch andere Kräfte wirksam. Schließlich gehörte die neu definierte Museumsinsel zu Ost Berlin.

Nicht zu vergessen ist zugleich, dass die Stadt Berlin damals nicht nur geteilt war, sondern es gab den Schießbefehl entlang der Mauer. Kontraste zwischen Erinnerungen und Gegenwart bieten sich darum ständig an, insbesondere für diejenigen die noch Berlin vor 1989 kennen. Auf symbolischer Ebene mag es Veränderungen geben, aber unter der Oberfläche schaut es noch anders aus. Damals war z.B. das verriegelte Brandenburger Tor mehr als nur ein symbolischer Trennungsstrich, heute dagegen ist es eine Öffnung in Richtung Ost und West.

Doch welche Sichtweise auf die BRD/DDR Vergangenheit auch immer eingenommen wird, zum Verstehen von Geschichte gehört das Erzählen als Erinnerungsarbeit. Als Dialog mit der Realität geht es darum, zu erfahren was wirklich geschah. Wittgenstein sagte einmal das Erinnern sei eine besondere Philosophie. Vermutlich meinte er die Philosophie des Erinnerns kann aufzeigen, was wichtig, was unwichtig damals galt und darum auch die Unterschiede zu was heutzutage als etwas wichtiges wahrgenommen wird. Das fällt einem der Physiker Havemann ein. Er war für Bierman einer der wichtigsten Figuren des aufrechten Ganges in der ehemaligen DDR. Widerstand setzte sich damals aus ganz unterschiedlichen Faktoren zusammen, u.a. auch das Lesen verbotener Bücher auf dem Klo. Darum sind gute Fragen und ein klares Gedächtnis entscheidend zwecks nicht nur einer bloßen Aufarbeitung der Geschichte, denn es gehört ebenso dazu der Versuch eines Uwe Johnsons beiden Teilen geschichtlich, aber vor allem menschlich insbesondere in 'Jahrestage' gerecht zu werden. So können gute Fragen wichtige Aspekte hervor holen, Aspekte wovon der Erzähler selber nicht einmal davon träumen konnte, und die erst durchs freie Erzählen hervorgeholt werden.  Dabei ist selbst der Begleittext zwecks Erzählen wie ein Lied von Bierman zustande kam, ein entscheidender Beitrag zur neuen Identitätsfindung.

Besonders im Umgang mit deutscher Geschichte muss betont werden, dass es einer besonderen Erinnerungsarbeit bedarf, um Dinge hervorzuholen. Schließlich wurde auf beiden Seiten nach 1945 allzu viel verdrängt, verschwiegen und verbogen. Hinzu kommt noch die Gefahr einer Verdrehung. Ein Enkel wird seinen Freunden im Schulhof stolz erzählen sein Großvater war in der Zeit von Hitler im Widerstand, wenn er in Wirklichkeit bei der SS war. Es muss schon ein besonderes Erzählen sein, um Zugang zu dieser mehr als nur schmerzhaften Geschichte vor und nach 1945 zu finden. Juan Gutierrez meint in 2015 sind viele Deutsche noch immer im Komplex einer kaum verstandenen Geschichte verfangen. Das macht sich vor allem deutlich in der Schwierigkeit 'Nein' zu sagen (Klaus Heinrich). Denn solch ein Nein soll nicht eine totale Verneinung des anderen bedeuten, so als sei der gar kein Mensch, sondern das Nein soll der negativen Handlung gelten. Allerdings wird diese deutsche Leidensgeschichte durch die Negation der Negation als Grenz- ziehende Politik forciert. Sie rührt aus dem deutschen Idealismus her, so strebte mit seiner Negation die absolute Einheit an, um alles andere dem unterzuordnen, und gab damit dem Preussischen Staat praktisch die philosophische Vollmacht, absolutistisch zu reagieren. Diese Geschichte vor allem ab 1871 hat beide Seiten unterschiedlich in der Nachkriegsgeschichte geprägt, und gerade darum sind die Ausgangspositionen betreffs Alltag aber auch einer vermutlichen 'Einheit' ganz andere als was eine Ausstellung, die sich nur auf eine Symbol-trächtige Klassifizierung einlässt, zustande zu bringen vermag. Es besteht sogar das Risiko einer gewissen Entstellung von Geschichte und macht sich dadurch bemerkbar in dem der Alltag nicht differenziert, in all seiner Komplexität, wahrgenommen wird, sondern eben nur symbolisch. Im Film 'Good bye, Lenin' wird die andere Wirklichkeit halt nur durch das Coca-Cola Schild verdeutlicht. Auch das entstellt die westliche Welt.

Abgesehen von offiziellen Versionen, solche Schilderungen sind von Interesse die von Leuten stammen die zu jenem Zeitpunkt vor Ort waren. Als wirkliche Zeugen der Geschichte können sie etwas über entscheidende Differenzen aussagen. Ein gutes Beispiel liefert das Buch 'Geteilte Erinnerungen'. Es wurde von Leona Bielitz als Herausgeberin im Namen des Schulmuseums in Leipzig erstellt, und dient dem Erzählen der Überlebenden, ob nun Deutsche oder Juden. Das Material entstand indem beide Gruppen, die Deutschen die in Leipzig blieben und die Juden die überlebten und heute eher in Israel leben, von heutigen Schulkindern befragt wurden.

Kurzum würden ehemaliger Ostberliner im Unterschied zu Westberliner Jugendliche gefragt, sagen Nuancen in ihren Erzählungen nicht nur entscheidendes übers Erinnern, sondern auch übers Verstehen von was geschah, aus. Denn selbst im Nachhinein bestehen große und kleine Unterschiede die insgesamt eine These belegen: die Menschen im Osten machten ganz einfach eine andere Sozialisierung durch. Vor allem macht sich das in einer ganz anderen 'literacy' - die Mündigkeit - bemerkbar. Um das nachvollziehbarer zu machen, wäre an George Steiners 'Sprache und Schweigen' anzuknüpfen, aber auch was die Romane z.B. von Christa Wolf vermitteln.   

Ein weiteres Beispiel bieten die Montagsdemonstrationen in Leipzig an. Es wird gesagt, dass sie den Niedergang der DDR eingeleitet hatten, aber so einfach geht das nicht. Gewiss, die Demonstrationen unterstrichen, dass Widerstand gegen das 'Unrechts-Regime' der DDR nicht in Berlin, sondern zuerst in Leipzig aufkam. Das war schon immer so in der Geschichte. Immer waren die Leipziger aus Gründen ihrer wirtschaftlichen Unabhängigkeit eben auch sehr viel liberaler eingestellt. Doch hier muss noch etwas betont werden. Auf den Montags-Demonstrationen wurde zuerst etwas ganz anderes gerufen, aber dann nahm das Ganze plötzlich eine andere, von den Demonstranten selber nicht erwünschte Richtung an. Zuerst wurde gerufen "wir wollen frei sein" oder "wir sind das Volk", aber dann wurde ein anderer Ruf laut: "wir sind ein Volk". Letzteres entspricht der Vermutung DDR- und BRD Bürger haben mehr gemeinsam als was bislang auf der Oberfläche politischer Geschehnisse angesichts der Trennung und Teilung seit 1945 bekannt war.

