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Verhältnis Griechenland Deutschland Teil II


Nationale Helden und Monumente im Unterschied zur Europäischen Erinnerungskultur

Europa hat so seine Schwierigkeiten mit der Unterscheidung zwischen einer Europäischen und einer nationalen Erinnerungskultur. Zum Beispiel gibt es keinen gemeinsamen Feiertag um sich des Ende des Zweiten Weltkrieges zu erinnern. Der 8.Mai als Tag der Befreiung (siehe https://de.wikipedia.org/wiki/Tag_der_Befreiung) ist in Frankreich ein nationaler Feiertag (siehe Ausstellung von Kids' Guernica in Ecouen by Paris, France 7th and 8th of May 2009),  in Deutschland wird dagegen weiter gearbeitet, so als sei nichts an diesem Tage gewesen. Lange nach dem Krieg schien es als wollten die Sieger nur unter sich feiern, während ein Verlierer wie die Bundesrepublik im Unterschied zur DDR sich schwer tat zu irgend einem Anschein an Normalität zurückzukehren. Angebracht wäre gemeinsam mit den Verlierern das Schrecken des Krieges zu erinnern. All das unterstreicht ein weiteres Mal wie schwer Europa sich tut eine Gleichzeitigkeit mittels ein gemeinsames Empfinden zu realisieren. Als Polen den Eintritt in die EU in 2005 feierte, wurde in Frankreich die Ablehnung des EU Verfassungsvertrages ebenfalls gefeiert. Der Unterschied hätte nicht größer sein können.

Geht es um Versöhnung dürfte es um so mehr wichtig sein Täter und Opfer zusammen zu bringen. Schließlich sind die Traumas die die Kriege hinterließen, schwer zu überbrücken, wenn nicht auf einer gemeinsamen Grundlage an den Ursachen des Krieges zugunsten eines nachhaltigen Friedens gearbeitet wird.

Selbstverständlich gibt es die Monumente und Denkmäler die eine offizielle Erinnerungskultur wieder spiegeln und oftmals aufzeigen, wer als Held in die Geschichte des Landes eingegangen ist. Doch in Deutschland hat sich nach 1945 die Anerkennung der wichtigsten Monumente geändert. Der Historiker Reinhart Koselleck hat in seinem Ansatz Monumente als „politische Ikonographie“ zu reflektieren, wesentlich dazu beigetragen die Haltung dazu zu beeinflussen. So wird nicht mehr das "Völkerschlachtdenkmal" in Leipzig, eröffnet in 1912, also kurz vor dem Ausbruch des Ersten Weltkrieges als maßgebend angesehen, weil dieses Denkmal zu einem blinden Patriotismus anstiftete und dadurch die Menschen ohne viel Bedenken in den Krieg ziehen ließ, sondern solche die den Holocaust unvergesslich machen. Berühmt ist u.a. das Holocaust Denkmal in unmittelbarer Nähe zum Brandenburger Tor.


      

                                      Holocaust Monument in Berlin

       

            Holocaust Monument in Athen mit Norman Cohen, Filmproduzent

Zwischen beiden Holocaust Monumenten kann ein Vergleich gezogen werden, wenn auch nur ein recht bescheidender. Wichtig in diesem Zusammenhang ist zu wissen, dass viele Juden aus Griechenland von den Deutschen Truppen eingesammelt und nach Auschwitz per Zug geschickt wurden, wo sie verendeten. Das Absurde daran ist dass die Juden gezwungen waren obendrein noch ihre eigene Fahrkarte für die Zugfahrt einlösen mussten. Thessaloniki war sehr davon betroffen, aber auch die jüdische Gemeinde in Ioannina 2021 wo 1 800, viele davon Kinder, in Auschwitz umkamen.

Vermutlich bietet dieser Blickwinkel in die Geschichte vor, während und nach dem Zweiten Weltkrieg auch einen Einblick in was historische Wunden sind. Menschen die einmal so etwas durchmachen, sie sind fürs ganze Leben gekennzeichnet, manche mehr, andere weniger. Die Nachkriegsschäden sind aber bestimmt nicht nur anhand der nieder gebrannten Häuser festzumachen, sondern es sich viel mehr die unsichtbaren Wunden die viele Menschen in sich tragen. Darum ist der Inbegriff von menschlichen Schmerzen ein ganz und gar tief gehendes Element das auf der Seele oder Psyche drückt, und oftmals unbewusste Vorbehalte, aber auch die fehlende Empathie und statt deren die projizierten Vorurteile erklären können, zumindest andeutungsweise. Bewegend war für mich zu lesen im Bericht der Kinder die von Ioanna verschwanden weil derjenige, der die Liste anfertigte, eine Bemerkung am Rande der Namensliste der Kinder eintrug: "und diese Kinder die ihre Steine in den See von Ioannina warfen, sie konnten nie erwachsen werden, um ihre Träume zu verwirklichen".

Selbstverständlich gibt es eine ganze Menge an sogenannten Helden an denen die nächsten Generationen ahnungslos, ja fast unberührt von wer diese besondere Gestalt gewesen sein mag, vorüber geht. Andre Malraux sagte ohnehin wir sind im Leben nur vorübergehende Gäste. Es tut sich aber ein neues Phänomen auf: der Vandalismus oder sogar der glatte Diebstahl dieser Bürsten auf einem Sockel. In Athen ist man bereits von der Stadtverwaltung dazu über gegangen nicht länger Originale auf einem Sockel zu haben, sondern Kopien. Das besagt etwas aus was die öffentliche Wahrnehmung und das sogenannte kollektive Erinnerungsvermögen betrifft.


