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Im Lichte der Poesie, im Schatten der Philosophie

Im Lichte der Poesie zu stehen, ist ein einmaliges Erleben. Ermöglicht von Menschen die zuhören, wird die poetische Stimme vernommen, etwas das Peter Brooks bezweifelt sei in dieser globalen Welt noch möglich. Das Vortragen kann durchaus eine Performance sein, ist aber primär ein Dialog zwischen Dichter und Publikum. So werden heuristische Elemente in die Gesellschaft hinein getragen. Pablo Neruda machte die Erfahrung als er Arbeitern des Zentralmarktes von Santiago am frühen Morgen seine Gedichte zum Spanischen Bürgerkrieg vortrug, Dank deren Zuhören zum ersten Male seine Gedichte verstand. Solch eine Art Erhellung ist mehr als nur Erkenntnis.

         

       Die Zuhörer bei der Eröffnung des 26zigsten Welt Poesie Festivals in Medellin

Ein gutes Beispiel fürs Stehen im Lichte der Poesie liefern die Erlebnisse mit den Zuhörern auf dem 26. Welt Poesie Festival das in Medellin, Kolumbien vom 18 bis zum 25 Juni 2016 statt fand (siehe World Poetry Festival in Medellin, Colombia 2016). Wenngleich jeder Dichter etwas anderes vortrug, so war allen etwas gemeinsam: das Hineintragen der Poesie in die Gesellschaft. Die Lesungen fanden an verschiedenen Orten innerhalb und außerhalb von Medellin statt. Manche der Orte können durchaus als öffentliche Bibliotheken bezeichnet werden. Dort gaben die Menschen durch ihre Interaktionen zu erkennen, dass die ganze Gesellschaft in Bewegung zugunsten des Friedens geraten war; am 23 Juni 2016 wurde der provisorische Friedensvertrag unterzeichnet, um endlich sechzig Jahre Krieg zu beenden.

Etwas weiteres fiel während des Festivals auf. Obwohl viele Dichter Interesse an philosophische Reflexionen zeigten, wurde doch sehr schnell evident, dass die Poesie in den Schatten der Philosophie geraten kann da die lyrische Stimme leicht in längeren Texten von der Philosophie übertönt wird. Zwar protestierten die Dichter dagegen, aber in Wirklichkeit können sie nicht den philosophischen Fragestellungen ausweichen. Klar war allerdings, dass sie nicht damit einverstanden waren wenn jemand vor dem Vortragen eines Gedichtes noch philosophische Erläuterungen hinzu fügte. Sie waren der festen Meinung ein Gedicht solle imstande sein für sich selber zu sprechen. Dabei können solche Erläuterungen den Kontext in dem das Gedicht entstanden ist, verständlicher machen, als auch die Verbindung zwischen Poesie und Philosophie aufzeigen.

Dass die Philosophie aus der Poesie in der Antike hervorging, scheint in Vergessenheit geraten zu sein. Ein Grund dafür mag die über Jahrhunderte bestehende Verbindung zwischen der Theologie und Philosophie sein. Seit dem Aufkommen des Christentums wurde immerzu ein Gottesbegriff beschworen. Er ersetzte den Pantheismus der Antike, und wurde erst durch Kant mittels eines Vernunftbegriffes hinterfragt. Bis dahin galt als oberstes Prinzip die Bewahrung einer 'heiligen' Verbindung zwischen Gott und Mensch. Alle Dichter und Philosophen mussten sich ebenfalls daran halten. Kein Wunder dass Kant vor allem bei Hegel, Hölderlin und Schelling Freude hervorrief da er die Decke der Orthodoxie durchbrach und der Regelung vom menschlichen Verhalten nicht nur durch die Vernunft bestimmen liess, sondern auch ein neuartiges moralisches Prinzip entwarf.

Ob die Poesie dem Typos christlicher Hymnen in Anlehnung an die Gebetsform weiterhin verfolgte, kann eine Anthologie eher aufzeigen. Dabei sei an eine Kontinuität von Alexander Popes 'Verlust des Paradies' bis zur christlichen Echalogie eines Eliots, der Dichter von 'Wasteland', zu denken. Dennoch rangen die Dichter rangen um eine weltliche Auffassung. Das ist besonders der Fall wenn sie die moralische Stimme erheben wollten. Selbstverständlich hängt das eng mit der Rolle die Dichter in der Gesellschaft einnehmen. Weiter unten wird deswegen der Dichter als wichtigste Figur neben im Pfarrer in der Irischen Gesellschaft thematisiert. Ferner vermutete Sigmund Freud zu Recht der Dichter träge seit Virgil viel mehr zum Mythos von Herrschaft und des Staates bei. Obwohl noch keine klare sakuläre Ausdrucksform, dennoch deutet solch eine Gedichtsform und der ihr Gebrauch in Richtung eine andere Einheit oder vielmehr Verbindlichkeit die nicht unbedingt unter dem Gottesbegriff subsumierbar ist.