Eine Erklärung für den neuen Ruf ließ nicht lange auf sich warten. Es wurde erzählt, dass seltsame Leute aus dem Westen plötzlich auftauchten. Sie mischten sich unter die Montags-Demonstranten und bald darauf veränderte sich die Stimmungslage. Es wurde ein Verlangen nach Wiedervereinigung laut obwohl die Demonstranten selber niemals solch eine Absicht hegten.

Anscheinend prallen in der Geschichte oftmals das Gewollte und das Ungewollte so stark zusammen, dass das Wrack von zwei ganz verschiedenen Autos im nach hinein fast wie eine einheitliche Skulptur erscheinen muss, und eine Illusion von Verschmelzung ergibt, so als gehöre der Widerstand in der DDR gegen die SED Diktatur zugleich einer Bewegung zugunsten der Wiedervereinigung von Deutschland an. Solch eine Betrachtungsweise ist grundsätzlich falsch, zumal eine besonnene Wiedervereinigung eine neue Verfassung gebraucht hätte, und nicht bloß eine Ableitung der alten provisorischen Verfassung der Bundesrepublik, mittels der Westdeutsche Politiker sich das Recht einräumten für die 'Brüder und Schwester', die drüben zwar lebten, aber von der SED Diktatur unmündig gemacht wurden, stell vertretend im politischen Sinne mit Anspruch auf Demokratie zu reden.

Darum kann die Wiedervereinigung ausgehend von dem Spruch, es gehöre das zusammen was schon immer zusammen gehörte, auch als eine Machtübernahme des Ostens durch den Westen noch ganz anders gedeutet werden. Zwecks Erinnerung an solch ein Wrack wo der Osten und Westen miteinander verschmolzen wurden, da sei an eine Skulptur auf der Berliner Skulptur-Boulevard zu denken. Sie entstand am Ende des Ku'damms als Berlin West Kulturhauptstadt Europas in 1988 war. Die Skulptur bestand aus einem West- und einem Ost-Auto die gemeinsam in einem Zementblock verewigt wurden. Auch so könnte die Wiedervereinigung als eine merkwürdige Synthese dargestellt werden. Dabei sei besonders der Unterschied zwischen zwanghafter Verschmelzung und dem demokratischen Schaffen einer kulturellen Synthese zu betonen. Erst solch eine Synthese ließe ein freies Zusammenkommen zu.

Entscheidend an dieser Geschichte ist, dass die Demonstranten in Leipzig keine Wiedervereinigung, sondern vor allem den DDR-Staat demokratisieren wollten. Deswegen verlangten sie freie Wahlen, die Abschaffung der Stasi und eine von 'unten' her bestimmte Regierungsform. Das waren die selben Forderungen die die Bürgerrechtler im Prager Frühling '68 stellten noch ehe sie durch russische Panzer zum Schweigen gebracht wurden. Kurzum wollten die Leipziger auf den ersten Montagsdemonstrationen die Diktatur der 'Einheitspartei' beenden, nicht aber den DDR Staat völlig auflösen.

Bei den Gesprächen am runden Tisch ging es um eine Reform besonderer Art, und zwar in Anknüpfung unter anderem an den Prager Frühling oder was Solidarnosc anstrebte noch ehe das Kriegsrecht in Polen 1981 verhängt wurde. Der politische Lernprozess im Osten war seit 1945 ein besonderer, da immer zugleich eine Auseinandersetzung mit dem real existierenden Sozialismus. All das wurde von Seiten des Westens nicht verstanden und sogar verfälscht. Gefördert wurde es vor allem durch einen groben anti-Kommunismus von dem Heinrich Böll im Gespräch mit Kopelew voraus sah, das sei die beste Schule für die anti-Politik im Osten und im Westen. Heute beherrscht diese anti-Politik viele, und macht sie zu Mitläufern von Populisten die nur allgemeine Bilder von Politiker zeichnen, so als seien die nur korrupt und deswegen sei es am Besten Politik ohne sie zu betreiben.

Leider schlägt neuerdings diese anti Politik auch immer häufiger in eine anti Europa Stimmung um. Einher geht damit eine anti-Migranten Stimmung die die xenophoben Kräfte fördern.

Um so seltsamer mutet es an, dass die Montags-Demonstrationen in Leipzig als sanfte Revolution zugunsten der Wiedervereinigung ins neue Geschichtsbuch des wiedervereinten Deutschlands eingegangen ist. Um so wichtiger wäre es, dass die Ausstellung 'Alltag Einheit' solch eine offizielle Überlieferungen hinterfragt, noch ehe sich solch ein Klischee sich über die schweigenden Massen verdichten kann. Denn wird das zu einem unumstößlichen Faktum, das das kollektive Bewusstsein bestimmt, kann es keine historische Aufarbeitung wie die Wiedervereinigung wirklich verlief, geben.

Kritisches Hinterfragen wäre nur dann möglich wenn wirkliche Erzählstränge die Fantasie beleben. Schließlich sind für eine konsistente Erinnerungsarbeit einfühlsame Fragen, abgeleitet aus einer gelebten Wirklichkeit, wichtig. Denn wenn ein Geschichtsstoff an die heranwachsenden neuen Generationen heran getragen werden, kommt es auf die Klärung der Widersprüche an. Sie sind oftmals in Details und Nuancen des Alltages verborgen, und ´treten selten zutage. Deshalb kommt es darauf an, dass diese Widersprüche nicht ausgeblendet, geschweige schlichtweg geleugnet werden.

Beim Reflektieren was den allgemeinen Lernprozess aus der Geschichte ermöglichen kann, kommt noch ein Einwand von Habermas hinzu. Er ist nämlich der Meinung, dass die Rekonstruktion des Vergangenen unmöglich sei. Dagegen wird hier behauptet mittels der Fantasie und Einfühlung können solche Dinge in Betracht gezogen werden, die Aufschlüsse geben was damals geschehen ist. Außerdem gilt es ein zwanghaftes Erinnern zu vermeiden. Eine Rekonstruktion von vergangenen, zugleich erlebten Umständen wird aber erst dann möglich sein, wenn es nicht um geschichtlichen Beweis noch um einen kollektiven Verhör geht. Denn allzu oft wird eine gewisse Aussöhnung mit dem Selbst, und darum das was seit Kant das niemals völlig definierte Verständnis von Mensch auszeichnet, verfehlt.

Hinzu kommt noch ein weiterer Aspekt. Um sich wirklich zu erinnern, bedarf es erstmals ein Vergessen. Die Voraussetzung dafür lautet in der Gegenwart zu leben, um lebendig d.h. anwesend zu sein. Erst dann kann erneut ans bereits Geschehene erinnert werden. Darum mutet das allgemeine Motto vom 'Niemals Vergessen zu wollen' was im Dritten Reich geschah, als Teil der vom Staat verordneten d.h. offiziellen Erinnerungskultur seltsam zwanghaft an.