                  

Monument von einem unbekannten Helden, zugleich von Graffiti heimgesucht. Das Denkmal befindet sich vor der Schule am Lycabettou

Interessanter Weise gibt es auch wesentliche Unterschiede zwischen einer lokalen und einer nationalen Erinnerungskultur. Oftmals zeigen die nationalen Denkmäler eher Erinnerungsmomente die auch vom Ausland her wahrnehmbar sind, eben weil verbunden mit bestimmten nationalen Feiertagen z.B. Tag der Unabhängigkeit. Gleichzeitig können diese Denkmäler besonders in Griechenland den Stempel fremd einwirkender Mächte aufgedrückt bekommen, also Indiz der Anerkennung, aber eher Zeichen der subtilen Unterwerfung.

Viele Denkmäler erinnern an bestimmte Kriege, und sei es nur das Grab der unbekannten Soldaten die in dem Krieg ihr Leben ließen. In Athen gibt es das unterhalb dem Parlamentsgebäude auf dem oberen Teil des Syntagma Platzes. Aus diesem Grunde hatte der Historiker Kosseleck ein Studium zur "politische Ikonographie" an der Universität Heidelberg (1972) angeregt. Gemeint sei die Untersuchung von Denkmälern inwiefern sie den Krieg glorifizieren (fast sämtliche Denkmäler in Deutschland von 1871 taten das), zur Besinnung aufrufen z.B. die Schlachtfelder und das Museum von Verdun oder auch den Krieg infrage stellen z.B. das Grab des unbekannten Soldaten im Hofgarten von München.

Was wäre dann die Europaesche Erinnerungskultur? Sie basiert auf einem kulturellen Erbe-begriff, der ebenso Erinnerungen an die Zukunft beinhaltet.

 

Vermittlung und Verständigung zwischen Griechenland und Deutschland

Es gibt außergewöhnliche Bemühungen zur Versöhnung zwischen Griechenland und Deutschland beizutragen. Die Berliner Künstlerin Karin Raeck lebte für über zehn Jahre in Griechenland und nahm das Land sozusagen unmittelbaren, d.h. erlebten Erfahrungen wahr. Vor allem lebte sie auf Kreta in der Hochebene von Anogia, bekannt für den Widerstandskampf gegen die deutsche Besatzung. Das beinhaltete auch Felsenbrocken auf die Hochebene zu wälzen, um eben das Landen der Flugzeuge der deutschen Luftwaffe zu verhindern. Aus eben denselben Steinen schaffte Karin Raeck eine Steinskulptur, also einen "Andartis" oder Widerstandsfigur. Die Geschichte wird oft erzählt. Ein Widerständler wurde im Schusswechsel mit den deutschen Truppen verletzt und musste sich verbergen, um nicht verhaftet zu werden. Er konnte nicht im Dorf von Anoia bleiben, also versteckte er sich in einer Höhle. Ein kleines Wunder geschah denn er überlebte trotz offener Wunde. Anscheinend hatte die Höhle ähnliche Qualitäten in der Luft wie Penicillin. Karin Raeck schaffte auf der Hochebene einen Andartis dessen einer Arm einem Flügel glich. Er deutete in Richtung von eben dieser Höhle. Sie benutzte dazu die selben Steine die der griechische Widerstand auf die Hochebene gerollt hatte, um das Landen von Flugzeugen der deutschen Luftwaffe zu verhindern.


 

                                                                             

Kreta wurde zum Schwanengesang deutscher Fallschirmjäger weil die ganze Bevölkerung sich gegen die Invasion wehrte (siehe Cretan resistance during WW II). Karin Raeck als Künstlerin trug zur Dokumentation bei. Sie verteilte oder zeigte Photoaufnahmen von Kreter die kurz danach von den deutschen Truppen hingerichtet wurden. Das Dorf Anogia selber wurde dem Boden gleich gemacht und sämtliche Männer erschossen. Das geschah nach Befehl eines Müllers der für die Festung Kreta zuständig war.

Weitere Geschichten über das Vorgehen deutscher Truppen in Griechenland berichten von seltsamen Ausnahmen. Zum Beispiel wurde das Leben meines Friseurs in Athen verschont, weil die Soldaten beim Eindringen in deren Wohnung in Kreta Bilder an der Wand hängen sahen. Als sie fragten, ob sein Vater Künstler sei, und das positiv beantwortet wurde, änderten sie ihre feindliche Haltung. Sie zollten dem Künstler ihren Respekt und zogen wieder ab, so dass er und seine Familie am Leben blieb.

Etwas ähnliches geschah in einem Dorf wo oftmals behauptet wird jeder wurde vernichtet. Dennoch trug sich folgendes in Realität zu: die Soldaten öffneten die Tür zur Wohnung und winkten den ängstlichen Kindern zu, sie mögen sich hinter der Treppe verstecken. Dann schossen sie in den Raum um ihre Vorgesetzten davon zu überzeugen das Gemetzel setze sich fort, was aber im Grunde genommen nicht stimmte.

Ferner berichtet ein griechischer Journalist der einen Dokumentationsfilm darüber in einem Studio schnitt, dass plötzlich ein Techniker aus dem Hintergrund rief aber jenen Offizier der die Vernichtungswelle einleitete, denn würde er kennen. Er wüsste wo er wohnt, und zwar in Stuttgart. So fuhr der Journalist mit einem weiteren Griechen und der Staatsanwalt dorthin. Nachdem sie geklingelt hatten und die Tür von der Frau geöffnet wurde, stellten sie fest jener Offizier war kurz vor dem Sterben da von einem unheilbaren Leiden, vermutlich Krebs, heimgesucht. Der Staatsanwalt sagte er könne immer noch ihn als Kriegsverbrecher verhaften und abführen lassen, aber die beiden Griechen winkten ab und ließen den Mann in Ruhe sterben.