Anders die Philosophie die mittels einer absoluten Idee das Wissen zu verheitlichen versuchte aber ohne dabei den Gottesbegriff völlig in Frage stellen zu wollen. Das war eine schwierige Balanze. Bloch macht darauf aufmerksam Descartes vermochte nur die Inquisition zu vermeiden bzw. die Kurve zu kratzen wenn er seine philosophischen Sätze formulierte, indem er sehr viel Rotwein zu sich nahm. Schließlich wurde der Philosoph Giordano Bruno von der Inquisition verklagt und auf einem Scheiterhaufen verbrannt. Es war also nicht ungefährlich zu dichten und zu philosophieren, und das in einer Welt in der Rom lange vorherrschte. Nur mit größter Vorsicht konnten eigenständige Ausdrucksformen gewagt werden, denn sehr schnell konnte der Ketzer-Inbegriff erneut angewendet werden, um den Unschuldigen zum Schuldigen zu erklären. Wollte also vermieden werden an den Pranger gestellt zu werden, blieb keine Alternative als ein Bekenntnis abzugeben.

Wenn nicht direkt der Glauben an einen Gott beschworen werden musste, dann doch eine Einheit die die Ordnung auf der Welt möglich mache. In der Regel lief das auf eine Pflicht die herrschende Macht anzuerkennen hinaus. Entsprechend fiel die Weltanschauung aus. Kant nannte das die 'Einheit der Apperzeption', während Hegel einen Schritt weiterging und den absoluten Geist beschwor. Entsprechend diesen Entwicklungen krystallisierte sich der neue Staat heraus und mündete früher oder später in einem totalitären Herrschaftsanspruch der jegliche freie Poesie oder Philosophie unmöglich machte.

Außer Religion und Kriege um verschiedene Territoriums unter einem Herrschaftsprinzip zu zwingen, dürften Ort und Zeitgeschehnisse darum fürs Verstehen eines Gedichtes entscheidend sein. Vor allem war Datum und Ort für Derrida sehr wichtig als er Paul Celans Gedichte interpretierte. Beide markieren das Gedicht. Solch eine philosophische Deutung des Gedichtes reflektiert zugleich die Krise der bisherigen Philosophie. Nicht unwichtig ist deshalb dass Derrida die These vertrat das Ende der bisherigen Philosophie sei gekommen, und müsste sich deshalb der Literatur zuwenden, um erneut einer lebendigen Sprache abermals habhaft zu werden. Diese These wird weiter unten im Teil 'Literatur als Vermittler' diskutiert.

Außerdem mag der Grund für die Ablehnung der Philosophie bei etlichen Dichtern ein tiefes Unbehagen sein. Versuchen sie sich ihrer anzunähen, bekommen sie etwas zu spüren, dass die Philosophie beherrscht und der Form nach einem Gedicht widerspricht, nämlich 'die Macht der Abstraktion'. Zurecht fürchten Dichter, würden sie solch abstrakte Reflexionen adoptieren, können sie leicht ihr kreatives Potential Gedichte zu schreiben, gefährden, wenn nicht sogar zerstören. Später wird eine Kurzformel als Erklärung des Unterschiedes zur Philosophie verwendet, insofern die Poesie eine andere Logik folge.

Ein Gedicht kann ganz schnell als etwas künstlich erzwungenes erscheinen wenn einer sinnlich wahrnehmbaren Sprache beraubt. Es liesse das Gedicht in Atemnot geraten. Zusätzlich läuft das Gedicht der Gefahr an dichterischer Qualitaet zu verlieren wenn einmal akademischen Interpretationen preis gegeben. In einer analytischen Vorgehensweise wird weniger das ganze Gedicht gehuldigt als vielmehr zerlegt, um den Inhalt aber auch der poetischen Form nach kategorisch einzuordnen. Ein gutes Beispiel dafür liefert die Analyse von Brendan Kennelly's Gedichten bei zwei Autoren (siehe Hearing voices in the poetry of Brendan Kennelly https://www.cs.tcd.ie/Carl.Vogel/01VogelBrisset.f.pdf ). Die Dichter wehren sich gegen solche philosophische Interpretationen weil es ihrem Empfinden nach dem Gedicht nicht gerecht wird. Ja, sie gehen sogar einen Schritt weiter und vergleichen diese Versuche ein Gedicht zu zerlegen mit einem Jungen der sehen will wieso ein Käfer sich bewegen kann, darum ihn auseinander reisst und dabei das Lebendige des ganzen Lebewesen tötet.