Zurückblickend beinhaltet die Kehrtwende der Leipziger Montag-Demonstration eine Lektion in geschickter Manipulation. Es ist der Anfang einer neuen institutionellen Verdichtung über das ehemalige DDR Territorium. Sie bietet reichlich Stoff für einen politisch-historischen Unterricht an. Mit ihr kam eine Verwandlung der Landschaft in eine 'blühende' (ein Spruch des alt Kanzlers Kohl)! Obwohl die neuen Verwaltungsstrukturen längst nicht kompatibel mit alten Gewohnheiten waren, wurde die Anpassung der im Osten lebenden Menschen an die Neuheit der westdeutschen Normen forciert. Statt besonnen und langsam vorzugehen, musste alles im Handumdrehen anscheinend geschehen. Dabei wirkte eine Illusion sich auf die Politik aus. Sie meinte das Geld der reichen Bundesrepublik kann alles richten. Die Menschen wurden dabei kaum beachtet, und da wo es Widerstand gab, wurde einfach auf der grünen Wiese investiert z.B. die neue Leipziger Messe wurde außerhalb der Stadt gebaut, obwohl gerade die alte Leipziger Messe in der Innenstadt eine enorme Kraft zur Innovation vor 1933 hatte.

 

     

Es wurden bei der Zwangswiedervereinigung die in der DDR wichtig gewordenen Wertedispositionen glatt übersehen. Gerade darum wäre das Aufspüren dieser enormen Kluft zwischen Anpassung an den Westen und Beibehaltung eigenständiger Identitäten eine wichtige Aufgabe für solch eine Ausstellung.

Freilich ob es der Ausstellung 'Alltag Einheit' etwas gelungen ist, und sei es Zugang zur Wahrnehmung der enormen Veränderung in der Beziehung zwischen Ost und West zu geben, das Urteil dazu sei dem Besucher selber überlassen.

Veränderungen sowohl im Osten als auch im Westen nach der Wende könnten aufgezählt werden. Eine Wertung ob das eine gelungene Wiedervereinigung geworden ist, das ist selbstverständlich kein leichtes Unterfangen. Dennoch einen Anfang dazu zu machen, das wäre zumindest von solch einer Ausstellung zu erwarten.

Nach der Wende kam es zu wichtigen, zugleich wunderbaren Wendungen im Schicksal bestimmter Orte. Wo noch der Tagesabbau von Braunkohle eine kleine Stadt zunehmend wegen den immer näher heranrückenden Riesenbaggern vor der Wende bedrohte, so dass immer mehr Menschen jene Stadt sprichwörtlich flohen, bewirkte der sofortige Stopp der Braunkohle-Förderung aus Umwelt- und Wirtschaftspolitischen Gründen eine drastische Veränderung. Der Stopp wurde zum Anlass die bereits ausgegrabenen Riesenflächen in einen See zu verwandeln. Das signalisierte für die übrig gebliebenen Bewohner einen Neubeginn, nämlich plötzlich in einer Stadt am Wasser zu wohnen. Begleitet wurde dieser Umwandlungsprozess laut der Stadtplanerin Iris Reuter von einem neuen Konzept genannt 'behutsame Stadtentwicklung'. Teil der Methode war es Interviews mit Bewohnern zu filmen, um dann die Ergebnisse allen in einer Scheune, und darum der Scheunenfilm genannt, zu zeigen. So wurde allen bewusst welch verschiedenen Bedeutungen der selbe Ort für Nachbarn und anderen hatte; gemeinsam entdeckten sie, dass die Sitzbank an der Ecke auch für andere ein wichtiger Ort war weil da wo erste Liebeserklärungen, sogar Heiratsanträge gestellt wurden. Wichtig war, dass die Stadtplaner die Bedeutungen die die Menschen ihrem Wohnort gaben, zu Richtlinien für weiteres Planen machten. Solch ein behutsamer Umgang wäre ebenso wünschenswert bei der Aufarbeitung der jüngsten Geschichte seit 1989. Das ständige Zelebrieren einer angeblich erfolgreichen Wiedervereinigung verdeckt dabei einiges was zur Sprache gebracht werden müsste.

Ob all das zur Sprache in dieser Ausstellung kommt, kann bezweifelt werden. Es müsste vor allem der Inbegriff der Wiedervereinigung in Frage gestellt werden. Schließlich handelt es sich primär um eine wirtschaftliche Machtübernahme, ihre Handhabung ein Ausdruck einer Überheblichkeit bzw. Arroganz von Seiten des Westens, Geld könne eben alles richten. Es unterstreicht zum wiederholten Male welche negative Konsequenzen das rein wirtschaftliche Vorgehen nach sich zieht, insbesondere wenn kulturelle Unterschiede nicht berücksichtigt werden.

Leider scheint diese Ausstellung nicht die kritische Wahrnehmung größerer Veränderungen mit langfristigen Auswirkungen auf den Alltag zu fördern. Dazu gehört die Unterscheidung zwischen dem 'Jargon der Eigentlichkeit' (Adornos Kritik an Heidegger) und einer differenzierten Alltagssprache. Zur letzteren gehört das Persönliche, zugleich wo der einzelne sein Geschichtsbewusstsein offenbart. Leider wird dabei die 'Latenz-Potenz' (Ernst Bloch) übersehen. Eine Erklärung vom Verschwinden wichtiger Zusammenhang wird zwar angeboten, denn aber begrenzt die Ausstellung Geschichte auf bereits bekannte Ausschnitte, so dass das noch bislang Unerkannte nicht zum Vorschein kommen kann.

Die Kuratoren nennen die Zeitspanne 1950-1989 eine 'Übergangsgesellschaft', doch von wo zu wo wird nicht gesagt obwohl die DDR vom Kommunismus geprägt auf eine sozialistische Gesellschaft ausgerichtet war. Darum wäre es entscheidend aufzuzeigen welche Folgen ein plötzlicher Abbruch dieses Streben nach Sozialismus, der ebenso ein Inbegriff einer gerechten Gesellschaft war, auf die Menschen hatte.

Leider wird das gesellschaftliche Model, sprich der Sozialismus in der Ausstellung nur negativ besetzt, obwohl George Steiner in 'Sprache und Schweigen' sich wundert warum der Sozialismus es schaffte große Kunstwerke hervorzubringen, der Faschismus aber nicht? Die Legitimation für diese einseitige Darstellung in der Ausstellung wird zweierlei begründet: es wird schlichtweg und einfach gesagt der Sozialismus sei etwas gewesen wovon alle loskommen wollten, und die ehemaligen DDR Bürger hätten im Vergleich zu den im Westen lebenden weitaus größere Belastungen nach der Wende abzuarbeiten.

Während also das alternative, sprich westdeutsche Modell nicht hinterfragt wird, läuft die Ausstellung die Gefahr sich bestimmter Klischees zu bedienen, so als seien sie Stellvertreter für den Einzug des Westens in den Osten. So wird immer wieder das Coca-Cola Schild im Kontrast zum Lenin-Bild als Beispiel hervorgehoben. Viel interessanter wäre es zu zeigen welche Versuche unternommen wurden, um zwischen dem ehemaligen Osten und der westlichen Konsumwelt zu vermitteln. Ob dabei die Folgen eines Verlustes einer Alternative zum Kapitalismus und somit an kritischer Ruflektion von Gesellschaft und Politik in der Ausstellung zumindest angehend thematisiert wird, ist nicht sicher. Denn unklar bleibt wer wirklich als Verlierer, wer als Gewinner aus dieser Wiedervereinigung hervor gegangen ist. Der Verlust an einem Gegenmodell zum Kapitalismus müsste deshalb umso mehr anhand verschiedener Auswirkungen im Alltag aufgezeigt werden, aber weil die Einheit im Alltag Vorrang hat, verliert die Ausstellung an Aussagekraft.