Rückblickend auf die Zeit nach Beendigung sowohl der deutschen Besatzungszeit als auch des Bürgerkrieges, gab es immer wieder Annäherungsversuche, kleinere und größere Projekte und Aktionen, die nicht unerwähnt bleiben sollen. Vor allem ist gerade wegen der fehlenden Versöhnungspolitik Deutschlands gegenüber Griechenland von großer Bedeutung, dass Aktion Sühnezeichen sich diese Arbeit vornimmt. In 2016 wird das zweite Sommerlager in Kastoria stattfinden, und zwar unter dem Titel: "Home-Habitat-Diaspora". (Mehr Information dazu ist auf folgender Webseite erhältlich: https://www.asf-ev.de/en/summer-camps/activities/greece.html )

All diese kleinen Aktionen mögen irrelevant im größeren politischen Zusammenhang sein, insbesondere weil die offizielle Position der griechischen Seite alles andere ausschließt denn erst muss ein Friedensvertrag unterzeichnet werden, um dann den entsprechenden Rahmen für eine wirkliche Vergoldungsarbeiten zu geben. Dennoch trägt z.B. das Sommerlager in Kastoria dazu bei, der schlechten Verallgemeinerung, es gäbe auf deutscher Seite überhaupt keine Interesse, zu widersprechen. Dazu gehört auch was Juan Gutierrez in Spanien meint sei ratsam zu tun, "denn wenn wir zurückblicken, scheint alles nur ein Sumpf an Gewalt zu sein, doch den müssten wir mit Fäden des Friedens durchziehen, um doch noch Lichtblicke in der Geschichte der Menschheit (in Erinnerung an Stefan Zweig) wahrzunehmen."


Erziehung und Kultur

                   

                    Eine andere als eine Schulbank zum Lernen in Freien

Vieles ist im Argen, was die Erziehung angeht. Die Pisa Studie bescheinigt deutsche Schulen und Universitäten lassen zum Wünschen übrig; sie würden kaum zur Chancen-Gleichheit beitragen. Eltern klagen es gäbe zu wenige Lehrer und darum zu viele Schüler in einer Klasse. Oft seien auch die Lehrer überfordert, weil sie sehr wenig oder kaum Training erhalten haben, wie sie mit einer Klasse bestehend aus ganz unterschiedlichen kulturellen und sozialen Hintergründen umzugehen haben. Natürlich gibt es Ausnahmen und sehr progressive Lehrer. Vieles hängt von einem persönlichen Engagement ab, und ob überhaupt der Lehrer von seiner oder ihrer Klasse angenommen wird. An den Universitäten in Deutschland besteht ein dauerhaft Druck wegen den nach amerikanischen Muster geformten Bachelor Kursen. Sie lassen den Studenten wenig Zeit für irgend etwas anderem da sie pausenlos Arbeiten zu schreiben haben.

Somit geht die Qualität des studentischen Lebens leicht verloren oder es kommen keine echten und dauerhaften Verbindungen zwischen den Studenten zustande. Ein Professor an der Universität von Gent hat z.B. Studenten angeboten, wenn sie ihre Arbeitsergebnisse mit anderen teilen während sie ihre Dissertation schreiben, dürfen sie nach Abschluss noch länger an der Universität bleiben, solange bis sie eine Arbeit gefunden haben. Er möchte auf jeden Fall eine größere Solidarität und Offenheit unter den Studenten bewirken. Schließlich lernt man besser von einander als wenn isoliert, jeder für sich, nur noch jeder alleine vor sich hin studiert.


          

                 Archaeologische Stelle der Akademie von Aristotle in Athen

Im Vergleich dazu besteht das Problem, dass die Orthodoxe Kirche in Griechenland einen enormen Einfluss auf das Erziehungswesen ausübt. Im Gegensatz gibt es Versuche politischer Parteien, jüngst Syriza, die gesamte Ausrichtung zu verändern, was aber wiederum zu einem ideologischen Streit verleitet. Ein deutlicher Mangel an den Schule ist, dass es wenn überhaupt, keinen adequaten Kunstunterricht, geschweige durchdachten Geschichtskurs gibt. So wachsen viele Jugendliche ohne Kenntnisse z.B. des Bürgerkrieges 1945-48 oder von anderen geschichtlichen Ereignissen z.B. die Militärjunta 1967-74 heran. Manche Jugendliche bezeichnen sogar im Nachhinein das ganze Erziehungssystem als 'kriminell', weil es die Kinder und Jugendlichen nur noch aufs Auswendig-Lernen trimmt, und nichts anderem. Der Grund dafür dürfte die harte Konkurrenz für einen kostenlosen Platz an der Universität sein. Es muss eine schwere Aufnahmeprüfung bestanden werden, und nur die die höchsten Noten haben, sie erhalten eine Platz an der Universität ihrer Wahl.

Gegeben ferner den negativen Mythos, dass öffentliche Schulen nichts taugen, schicken die meisten Eltern ihre Kinder wenn nicht auf kostspielige private Schulen, dann auf die sogenannten "Frontisio", wo sie besondere Klassen für Physik, Mathematik, Chemie usw. besuchen. Die Eltern zahlen dafür immense Summen, während das Kind nach zwei Jahren, wenn nicht länger, völlig ausgelaugt daraus hervor geht. Noch mehr deutet das auf ein Geschäftsmodell hin, das es versteht aus Ineffizienz (i.e. basiert auf dem Mythos öffentliche Schulen taugen nichts) Geschäfte zu machen.