Zu einer kritischen Ausstellung gehört das Aufzeigen was das unterschiedliche Verstehen der selben Ereignisse oder Darstellungen erklärbar macht. Im Vortrag Same place, another country by Johanna Schall wird von ihr beschrieben was sich am Berliner Ensemble insbesondere in den Sommermonaten vor Oktober 1989, also noch kurz vor der Maueröffnung, abspielte. Johanna Schall gibt dabei zu bedenken, dass es zur DDR Zeiten nur drei Schauspieler benötigte die über eine leere Bühne mit Tüten voller Orangen gehen mussten, um das ganze Publikum zum Lachen zu bringen. Jeder wusste sofort wofür die Orangen standen: für den zwar behaupteten Überfluss und ideologisch vom DDR Staat beschworen, aber in Wirklichkeit niemals realisiert wurde. Das selbe Stück auf einer westlichen Bühne zu zeigen würde kein Lachen evozieren weil keiner im Publikum solch eine Anspielung verstehen würde.

Ähnlicherweise sagte Henry Baranowski als Heiner Müller sich über dessen unterschiedlichen Inszenierungen in Ost- und West-Berlin beschwerte, dass Widersprüche im Osten eben anders als im Westen gezeigt werden müssen, um überhaupt verstanden zu werden.

Leider bleibt es aber bei einer bloß negativen, weil einseitigen Abgrenzung von was in der DDR zuvor Bestand hatte, und was eben auch nicht von Köpfen, geschult mittels Marxistisch-leninistischen Prinzipien, verstanden wurde. Denn in der DDR gab es eine subversive Poesie und Literatur, getragen von einer enormen Liebe für was die Würde des Menschen zu vermitteln vermochte. Darum spielte vor allem die Literatur als Inbegriff einer Kritik am real existierenden Sozialismus eine herausfordernde Rolle. Zugleich ist wahr, dass im Widerstreit zwischen Ideologie und wirtschaftlicher Realität die letztere zugunsten der Ideologie geopfert wurde, weil anscheinend eine Art höhere Moral gegenüber dem Westen. Aber das ging nur solange gut bis die Improvisationskunst der DDR Bürger nicht mehr ausreichte das wirtschaftliche Desaster in der DDR zu verdrängen. Die zentralistischen Steuermechanismen funktionierten dann einfach nicht mehr in der Realität. Es kam zu erheblichen materiellen Verlusten, ja auch einer Knappheit an Nahrungsmitteln, obwohl für lange die DDR als einer der erfolgreichsten Wirtschaft im Vergleich zu anderen Wirtschaften im realen Sozialismus galt.

Dennoch gab es in der DDR etwas was bei aller Kritik an den politischen Verhältnissen noch heute Bestand hat. Es handelt sich um eine subversive Kunst die eben überall da einen hohen Wert hat, wo Repression und Zensur dominieren. Das zeichnet gerade eine ganz andere Sozialisierung der im Osten groß gewordenen Menschen aus. Stets spielt dabei das Buch, und deshalb die Literatur, Poesie, Philosophie und Kunst eine bedeutsame Rolle im Alltag. So kam es zur einer geistigen und darum auch menschlichen Verbindlichkeit sobald das gegenseitige Vertrauen eine Vertiefung in der Literatur zuließ. Das Singen in der Kirche kam noch hinzu. Das förderte die Stimme eines jeden. Deshalb wurden im Alltag wunderbare Klangbilder hervor gezaubert. Nicht diese literarische Alltäglichkeit in ihrer historischen Dimension zu erkennen, wäre ein Versäumnis solch einer Ausstellung. Es würde einen deutlichen Unterschied zum Westen im positiven Sinne aufzeigen, und darum eine Kritik an der mangelhaften literarischen Qualität im Westen auszeichnen bzw. aufzeigen welch eine Bedeutung Literatur im Alltag zukommt und welche politische Konsequenzen das hat, bliebe sie aus.

Interessant wäre es ebenso die unterschiedlichen Stadtkarten von Taxifahrern aus dem Osten im Vergleich zu denen aus West Berlin zu zeigen. Schließlich trauten sich selten die Westberliner Taxifahrer vor allem in den ersten Jahren nach der Wiedervereinigung Routen in den Osten anzunehmen; umgekehrt hatten die Ostdeutschen Taxifahrer nicht die selben Probleme oder Scheue. Lange galt außerdem im Straßenverkehr in Ost Berlin noch die alte Regel, man dürfe bei Rotlicht eine Rechtsabbiegung machen, wenn kein Verkehr von linker Seite aus käme.

Im Osten war die Neugierde was im Westen zu sehen ist, allemal größer. Man wollte endlich mit eigenen Augen sehen was bislang einem verwehrt war. Die Lust auf Reisen kam hinzu. Umgekehrt kam es immer wieder zu organisierten Busfahrten aus dem Westen. Sie brachten ganze Familien, insbesondere aus dem Adel stammende, die im Osten ihre ehemaligen Besitztümer besichtigen wollten. 

Interessant ist ein sprachlicher Aspekt. Es wird in der Ausstellung auf eine sich veränderte Alltagssprache nach der Wiedervereinigung verwiesen. Während vertraute Begriffe die noch zur DDR Zeiten im Umlauf waren, verschwinden, tauchen die dem Kapitalismus entnommenen Wörter (wie jene aus dem Westen kommende Gestalten auf der Montag-Demonstration in Leipzig) immer mehr in der gebrauchten Alltagssprache auf.

Geschichte entfaltet sich anders sobald plötzlich neue Wertprämissen die alten ersetzen. Dazu gehört auch die Tatsache, dass die DDR Bürger sich alleine für die Einführung der D-Mark entschieden und die Wiedervereinigung eingeleitet wurde ohne jedoch die 60 Millionen Westdeutschen zu fragen, ob sie solch einem Prozess zustimmen wollten. Das wurde damals von Seiten der Politik einfach als Selbstverständlichkeit vorausgesetzt, obwohl Adorno oftmals genug gemahnt hatte Selbstverständlich ist nur das nichts Selbstverständlich ist.

Selten wird das Problematische an der stattgefundenen Wiedervereinigung erwähnt, aber es handelt sich um ein einmaliges juristisches Schummeln. Vor allem wurde im Eilverfahren geschickt die Frage, ob nicht eine neue Verfassung nötig wäre, umgangen. Als Rechtfertigung diente der Verweis, wenn nicht sofort gehandelt wird, dann kann sich diese einmalige Möglichkeit wieder verschließen d.h. die Vier Mächte in Berlin überlegen sich es noch anders, und verhindern die Wiedervereinigung eben weil sie doch noch ein wieder erstarktes Deutschland befürchten. Somit wurde die provisorische Verfassung der Bundesrepublik als permanentes Werk für ganz Deutschland etabliert. Geschickt wurde also die Auflösung des DDR Staates bewusst eingeleitet, insofern die BRD nicht mehr ihre Zahlungen z.B. Swing Abkommen und Transit-Strecken Gebühren, betätigte. Der DDR Staat, bis dahin auf diese Überweisungen aus dem Westen angewiesen, ging einfach pleite. 'A failed state'. Danach kam es zur Gründung der Ländern wie Thüringen die dann alle einzeln der alt-neuen BRD beitraten. Es war also keine Wiedervereinigung zwei unterschiedlicher Staaten.

Noch vor der Wiedervereinigung veränderte bereits die Annahme der D-Mark im Osten den Alltag. Hinzu kommt die BRD Verfassung wie bereits erwähnt, aber auch der 4 + 2 Staatsvertrag änderte die Besitzverhältnisse. Vor allem jener Adel der am Widerstand gegen Hitler teil genommen hatte und deswegen Besitz im Dritten Reich verlor, bekam widerspruchslos alles zurück. Diese restaurierten Besitzverhältnissen plus das Wirken der Treuhand veränderte maßgeblich die Einstellung zu 'Recht und Ordnung'.

Insofern die Vergangenheit, sprich die Geschichte der DDR als Geschehen in einem Unrecht-Staat de klassifiziert wurde, wäre zu fragen und zu zeigen wie ehemalige DDR Bürger damit umgingen? Schließlich hatte das sofort eine unmittelbare Auswirkung auf das alltägliche Leben der ehemaligen DDR-Bürgern, aber ebenso auf die Bürger der Bundesrepublik Deutschland oder West Deutschland. Vor allem machte sich das auf gesamt deutscher Ebene mittels einer enormen Umstellung in finanzieller Hinsicht bemerkbar. Bereits beschlossene Projekte im Westen wurden abgesagt, dafür Geld zwecks Investitionen in den Osten geschickt.

Vor allem gingen viele die an westdeutschen Hochschulen noch lange auf eine Stelle hätten warten müssen in den Osten. Sie wurden dadurch viel schneller zu Professoren an den in der ehemaligen DDR liegenden Hochschulen berufen. Die alten Lehrer und Professoren galten wegen ihrer Mitgliedsschaft bei der Einheits- oder Volkspartei als nicht mehr glaubwürdig. Sie mussten ersetzt werden, was aber bei Schülern und Studenten oftmals zu traumatischen Einbrüchen verleitete, weil plötzlich ihr ganzes Vertrauen in bis dahin geltende Autoritätspersonen in Frage gestellt wurde. Johanna Schall meint bis heute dauern diese Traumas an. Sie meint die im Osten aufgewachsenen sprechen eine andere Sprache, eben weil die Sozialisierung zu DDR Zeiten eine andere als die im Westen stattfindende war. Diese Unterschiede werden bis heute kaum beachtet, machen sich dennoch dadurch bemerkbar, dass die im Osten sozialisierten Menschen immer mehr unter sich bleiben und die Anfangs offenen Beziehungen seit der Maueröffnung zu den neu hinzu gekommenen Freunden aus dem Westen immer mehr verkümmern. Das Neue hält also nicht so viel zusammen während grundlegende Unterschiede in der Sozialisierung sich doch langfristig als nicht leicht zu überwindende Trennungen und Abgrenzungen bemerkbar machen. Darum sei bei offiziellen Ansprachen, wie z.B. zur Eröffnung dieser Ausstellung 'Alltag Einheit' abzuraten von einer erfolgreichen Wiedervereinigung ausgehen. So einfach ist diese Geschichte der Wiedervereinigung eben nicht.

Sollten dabei manche in der Zeit nach 1990 an einer Umschulung in Fragen von Geschichte und Demokratie gedacht haben, so kam das bei der rapiden Umstrukturierung definitiv zu kurz. Der Regel nach wurde das alte beiseite geräumt, Fabriken geschlossen und Investitionen auf der grünen Wiese z.B. die neue Leipziger Messe, bevorzugt. Oder der Skandal an der Stiftung Klassik Weimar zeigte, lange wurde nach der Wende einfach wie zuvor weiter gearbeitet, so als gäbe es eine Kontinuität. Erst zunehmende Missstände machten deutlich das seit der Wiedervereinigung es keine interne Evaluierung der Mitarbeiter an der Stiftung gegeben hatte. Die Belegschaft wehrte sich einfach dagegen. Die kulturelle Expertin Cornelia Dümke deutet die Angst vor einer Evaluierung der Menschen aus der ehemaligen DDR als ein Wiederbelebung der sehr negativen Erfahrungen die sie in DDR Zeiten machten, weil damals es gleichbedeutend mit Parteikontrolle war. Gleiche Methoden die einen rationalen Umgang mit wichtigen Entscheidungsfragen voraussetzen, können wegen diesem unterschiedlichen Erfahrungshintergrund leicht missverstanden und deshalb vehement abgelehnt werden.

Gerade wegen diesen enormen, kaum in der Schnelle zu überbrückenden Unterschiede stellte sich spätesten nach fünf bis zehn Jahren die Ernüchterung bei denjenigen ein, die in den Osten gegangen waren. Viele kehrten in den Westen zurück weil sie das Leben im Osten nicht länger ertragen konnten. Ein neuer Begriff fand sich in der Stadtplanung ein: schrumpfende Städte. Während die Jugend abwanderte, blieben nur die Alten zurück. Der demokratische Wandel im Osten belastet um so mehr Kommunen und letztlich die ganze Gesellschaft, weil ein alltägliches Leben ausbleibt. Zum Beispiel schildert eine Kunstprofessorin dass sie es zehn Jahre versucht hatte in Dessau zu leben, doch die trostlose Umgebung machte alles zunichte. Sie versuchte Dinge zu bewegen z.B. mit ihren Studenten eine Wandmalerei, doch die Menschen öffneten sich nicht solch einem Projekt gegenüber. Sie meint eben weil die Menschen zutiefst in ihrem Urvertrauen verunsichert sind, kommt es zu keinem wirklichen Zusammenleben, und das trotz der Bauhaus-Universität dessen Gebäude nach wie vor aus der grauen Umgebung hervor sticht. Wenn Menschen sich in ihren Wohnungen verschanzen, wird kein Leben in den Straßen stattfinden. Hinzu kommt noch ein virulenter Fremdenhass, egal ob die Personen nun aus Vietnam oder aus dem Westen stammen. Allemal bleiben bei dieser Xenophobie viele Türen eher geschlossen als das sie im Zeichen einer neuen Lebensphasen sich einem neuen Leben gegenüber offen zeigen würden. Vor allem fehlen die Arbeitsplätze.

Auffallend ist ebenso der Einschnitt in menschliche Beziehungen. Es machte sich nach der Wende eine sehr hohe Scheidungsquote bemerkbar. Erklärbar ist das, weil zu DDR-Zeiten der soziale Unterschied nichts ausmachte wenn sie Ärztin, er Hausmeister in einem Kindergarten war, schließlich saß man faktisch in ein und dem selben Boot. Aber sobald das soziale Leben wegen Annahme eines neuen Berufsleben in einer westlichen Firma sich änderte, fingen insbesondere die aktiven Frauen an sich neu zu orientieren. Sie nahmen vielleicht ihre arbeitslosen Ehemänner bei Firmenpartien zwei- bis dreimal mit, aber dann nie wieder. Der Sozialisierungszwang im Kapitalismus ist allemal ein Druckmittel sich anders konform zum Wertgefüge der Firma und des vorbestimmten Models von Erfolg zu verhalten. Es macht Solidarität im Sinne von Gleichheit faktisch unmöglich. 