Daraus geht hervor, dass das griechische Erziehungssystem bereits von Anfang an der Elite des Landes dient, oder zumindest es ist darauf zugeschnitten. Vom Kindergarten aufwärts geht die zukünftige Elite eher auf ausländische Schulen und Universitäten. (Was die Rolle einer Elite in einer Gesellschaft die sich im post kolonialen Zustand befindet, betrifft, das wurde sehr gut in einem Artikel The marketplace of voices by Waqas Khwaja erfasst. Er beschreibt was post-koloniale Politik von England bewirkt hat: die Teilung des Kontinents in Pakistan und Indien. Der Artikel erlaubt einen interessanten Vergleich zu Griechenland, da von einer der sozialen Wirklichkeit entfremdeten Elite ebenso beherrscht. Die Elite und ihre Sozialisierung segmentiert außerdem die Gesellschaft auf eine Weise die das Schmieden eines 'schwarzen Blocks' zugunsten bestimmter Interessen möglich macht. Während Simitis oder Kotzias in Deutschland studierten, waren Samaras und Jorgios Papandreou an Amerikanischen Universitäten. Das deutet auf zweierlei Probleme: 1) die Abtrennung von den "normalen" Menschen deutet auf ein spezifisches Problem hinsichtlich einer Wissensvermittlung zwecks Realisierung bestimmter gesellschaftlicher Modelle für Verwaltung und Wirtschaft hin, und 2) die griechischen Delegationen akzeptieren stets die Kriterien der bestimmenden Westmächte bzw. Europäischen Union, und insbesondere Hagen Fleischer betont wie wiederholt griechische Delegationen in Verhandlungen um eine Wiedergutmachung den deutschen Kriterien unterliegen.

Wichtig ist ob das Problem der Erziehung wirklich 'politisch' angegangen wird, oder stets von den jeweiligen Regierungen auf die lange Bank geschoben wird. Dabei dürfte in jeder Diskussion darüber der "Reform-Begriff" eine entscheidende Rolle spielen, wenngleich ohne einer philosophischen Konzeption - zu denken sei an Kants "Streit der Fakultäten' oder an Michel Foucaults "Ordnung der Dinge" als Wegweiser für mögliche Verbindungen durch konkrete Aufgaben der verschiedenen Fakultäten und ihren Fächern - das kaum vorstellbar wäre.

Interessanterweise identifizierte die Vize Erziehungsministerin von Syriza in einem Vortrag am Goethe Institut in Athen 2015 ein wichtiges Problem, denn sie behauptete "Kontinuität in der Geschichte kann nur dann wieder hergestellt werden, wenn die zerstörte Konsistenz im Denken überwunden worden ist."

Somit kommt es auch darauf an, ob es den Schülern und Studenten ermöglicht wird an Kursen zum Thema "Lernen aus der Geschichte" teilzunehmen. Die bereits oben zitierte Lily Gardner Feldner meint in ihrer Abhandlung wichtiger Voraussetzungen für Versöhnung, das unbedingt dazu gehören würde ein gemeinsames Geschichtsbuch d.h. von deutschen und griechischen Historikern erarbeitetes Buch, so dass die jeweiligen Perspektiven der anderen Seite einseh- und erlernbar sind. Doch Geschichte als Fach wird immer häufiger durch sogenannte "Memory Studies / Gedächtnisstudien" ersetzt, während es zwischen Deutschland und Griechenland es noch nicht zu einer gemeinsamen Aufarbeitung der modernen Geschichte gekommen ist. Festzustellen sind wesentliche Unterschiede die auf eine Nicht Wahrnehmung historischer Ereignisse hinauslaufen z.B. in Deutschland wird sehr selten, wenn überhaupt in ihrer offiziellen Erinnerungskultur Geschehnisse im Zweiten Weltkrieg in Griechenland behandelt, während griechische Studenten ohne wirkliche Kenntnisse für die Hintergründe des Bürgerkrieges oder für die Militärdiktatur von der Schule gehen.

       

    Am Eingang des historischen Museums, Berlin zur Ausstellung "Alltag/Einheit"

Die offizielle Erinnerungskultur in Deutschland läuft die Gefahr allzu sehr selektiv die Gedächtnisarbeit von oben her zu bestimmen und nicht mehr die von unten kommende zuzulassen. Die offizielle Haltung dazu würde in der Ausstellung 'Alltag, Einheit' erkennbar, insofern 'Einheit' obwohl ein höchst problematischer Begriff zu sehr überbetont wurde, so dass die Differenzen zwischen Ost und West nicht mehr zur Sprache kommen. Die Ausstellung diente eher dem ideologischen Zweck eben diese oft beschworene Einheit als Erfolg darzustellen. Es soll also keinen verwundern wenn Ost Deutsche sich permanent ausgegrenzt fühlen, und oftmals nur dann ihren unterschwelligen Zorn dann doch freien Lauf lassen, auch auch in der Pediga Bewegung. Allgemein wird allzu viel übertüncht und nur oberflächlich wahrgenommen. Zum Beispiel stand in der Ausstellung bloß ein Schild mit dem Namen 'Treuhand', aber weiter nichts, obwohl diese Institution weitaus mehr Schaden als etwas gutes im Osten angerichtet hatte.

In Griechenland besteht dagegen das Problem der Über-Identifikation, so als würde z.B. die Poesie den griechischen Geist nicht nur repräsentieren, sondern auch die Realität verändern können (George Fragopoulos). Das Hegen von Illusionen auf unterschiedlichen Ebenen verwechselt immer Patriotismus mit Nationalismus, wobei eine Leidensgeschichte hervorgekehrt wird, die reelles Leiden entstellt. Und das obwohl in Griechenland es eine Überschneidung von Poesie und Musik gibt z.B. Theodorakis komponierte Musik für Gedichte von Ritsos und darum fast alle das kennen, ja auch dann mitsingen wenn wo gespielt.

Wie es dazu kommt Kultur und das Erarbeiten eines vertraulichen als auch vertraubaren Selbstverständnis mit nationaler Identität zu verwechseln, ist etwas schleierhaft. Obwohl die griechische Dichterin Katerina Anghelaki Rooke zu sagen pflegt, heutzutage sei es sehr schwer zu sagen, "ich bin Griechin", ohne dabei als Nationalisten missverstanden zu sein, begehen viele diesen Fehler und reduzieren den Anspruch von Kunst auf die Produktion und Reproduktion von nationaler Identität. Dieses Missverständnis wird im Kulturbetrieb fortgesetzt, indem griechische Autoren zu Lesungen eingeladen werden, und nicht individuelle Künstler mit einem universellen Anspruch.

Interessanterweise sagte ein Direktor der Nationalen Galerie in Berlin, der beste Weg einen Künstler zu ruinieren, ist ihm einer bestimmten Nationalität zuzuordnen z.B. er sei ein polnischer, französischer oder italienischer Künstler usw. Die Frage die zu beantworten gilt, ist, ob Künstler und vor allem Dichter zu Brücken einer gegenseitigen Verständigung innerhalb bilateraler Kulturaustauschprogramme werden können. Mehr als nur zweifelhaft wäre es wenn sie nur eine polare Wahrnehmungswelt reproduzieren helfen, indem sie die Dinge fast auf ein klischeehaftes Image festlegen und faktisch nur dem System dienen.

Seit 2015 gibt es ein besonderes Projekt das von der Robert Bosch Stiftung in Zusammenarbeit mit dem Goethe Institut in Thessaloniki und dem Netzwerk soziokulturelle Zentren ins Leben gerufen wurde. Es handelt sich um das griechische-deutsche Stipendium- und Fortbildungsprogramm

START – Create Cultural Change

Gefördert werden zunächst 30 inspirierende Kulturmanager aus Griechenland kennenzulernen, die zwei Monate in Deutschland verbringen, um die Arbeit soziokultureller Zentren kennenzulernen. Anschließend werden 15 Fellows ausgewählt, um ihre Projektidee in Griechenland umzusetzen. Auf einer Veranstaltung am 29.September 2016 im Theater RambaZamba gab Prodromos Tsinikoris, Regisseur, Autor und künstlerischer Leiter der Experimentalbühne Minus Eins des Nationaltheaters von Griechenland, einen lebhaften Vortrag indem er als Kind griechischer Gastarbeiter und darum in Deutschland geboren, Antworten nicht nur auf die vielleicht wichtigste Frage eines Kulturmanagers “Why am I doing this?” gab, sondern ebenso schilderte wie er nach seiner Rückkehr nach Griechenland auf die Anmerkung "why did you come back? Are you stupid?" reagierte. Er stellte außerdem fest mit der Zeit wurde er gegenüber den üblichen deutsch-griechischen Themen skeptisch und suche seitdem andere Spielorte um wirklich Betroffene z.B. Obdachlose oder Leute die in Deutschland für einen Euro die Stunde arbeiten mittels Schauspielern mit den Zuschauern zusammen zu bringen.

 

Literatur als Brücke

Meine Mutter liebte ein besonders Buch von Robert Payne mit dem Titel "Ancient Greece" das eine Brücke zwischen damals und heute aufzeigt. Ich benutzte es als Grundlage für eine Ausstellung die ich gemeinsam mit Spyros Mercouris in einem Zug der durch Griechenland dann fuhr, organisierte bzw. ich gestaltete einen Wagen indem ich Sokrates auf die Reise schickte (siehe Train exhibition: a journey from Ancient Greece to Modern Athens by Hatto Fischer).

Als ich noch in Berlin auf der Knesebeckstraße wohnte und als Nachbar Ernst Schnabel hatte - wir trafen uns regelmäßig in der Rosalinde - lernte ich eine weitere Verbindung zu Griechenland kennen. Er war ein Autor der es verstand eine Brücke nach Griechenland zu schlagen. Er ließ die Menschen durch seine Radiostücke vom Reisen träumen oder durch seine Erzählungen sie in die dortigen kulturellen und historischen Besonderheiten einfühlen. Im Roman "Ich und die Könige" beschreibt er wie Dädalus für König Minos ein Labyrinth baut, aber da dem König das Geld ausging, konnte er keine Spiegel am Ende der Sackgassen anbringen. Schnabel fügt dem hinzu das war nicht weiterhin schlimm, kamen doch alle verändert aus dem Labyrinth heraus: die meisten älter, und nur wenige jünger. Seine Begabung war es einen literarischen Raum für Griechenland der eher menschlich als mythologisch zu verstehen war, zu schaffen.