Zurück blickend auf die deutsche Geschichte, so kann nicht nur Heinrich Heine behaupten, dass ein Schindluder schon immer mit dem Terminus 'Volk' betrieben wurde. Darum kann zwar die Einheit des Volkes im Alltag nach der Wiedervereinigung allemal von staatlicher Seite aus beschworen werden, dennoch sind auf neuartige soziale Unterschiede zu verweisen. Aussagen der betroffenen Menschen beruhen auf Erfahrungen der Ausgeschlossenheit. Die aus dem Osten in die westdeutsche Gesellschat gekommen sind, fühlen sich bis heute nicht integriert. Merkel mag da eine Ausnahme sein, doch sie entstammt dem Pfarrhaus von dem Robert Minder behauptet, das sei schon immer in Deutschland die Urzelle von Dichtern und Politikern gewesen. Die moralisierende Rhetorik eines Gaucks rührt ebenso von daher. Sie kann vieles übertünchen, aber es macht das, was wirklich geschehen ist, nicht glaubhafter, vor allem dann nicht wenn stets nur behauptet wird dies sei die einzige Möglichkeit gewesen die Wiedervereinigung zu bewerkstelligen.

Die Rhetorik der Wiedervereinigung verschweigt, dass der DDR Staat bewusst sabotiert wurde, solange bis es nicht mehr als Staat zu existieren vermochte. Die Vorgehensweise von Kohl und Genscher machte es den Ostdeutschen unmöglich eine innere Emanzipation von autoritären Staatsstrukturen vom runden Tisch aus anzustreben. Stattdessen wurde nur die westliche Variante von 'Wiedervereinigung' praktisch und bewusst durch die Macht der westdeutschen Bundesrepublik und der Kohl Regierung voran getrieben. Legitimation dazu wurde von der Westdeutschen Verfassung abgeleitet, die das historische Faktum festhielt, eben weil DDR-Bürger durch ihren Staat entmündigt wurden, müsse die BRD sie vertreten d.h. für sie sprechen und handeln. Das wurde konsequent nach dem Mauerfall in 1989 umgesetzt ohne jedoch sich dazu zu bekennen, dass dies auf eine neue Variante der Entmündigung der ehemaligen DDR-Bürger hinauslief.

Symbolhaft steht dafür vor allem die Treuhand die als Schild in der Ausstellung vertreten ist aber wozu mehr gesagt werden müsste. Schließlich wurden Grundstücke, und sogar ganze Schlösser für eine symbolische DM von aus dem Westen stammende gekauft, und das oftmals nur zur Auflage diesen Besitz erneut imstande zu setzen. Es galt das allgemeine Leitbild der Osten solle abermals aufblühen doch es rechtfertigte eine Vorgehensweise die nicht wirklich legitim war. 

Vieles wird durch was Adorno als die 'lärmende Neuheit' bezeichnet hat, übertüncht oder übertönt. Die Einschusslöcher die an den Zweiten Weltkrieg erinnerten, verschwanden als die Häuser in Ostberlin neu gestrichen wurden. Plötzlich wurde eine bis dahin leere Stadt-Landschaft mit Reklame-Schildern gefüllt. Diese veränderte Ästhetik tat vielen in ihren Augen weh.

Der oftmals nicht ausgesprochene Schmerz setzt sich bis hinein in die Gegenwart fort. So fällt bei der Eröffnung insbesondere die Musik eher aus dem Rahmen, aber offensichtlich will man sich flott, also modern, oder eher 'up to date' geben, selbst dann wenn bei allen Rednern der Doktor- bzw. Professorentitel nicht fehlt, und somit ein Indiz abgibt, wer überhaupt in dieser Gesellschaft qualifiziert ist mitzureden bzw. etwas zu gestalten. Das kumuliert in was überhaupt keine Selbstverständlichkeit ist. Dennoch wird die Einblendung von Geschichte mittels eines klar abgesteckten Zeitrahmens betätigt.

Genauer gesagt der Gegenstand der Ausstellung ist eine offene, sogar leicht kitschige Abgabe was sich im Alltag seit des Mauerfalls ab 1989, genauer 1990 bis 1995, abspielt. Die Kuratoren bezeichnen diese Zeitperiode von fünf Jahren als Übergangsgesellschaft, doch dieser Alltag, der in all seiner Unbekümmertheit aber auch Belanglosigkeit dargestellt wird, muss als Vorgabe für etwas sehr bestimmtes dienen, nämlich der 'Einheit'. Doch diesen äußerst geladenen, ja schwierigen Begriff der Philosophie - Kant spricht von der 'Einheit der Apperzeption' und meint damit 'Begriffe ohne Anschauung seien blind', woraus Hegel die Variante für die Kulturpolitik bzw. ideologische Aufgabe eines Staates machte, insofern er meinte "ein Volk ohne Mythos sei blind" - auf den Alltag anzuwenden, fällt schwer zu verstehen wie das Gelingen kann. Die Summe der Dinge die im Alltag geschehen kann keine Einheit ergeben, auch nicht in ihrer Vielfalt. Schließlich ergibt sich im privaten Lebens im Alltag eines jeden noch ganz andere Einsichten in historische Dimensionen. Jemand der vom Urlaub in Griechenland zurück gekehrt ist und nun auf dem Fensterbrett eine kykladische Figur stehen hat, verbindet sich durch sie mit einer mehr als 3000 Jahren alten Geschichte. Folglich können keinesfalls diese alltäglichen Erlebnisse unter einer vom Staat aus angestrebte Einheit im Sinne eines wiedervereinigten Deutschlands subsumiert werden, geschweige das Realisieren solch einer Einheit als Erfolg preisen. Falls solch ein Einwand geflissentlich übersehen wird, handeln sich die Kuratoren den Vorwurf einer bewussten Geschichtskletterei ein.


 

    

       'Einheit' vor dem historischen Museum

So wundert es einem kaum wenn am Eingang 'Einheit', nicht aber der 'Alltag' demonstrativ als Skulptur da steht, während drinnen die Staatsministerin Grütters die neue deutsche Selbstverständlich 'wieder wer zu sein', und zwar als einheitliches Volk, als Erfolg preist und dem noch hinzufügt, das sei etwas worauf die Deutschen endlich 'stolz sein sollen'. Wörtlich sagt sie dazu:

"Die 'Baustelle deutsche Einheit' ist eine Baustelle, auf die wir stolz sein können, meine Damen und Herren (was man ja nun gerade in der Bundeshauptstadt Berlin beileibe nicht von jeder Dauerbaustelle behaupten kann). Wir Deutschen wären aber natürlich nicht wir Deutschen, wenn wir einfach mal auf uns stolz sein könnten."

Dem entgegen zu halten ist ein Ratschlag von Pablo Neruda, der meinte als aller erstes müsse der Stolz abgeschafft werden, weil jener nur in die Einsamkeit verleitet. Es täte ferner gut wenn die Europäische Dimension nicht bei einer nationalen Erzählung eigener Geschichte ausgeklammert wird. Schließlich müssen letztlich Europäische Integration und Beschaffenheit der Lebensqualität im Alltag übereinstimmen, ansonsten käme es erneut zum nationalen Alleingang.