                   

                   Die Geburt der Erde

Ähnlich ergeht es einem, wenn man in Zbiegniew Herberts Sammlung an Kurzgeschichten, veröffentlicht unter dem vielsagenden Titel: "Ein Barbar kommt in den Garten", eintaucht. Das Schlüsselerlebnis für Herbert ist bei einer Schiffsfahrt hinaus zu der Insel von Aegina, die vor Athen liegt, Felsen die wie Walfische plötzlich aus dem Wasser auftauchen, zu erleben, und ihm das Gefühl vermitteln erneut Zeuge "der Geburt der Erde" zu sein. Solch ein intellektuelles Erlebnis kann nicht vermittelt werden. Aber daraus entsteht der Inbegriff der griechischen Poesie und Philosophie der Antike: das "Wunder". Erst nach solch einem Erleben werden die Dinge, die Erde, das Universum und die Menschen anders betrachtet. Es setzt voraus eine lebendige sinnliche Wahrnehmung, und unabhängig davon eine Intellektualität die mit Fragen hervorgeholt aus dem Wunder weiter mit dem Denken kommt.

Es gäbe noch andere Hinweise wie bedeutsam die Antike in der deutschen Literatur war, und noch immer sein kann. Christa Wolfs "Kassandra" ist solch ein Beispiel, aber der Roman reflektiert selber die zu DDR Zeiten zugelassenen Kategorien von Literatur als erweiterter Kampfbegriff. Sie sollte die Mentalität des Westens unterwandern und Leute positiv zur DDR einstellen. Erlaubt waren Romane die eine von drei Kategorien erfuellten: Anti-Faschismus, Arbeiterheld und Antike.

Natürlich kehren Fragen nach der Antike immer wieder zum "Mythos" zurück. Das wird deutlich in der "Dialektik der Aufklärung" von Adorno und Horkheimer (1944), insofern die Beiden Odysseys Vorbeikommen an den Sirenen als die erste Trennung von Arbeit und Kunst (Lust) deuteteten. Klaus Heinrich hat als Religionswissenschaftler oft genug von der sogenannten Wiederkehr des Mythos als das wirklich Verdrängte gesprochen. Noch deutlicher wurde er in seinem Vortrag zu Antigone mit dem vielsagenden Titel "Staub und Denken". Der Staub spielt auch eine enorme Bedeutung in der Poesie und Reflexion von Hölderlin, der den Dialog mit den Göttern eher bevorzug als sich mit den rauhen Männern und deren groben Redensarten auseinander zu setzen. Nicht deutlicher könnte der Kontrast zwischen Süden und Norden poetisch gezeichnet werden, als was Hölderlin in seinem berühmten Gedicht "Brot und Wein" verfasste. Während seiner Meinung und Vorstellung nach im Süden die Leute nach Arbeit und der Schliessung des Marktes vor Ort verbleiben würden, um sich zu unterhalten, Wein trinken und sogar tanzen wollen, erlebe er ganz im Gegenteil den Markt in Stuttgart nach Schließung völlig 'Menschen-leer', da alle bereits nach Hause gegangen sind. Das kommt gleich dem Ladenschluss der sämtliche Gehwege leer fegt, und jeden fragen läßt wohin ist das Leben verschwunden.

Der Traum vom Leben im Süden hat etwas mit dem Wunsch nach einer anderen Lebendigkeit zu tun. Sie zog auch Mozart an der zwar nicht in Griechenland, sondern in Italian verblieb, aber da es liebte wenn vor seinem Fenster die Kinder spielten, die Nachbarn sich lautstark unterhielten, der Obstverkäufer beim Vorbeigehen lautstark seine Ware pries und über ihn eine Opernsängern ihre Stimme uebte. Nicht umsonst sprach Ernst Bloch von der bedeutsamen Unterscheidung zwischen 'Ruhe' und 'Friedhofsstille', wobei letzteres die Dichterin Katerina Anghelaki Rooke, als sie ein Stipendium für Residenz am Starnbergersee bekam, wundern liess ob sie bereits gestorben sei weil alles um sie herum so still geworden war.

Welcher Autor vermittelt dem griechischen Leser am ehesten Eindruecke vom Leben in Deutschland? Das ist schwer zu sagen. Es gibt selbstverständlich viele und verschiedene Querverbindungen, doch der große Unterschied scheint sich stets zu manifestieren: während diejenigen die Griechenland aufsuchen, oftmals den Mythos erleben wollen, bleibt dem griechischen Leser deutscher Romane etwas rätselhaft vor geschlossenen Türen stehen. Es ist schwer die deutsche Geschichte vermittelt durch die Literatur einfach zu beschreiben. Das kann auch mit der Sprache zu tun haben. Eine praktische Deutung dieses Unterschiedes müsste erstmals sorgfaeltig heraus gearbeitet werden, um etwas Bestimmtes aufzeigen zu können. Bis dahin ist es praktischer aufzuzeigen welche deutsche Autoren in Griechenland, und umgekehrt welche griechische Autoren in Deutschland bekannt sind. Dabei kann diese Übersicht nur ein Anfang einer Spurensuche sein.

Interessanterweise Socrates Kabouropoulos, lang-jähriger Mitarbeiter bei EKEVI, dem nationalen Buch-Centre, meint die deutsche Gegenwartsliteratur war nicht besonders populär in Griechenland. Anders bei der Elite, einschliesslich Akademiker und literaische Menschen. So werden seiner Meinung nach folgende Autoren gelesen und geschätzt:

Heinrich Böll (Gruppenbild mit Dame erst neulich wieder aufgelegt), Günter Grass (von Tin Drum zur Zwiebel), Hans-Magnus Enzensberger, Thomas Bernhard (all seine Buecher), Elfriede Jelinek (all ihre Bücher), Peter Handke (all seine Bücher), Heiner Müller, Christa Wolff, Anna Seghers, Martin Walser, Herta Müller (4 Bücher von ihr wurden uebersetzt nach Erhalt des Nobel Preises), einschliesslich, selbstverständlich, die Dichter Paul Celan und Ingeborg Bachmann (sie werden immer wieder neue Übersetzungen erfahren), bis zu den jüngeren Autoren, Bernhard Schlink, Ingo Schulze, Daniel Kelmann, Sven Reneger, usw., und Dichter wie Gerhard Falkner. Da gibt es auch eine erneute Interesse an älteren Autoren z.B. Stefan Sweig, Joseph Roth und Hans Fallada, und dies folgt einer ähnlichen Tendenz in der Englisch sprachigen Welt, während Rilke, Musil, Thomas Mann, Heinrich Mann, Hermann Broch und Alfred Döblin zu den Besten des 20zigsten Jahrhunderts als Klassiker gezählt werden.

Ein während der Junta-Zeit verfasster Roman hat über 35 000 Kopien in Deutschland verkauft, siehe

https://www.youtube.com/watch?v=yFcmsckg9vo

Nikos Dimou - Über das Unglück, ein Grieche zu sein (zdf ...

Auf dem Literaturfestival in Berlin wurde das Gedicht "der Flüchtling" von Yiorgos Chouliaras verlesen, während andere Dichter ebenso vorhanden sind u.a. in Wagenbach Katerina Anghelaki Rooke, oder Harris Valtinos, Titos Patrikos, waehrend die drei Grossen - Seferis, Elytis und Ritsos (letzterer wurde insbesondere vom Romiosini Verlag verlegt) - stets präsent sind. Hinzu käme noch Cavafy und weitere Dichter und Autoren

Premierminister Samaras, und sein Minister zuständig für Kultur, schließt in 2014 - 2015 EKEVI, das nationale Buchzentrum, das zwecks Förderung der griechischen Literatur eine veränderte Kulturpolitik in Griechenland darstellte.

In der Krise halten sich die Verleger selbstverständlich zurück und veröffentlichen kaum noch Bücher, oder sie schliessen ganz. Der Büchermarkt ist start betroffen. Autoren finden nur schwer den Weg zu einer Veröffentlichung. Insgesamt bleibt die griechische Literatur fast unbekannt auf der Ebene der sogenannten Weltliteratur.

Zum Beispiel, auf der Buchmesse in Frankfurt a.M. als Griechenland das Hauptthema war, wurden insgesamt 54 neue Titel ins Deutsche übersetzt und verlegt, seitdem ist das auf 1/5 geschrumpft.

Für weitere Information dazu, siehe

Socrates Kabouropoulos, “’The Age of Discontent’ – Greek publishing through six years of austerity”. Cultural Politics of the Greek crisis, Birmingham University, January 2016 https://culpolgreekcrisis.com/2016/01/12/the-age-of-discontent-greek-publishing-through-six-years-of-austerity/

 

Innerhalb von Deutschland ist interessanter Weise der traditionelle Verlag Edition Romiosini lange aktiv gewesen, um griechische Autoren dem deutschen Lesepublikum bekannt zu machen. Nachdem Nik Eideneir den Verlag dem von der Niarchos Stiftung geförderten Centrum Modernes Griechenland (CeMoG), eine wissenschaftliche Einrichung an der Freien Universität von Berlin, übergeben hat, werden neuerdings bislang unbekannte griechische Klassiker publiziert, u.a. die Trilogie von Stratis Tsirkas.

Das Centrum Modernes Griechenland ist eine Einrichtung des Fachbereichs Philosophie und Geisteswissenschaften an der Freien Universität von Berlin. Die Einrichtung wird durch die großzügige Unterstützung der Stavros Niarchos Foundation ermöglicht.

Centrum Modernes Griechenland (CeMoG)
Habelschwerdter Allee 45, D-14195 Berlin
http://www.cemog.fu-berlin.deinfo@cemog.fu-berlin.de
Fon: +49 30 838 58073 – Fax: +49 30 838 452211

Lena Divani findet sich wieder mit ihrer kleinen Geschichte mit dem Titel "Ein hungriger Mund" in einer Ausgabe "Kleine Sprachen - große Literaturen" Dresden (2016), als auch manche der Gedichte von Stamatis Polenakis.

 

Michaela Prinzinger

Wer sich besonders um literarische Brücken seit 2014 kümmert, ist Michaela Prinzinger. Sie hat einen Dialog Blog gegründet um griechische und deutsche Literatur im jeweiligen anderen Kontext von Griechenland und Deutschland bekannt zu machen. Sie vertritt folgenden Standpunkt:

"Kultur verbindet, das ist mein Credo. Kunst und Kultur bieten eine Kommunikationsform, mit der ungleiche Gesellschaften einander auf Augenhöhe begegnen können.

Ich nehme Kunst und Kultur außerhalb unserer Warenwelt wahr. Sie sind Aktivitäten freier Menschen, die sich in Bezug auf diese Tätigkeit aus dem Zwang der Lohnarbeit gelöst haben. Und auch Politik ist – wenn man Platon glauben mag – ein Handlungsmodell freier Menschen. In der Antike wurde sie durch die Sklavenarbeit ermöglicht, heute können wir uns frei dafür entscheiden, Politik selbst in die Hand zu nehmen. Deshalb engagiere ich mich für europäische Kulturpolitik im Rahmen der Beziehungen zwischen dem deutschsprachigen und dem griechischsprachigen Raum."