Einleitend meint die Staatsministerin Grütters zurückblickend auf 1989-90 "die Historie sei wie ein unangemeldeter Gast hereingeplatzt", und zwar ins Alltagsleben einer typischen DDR Familie. Sie gebraucht dabei einen Alltagsbegriff der angeblich bis dahin von der Geschichte verschont blieb und ebenso jene im Westen lebende Menschen angeblich nicht tangieren würde. Dem ist aber nicht so was den Alltag sowohl in der ehemaligen DDR und in Westdeutschland betrifft. Jeder Alltag enthält etwas zugleich höchst persönliches was als die nicht zu veräußernde menschlichen Würde von der Verfassung anerkannt wird, also auch die Historie der Menschheit berührende Substanz, vorausgesetzt die Menschen vermögen es in ihrer Alltagssprache das menschliche Selbstbewusstsein anzusprechen. Marx definierte das als eine Sprache die Kategorien der Produktivität als der Kreativität zusammenbringt, und darum die Trennung von hier Arbeit, da Lust auf Kreativität gleich dem Künstler überwindet. 

Dennoch will die Staatsministerium vor allem eines: die 'Deutschen' sollten endlich stolz aufs Geleistete, also auf die abgelaufene Wiedervereinigung, sein. Voraus schauend auf die im Oktober 2015 stattfindende 25 jährige Feier, stellt sie fest, dass "der unangemeldete Gast ... mittlerweile nicht nur weitestgehend akzeptiert ist. Man hat ihn sogar ins Herz geschlossen! Und das, obwohl er Ruhe und Ordnung gestört und nebenbei auch noch höchste Ansprüche gestellt hat!" Wer so etwas behauptet, müsste das auch belegen können, und nicht nur als Geltungsanspruch erheben obwohl eine bloße Ableitung eines Wunschdenkens.

Vor allem hört sich das an als wäre die Wiedervereinigung eine Erfolgsgeschichte der westdeutschen Leistungsgesellschaft. Zugleich wird immer wieder nur auf die ostdeutsche Seite verwiesen. Auffallend bei solch einer Einseitigkeit, und was ebenso in der Ausstellung reflektiert wird, ist dass die Probleme des Übergangs anscheinend eher die Ostdeutschen und nicht so sehr die Westdeutschen betrifft. Letztere hätten anscheinend nicht die gleichen Anpassungsschwierigkeiten an die neuen Verhältnisse wie die im Osten lebenden und sozialisierten Menschen.

Leider beinhaltet das eine noch ganz andere, oftmals unsichtbar verbleibende, zugleich scharfe Abgrenzung gegenüber dem Osten was nicht alleine die Vergangenheit betrifft, sondern ebenso den Umgang miteinander in der Gegenwart auszeichnet. Zugleich wird eine Ungleichzeitigkeit fortgesetzt, insofern immer wieder auf die Öffnung der Stasi Akten verwiesen wird, weil das den DDR Bürgern einen einmaligen Einblick gibt wer wem bespitzelt hat, aber es bleibt dabei unerwähnt, dass die in West Berlin und West Deutschland lebenden bis heute keinen ähnliche Chance zwecks Einblick in ihre Polizeiliche Akten erhielten. Die Datensammlung die inzwischen betrieben wird, lässt außerdem die Stasi als eine überholte Bewachungsgesellschaft erscheinen und darum ist sie um so leichter zu verwerfen. Solch eine fiktives Feindbild dient obendrein als eine geschickte Ablenkung vom Überwachungsstaat zu dem die Bundesrepublik seit 1990 geworden ist.

Prof. Grütters will aber auf noch etwas sehr bestimmtes hinaus. Sie argumentiert weiter weil die Menschen seit der Wiedervereinigung beherzt zusammen leben, kommt der Erinnerungskultur innerhalb der Kulturpolitik eine Sonderrolle zu. Sie untermauert dies als einen politischen Anspruch, dass der Staat die nationale Narrative und darum Erinnerungsarbeit selber bestimmen soll. Sie begründet das folgender Weise:

"Geschichte vergeht ja nicht einfach - die Art und Weise, wie wir sie erzählend vergegenwärtigen, prägt unsere Sicht auf die Gegenwart und damit auch unser Bild von uns selbst und unsere Zukunft. Deshalb kommt der Erinnerungskultur innerhalb der Kulturpolitik eine Sonderrolle zu, und zwar insofern, als die Politik sich hier nicht allein auf die Verantwortung nur für die Rahmenbedingungen zurückziehen darf, sondern den Gegenstand selbst prägt. Nationales Erinnern und Gedenken lassen sich nicht amtlich verordnen, sind aber auch nicht rein bürgerschaftlich zu bewältigen. Sie sind immer auch eine öffentliche Angelegenheit - und das heißt in staatlicher Gesamtverantwortung. Wir formulieren den Anspruch, auch moralisch angemessen mit der eigenen Geschichte umzugehen und nicht zuletzt dadurch ein Fundament für die Gegenwart und Zukunft zu legen. Dabei kann man die Reife einer Demokratie auch daran erkennen, wie weit sie die Entwicklung von Geschichtsbildern dem öffentlichen Diskurs anvertraut."

An dieser Stelle wäre spätestens dann Widerspruch vom Publikum zu erwarten gewesen, aber alle blieben sitzen und schwiegen. Sie hörten bloß zu und dachten vermutlich ihren Teil, weil durch Normen der Höflichkeit und aus Anstand bestimmt ein spontaner Widerspruch in aller Öffentlichkeit von vorn herein ausgeschlossen ist. Die Staatsministerin kann also unwidersprochen die Erinnerungsarbeit zur Staatsaufgabe machen. Nicht die Zivilgesellschaft soll sich hier aktiv einmischen, um sicher zu gehen nicht nur offizielle Varianten eines erwünschten Geschichtsbildes bestimmt alleine das menschliche Selbst-Bewusstsein.

Es wäre also wichtig solch einer Verfälschung des Alltags durch einen künstlichen Einheitsbegriff zu widersprechen. Grundlage für Erzählungen der Wiedervereinigung sollten vielmehr vom Staat unabhängige Quellen sein. Der beste Test wäre solch eine Wiedergabe von was geschah, in der die Menschen sich wiedererkennen würden und zugleich bei allen sozialen Rolle die sie einnehmen, nicht ihre menschliche Basis vergessen. Ein Beispiel dafür lieferte Uwe Johnson in seiner Erzählung 'Jahrestage'. Darin zeigt er wie Menschen sich im Übergang von der Weimar Republik ins Dritte Reich und von da in die Deutsche Demokratische Republik verhielten, aber dabei nie ganz in ihren sozialen Rollen aufgingen. Sie waren und blieben immer zugleich Menschen.

Der indische Dichter Dileep Jhaveri meint es wäre sehr bedenklich wenn das Erzählen der Geschichte nur eine Staatsaufgabe wäre, weil dies wiederum einen Raum den neuen Hitlers bieten würde. Außerdem wenn der Staat die Erinnerungskultur alleine bestimmt, weiß jeder sofort wie die zukünftige Geldvergabe bei Projekten aussehen wird. Ein Teil wird zwar gegen die neuen Richtlinien protestieren, aber sie wissen zugleich dass sie nicht mehr gefördert werden, während die anderen sich anpassen und einfach mit machen, um ans Geld zu gelangen. Sie werden sich spätestens dann nicht mehr von ehemaligen DDR Bürgern unterscheiden die allesamt die Sklavensprache pflegten. Bloch sprach davon als es ihm noch zu DDR Zeiten erlaubt war Vorlesungen in Leipzig zu halten (siehe Ernst Bloch und die Sklavensprache (Berlin 1985)/ Slave language (Cornell U. 1987)

Eine Reduktion auf nur solch ein nationale Leitbild, dass an die offizielle Erinnerungskultur anknüpft, um wieder stolz sein zu können, kommt spätesten dann als Paradigma-Wechsel zur Sprache nachdem die deutsche Nationalmannschaft beim Fußballspiel gewann. Solch eine Reduktion nivelliert Geschichte auf ein ganz bestimmte kollektive Erscheinung die aber niemals mit dem Alltag übereinstimmt, aber halt auch vieles zum Schweigen und Verschwinden bringt weil für die Normalität gehalten wird. Nichts schlimmeres gibt es aber als das Abnormale als Normales zu halten.