Quelle: https://michaela-prinzinger.eu/allgemein/400-deutsch-griechische-begegnungen-diablog-eu/

Weg vom bilateralen Verhältnis: die Europäische Dimension

Es nützt nicht viel nur im bilateralen Vergleich zu verbleiben. Das verleitet allzu oft zu groben Entstellungen auf der jeweils anderen Seite. Viel wichtiger wäre zu fragen wie die beiden Länder einen Weg aus einem vertrackten bilateralen Verhältnis hinaus kommen könnten, um die Europaesche Dimension gemeinsam mit Leben zu füllen. Allerdings stellt sich da bereits die Frage angesichts der Dominanz von Deutschland innerhalb der EU, inwiefern Deutschland sich in die Europaesche Gemeinschaft integrieren will oder eher eine EU nach deutschem Recht und Wirtschaftlichen Prämissen gestalten will? Diese Frage ist nicht leicht zu beantworten, obwohl es angesichts des enormen Einfluss von deutscher Seite aus es wenige Beispiele gibt, wo Deutschland und Griechenland gemeinsam versuchen die Europaesche Gemeinschaft zu stärken. Dabei hätten beide sehr viel gewonnen, wenn sie das täten. Der demokratische Grundgeist der griechischen Gesellschaft ermöglicht eine menschliche Solidarität und Umgangsweise, die oftmals im rauen Norden vermisst wird. Umgekehrt könnte die wirtschaftliche Zusammenarbeit auch noch andere Marktkonzepte entwerfen und zulassen, gegeben das Mittelmeer bezogene Verhältnis zwischen Kultur und Wirtschaft. Aber dieser wichtige Bestand ist durch die Finanzkrise in Griechenland stark gefährdet, während die Europaesche Dimension selten von allen Parteien wirklich erfasst und mit Leben gefüllt wird.

In einem Bericht über das Verhältnis Deutschland - Griechenland von

https://de.wikipedia.org/wiki/Deutsch-griechische_Beziehungen

geht ziemlich deutlich hervor, dass Griechenland stets deutsche Standards z.B. bei Versicherungen übernehmen musste, und darum einseitig zu Ungunsten belastet wurde. Das wurde besonders durch die Europa-Politik von Helmut Kohl forciert, und stellt wiederum die Frage, wie kam es dazu, dass Griechenland sich dem hat beugen müssen? Denn historisch wird dadurch eine Grundtendenz deutlich: Griechenland wurde im Zweiten Weltkrieg am meisten von deutscher Seite ausgebeutet, und das setzte sich in der Nachkriegszeit fort: deutsche Firmen fanden im griechischen Markt einen günstigen Absatz, wenngleich vieles überhöht kostete und somit zu Lasten des griechischen Staatshaushaltes ging. Ein Ausgleich wurde dadurch arrangiert, indem der griechische Staat überproportional zu seiner wirklichen Wirtschaftskraft enorm viel Geld für Bewegungsgesteuert ausgab.

Angesichts dieser einseitigen Entwicklung zum Nachteil der griechischen Seite kann gefragt werden, wieso wollen dennoch eine Mehrheit der Griechen in der EU und in der Eurozone verbleiben? Diese Grundhaltung kann nicht nur wirtschaftlich oder politisch erklärt werden. Vermutlich fühlen sich die Griechen eher in der EU "aufgehoben", wohl wissend um die Schwäche ihrer eigenen politischen Elite, die sich selten an Grundlagen des gemeinsamen Lebens halten. Eher suchen sie Vorteile für sich selber, und darüber hinaus geben sich einer Illusion hin, progressive Gesetze bedeuten automatisch eine gute Praxis, wenn in Wirklichkeit die Gesetzgebung ständig unterlaufen wird. Hier ist die Kritik von Seiten der EU eine wichtige Korrektur.

Philhellenismus oder Begeisterung auf griechischer Seite für deutsche Qualität reichen nicht aus das Phänomen einer starken Einbindung in die EU zu erklären. Womöglich wirkt immer noch die Hoffnung nach, dass die EU es schaffen wird einen gerechteren Ausgleich zwischen allen Ländern und Regionen herzustellen. Schließlich weist die griechische Gesellschaft in ihrer jüngsten Geschichte eine große Armut aus. Der Strukturfond ist dafür bestimmt das zu beheben.

Bei dieser Hoffnung schwingt natürlich mit, dass Griechenland durch den Strukturfond sehr viel Geld erhält, doch angesichts der Krise, die sich daraus ergab, kommen viele Griechen heute zum Schluss, will man ein Land ruinieren, dann müsse man es nur viel Geld geben. Nur selten werden die Politiker verantwortlich damit umgehen. Ein positives Beispiel liefert dagegen Norwegen das das neue Geld Dank des Öls in die Zukunft investierte, insofern ein besonderer Fond angelegt wurde.

Was aber kann wirklich zur Europäischen Dimension gesagt werden? Der einzelne Bürger reduziert sich nicht mehr nur auf seine nationale oder regionale Identität, sondern sieht in der Europäischen Dimension die Möglichkeit aus der Identität als Nicht-Identität (Adorno) ein viel umfassendes Selbstverständnis zu gewinnen. Die offenen Grenzen, die gemeinsame Währung, der Europäische Gesundheitspass, die einheitlichen Regulierungen für den einen Markt, hat sowohl seine Vor- als Nachteile, aber dennoch entspricht das noch nicht einem kulturellen Selbstverständnis. Dennoch kann ein jeder mittels Goethe, Shakespeare, Dante, Homer usw. eine Europäische Identität auf solch einer Basis weiter entwickeln. Der übliche Fehler den fast alle Nationalstaaten machen, ist jeden Flüchtling vor einem falschen Entweder/Oder zu stellen: werde Franzose oder bleibe draußen. Die Europäische Dimension kann da eine Vermittlerrolle zwischen den beiden kulturellen Zugehörigkeiten spielen, und darüber hinaus eine neue Grundlage für ein weiteres Denken an die Zukunft von Europa in der Welt sein.

 

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