Auffallend ist bei solch einer Reduktion den alleinige Bezug auf nur noch deutsche Geschichte, so als gäbe es nicht Deutschland inmitten von Europa und einer Welt in der die Menschen ihre Geschichten teilen und erzählen! Solch eine Abgrenzung nach außen birgt in sich die Gefahr einer neuartigen Isolation. Zu erinnern sei an was der Tagesspiegel von Berlin aussprach, als die Vier Mächte (USA. England, Frankreich und Russland) nach 1989 abzogen, und damit den deutschen Politikern ein vereintes Berlin und noch zu definierendes Deutschland in eigener Verantwortung überließen. Die Tageszeitung sprach damals die Hoffnung aus, die deutschen Politiker mögen sich so besonnen zeigen wie es zu ihrer Besatzungszeit die vier Mächte es taten, denn stets unterbanden sie viele Entscheidungen deutscher Politiker weil zu extrem nach menschlichem Maß. Die Zeitung fuhr fort und wünschte sich die deutschen Politiker mögen doch weiterhin um deren Rat bitten, um nicht den Fehler zu begehen abermals sich von einem extremen Entscheidungsmodus verleiten zu lassen.


         

          Blick am Historischen Museum vorbei

Rückblickend hat seit 1990 keine Regierung es geschafft eine Normalität im Alltag zu etablieren. Veränderungen gab es genug seitdem, noch mehr nahm die Arbeitslosigkeit auch im Westen zu. Spätesten ab dann war an eine Neutralisierung seit der Wiedervereinigung nicht mehr zu denken. Sowohl im Westen als im Osten waren die alltäglichen Verhältnisse nachhaltig gestört. Die stattfindende Umstrukturierungen holten alle allmählich ein. Vor allem machte die Hartz IV Reform der Schröder-Fischer Regierung etwas deutlich: die veränderte Rechtsstruktur enthält keinen Anspruch mehr auf Arbeit im Verhältnis zur Qualifikation. Das wirkt sich bis heute wie eine immer weiter ausbreitende Verunsicherung aus. Die Menschen leben in Ost und West mehr denn je in prekären Arbeitsverhältnissen. Die Anfangs bemerkte Sicherheit im Verhalten des Publikums mag darum eher eine Projektion sein weil kommend aus Griechenland diese prekären Verhältnisse noch extreme in den vergangenen fünf Jahren geworden sind. Allgemein gilt der Grundsatz, es muss immer mehr für noch weniger Geld gearbeitet werden. Doch wenn das, was die Wiedervereinigung einleitete, lehrt, dann vor allem etwas, nämlich erst das Heraustreten aus Systemzwängen lässt die Menschen selber handeln und insofern sie das tun, werden sie auch ihre eigene Geschichte machen und anschließend auch selber die erzählen können. Dazu braucht es dann keinen Staat bzw. Kuratoren die geflissentlich diese Aufgabe übernehmen. Aus diesem Grund sollte dem Alltag keinen Zwang in Namen einer illusionären Einheit angetan werden.

        

         Ausstellungsplakat im Historischen Museum

Schließlich sei auch an 1945 zu erinnern als viele Deutsche 'nie wieder Krieg' riefen, ja sich gelobten 'nie wieder soll ein Krieg vom deutschen Boden ausgehen.' Über die Zeit hinweg verstummte dieser Ruf und eine Veränderung ähnlich zur Leipziger Demonstration fand statt. Deutsche Truppen wurden in Afghanistan stationiert und heute lassen negative Spannungsverhältnisse u.a. zu Russland neu-artige Bürgerkriege (Enzensberger) überall ausbrechen. Doch nach wie vor ist an diesem Versprechen 'nie wieder Krieg' auch der Alltag in Ost und West zu messen.

 

Hatto Fischer

Athen 21.06.2015

Für weitere Hinweise was alles nach der Öffnung der Mauer schief lief, insbesondere wie der Zentrale Runde Tisch nicht die Stasi Akten vor einer Vernichtung durch Stasi Mitarbeiter hat verhindern können, siehe "Wie eine Schlange, die die Haut wechselt" von Klaus Bästlein, Frankfurter Allgemeine Zeitung, 27.Juli 2015

Für die Rede der Kulturstaatsministerin Grütters zur Eröffnung der Ausstellung "Alltag Einheit. Porträt einer Übergangsgesellschaft" im Deutschen Historischen Museum 26. Mai 2015 Berlin, siehe

https://www.bundesregierung.de/Content/DE/Rede/2015/05/2015-05-26-gruetters-dhm.html

 

Anmerkung: eine weitere Widerlegung, alles sei seit der Wiedervereinigung gut gelaufen, ist im Buch ueber die Pediga Bewegung zu finden:

"Joachim Klose, Co-Autor des Buches und Landesbeauftragter der Konrad-Adenauer-Stiftung für den Freistaat Sachsen, sieht besonders den durch den Umbruch und Transformationsprozess nach 1989 bedingten Heimatverlust im Osten als einen der Gründe für das Entstehen der Bewegung.

Die Geschwindigkeit des Wandels, vorgeprägte Einstellungen (Russophilie, Amerikaphobie) und die demographische Entwicklung, die zum Verlust von allein einer Million Einwohner in Sachsen und einem enormen Männerüberschuss seit 1990 führten, seien Katalysatoren für Pegida gewesen.

Die Anhänger seien vor allem getrieben von Zukunftsangst, Neid in einer sich auseinanderdividierenden Gesellschaft und von Ressentiments, insbesondere der Ablehnung von Neuem. In diesem Punkten wiederum scheinen sie wie Spiegelbilder breiter Wählerschichten der AfD zu sein."

Quelle: Stefan Locke, Ankunft des Rechtspopulismus in DeutschlandFrankfurter Allgemeine Zeitung 14.06.2016, von Dresden http://www.faz.net/aktuell/politik/inland/joachim-klose-patzelts-buch-pegida-warnsignale-aus-dresden-14286949.html

2016

Ein Jahr später sagt der Bericht zum Zustand der Einheit noch viel mehr darüber aus, was alles in der ehemaligen DDR seit der Wiedervereinigung schief gelaufen ist. Das berücksichtigt auch das Wahlergebnis in Vorpommern/Mecklenburg wo die AfD einen enormen Aufschwung. Siehe

Der Westen hängt den Osten ab

21. September 2016, 5:35 Uhr Aktualisiert am 21. September 2016, 13:55 Uhr Quelle: ZEIT ONLINE,

http://www.zeit.de/gesellschaft/2016-09/rassismus-ostdeutschland-bundesregierung-fremdenfeindlichkeit-gewalt

"Das Wachstum im Osten reicht nicht, um zum Westen aufzuschließen. Aus Sicht der Bundesregierung gefährdet zudem Fremdenhass den Aufholprozess und den sozialen Frieden."

 

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