Anderseits kann eine analytische Reflexion deutlich machen, dass ein Gedicht als Bedeutungseinheit begrenzt ist und die vorgegebene Realität viel umfassender ist, demnach auch nicht mittels einer 'imaginären Poesie' geleugnet werden kann. Wenn z.B. Leonard Cohen behauptet die Kräfte des Marktes existieren gar nicht, alles sei nur Fiktion, weckt er zwar bei seiner Gefolgschaft so etwas wie eine magische Hoffnung die Marktkräfte seien überwindbar, aber solch eine 'irrationale Utopie' kann kaum über die Realität hinweg täuschen. Allerdings zeigt das der poetische Liedermacher von 'Mary Ann' durchaus erheblichen Einfluss auf mentale Einstellungen hat, aber bei näherem Hinsehen verleitet das zum Vermeiden kritisch das Funktionieren des Systems zu hinterfragen. Verschwiegen wird obendrein eine bestehende Ohnmacht gegenüber den Marktkräften aber womit die Erfolgreichen auf verführerische Weise spielen.

Gedichte können ungerechte Zustände in der Gesellschaft zwar anprangern, aber erst durch eine Analyse der Begriffe wird es möglich sein die Gründe dafür aufzuzeigen und zu klären. Jürgen Habermas verdeutlichte in seiner Rede zu Europa anhand des Solidaritätsbegriffes was innerhalb der Europäischen Union droht abhanden zu kommen wenn der demokratische Defizit nicht überwunden wird. (siehe Jürgen Habermas: Ach, Europa. Kleine politische Schriften XI, Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 2008. 192 S.).

Die Abstraktion kommt mittels einer Begriffssprache zustande und kann analytisch zeigen wozu ein Gedicht nicht imstande ist, insbesondere wenn nur auf sich selbst bezogen. Hinzu kommt noch wird Gedicht einmal in aller Öffentlichkeit frei gegeben, entwickelt es ein eigenständiges Leben vom Dichter selber. Will man aber darüber diskutieren, wird das meistens durch die Dichter selber begrenzt, weil sie nur Dichter bleiben wollen. Sie hören der Regel gerade da auf, wo erst die kritische Reflexion beginnt. Dabei kann der Übergang von einem Gedicht zu einem weiteren Prosa-Text zum allgemeinen Wissen beitragen.

Die Poesie ist durchaus imstande als Erste auf etwas innerhalb der Gesellschaft aufmerksam zu machen, etwas das oftmals allzu gerne übersehen wird z.B. wer die wirklichen Leidtragenden sind. Selbstverständlich sind dazu weitere Schritte nötig, ehe die eine Stimme erhalten und die Gründe für ihr Leiden von Seiten der Gesellschaft wahr genommen wird.

Es besteht ein weiterer Grund für sehr begrenzte öffentliche Diskussionen. Marx warnte davor, dass die Menschen nur dann bereit sind Probleme anzuerkennen wenn für sie bereits Lösungen vorhanden sind. Eine positive Problematisierung ist damit ausgeschlossen, obwohl die Lösung erst in der Suche nach einer passenden Definition des Problemes zu finden ist.

Die Poesie mag da eine Differenz setzen. Sie ist imstande Probleme auch dann zu benennen wenn es keine Lösung dafür gibt. Vermeidet sie die Falle der Vergeblichkeit wegen des menschlichen Scheiterns wann immer eine Unsterblichkeit angestrebt wird, kann sie am ehesten überzeugen wenn sie sich jenseits von Politik artikuliert und darum sich nicht einer pauschalen, gleich der üblichen rhetorischen Polemik hingibt. Das Eingehen auf andere Menschen, und vor allem auf die wirklich Leidtragenden verlangt außer Emphatie und Phantasie eine behutsame Vorgehensweise und eine kritische Haltungen gegenüber falschen Verallgemeinerungen. Im Unterschied dazu machte Thomas Bernard auf die Kunst der 'Übertreibung' aufmerksam. Als Stilmittel kann das durchaus im Gedicht verwendet werden. Van Gogh nannte es die größte Kunst überhaupt wenn trotz Übertreibung das Gesetz der Proportionalität respektiert wird. Das besagt das Stimmige ist in einer Verhältnismäßigkeit zu suchen und zu finden.

Das Allgemeine wird in der Philosophie als Gegensatz zum Besonderen formal abgehandelt, wobei weder die Logik der Deduktion noch der Induktion kein schlüssiges Urteil zum Ganzen laut Karl Popper zulässt. Das Ganze bleibt also höchst problematisch und kann nicht durch bloße Behauptungen ersetzt werden. Das aber geschieht leicht wenn viele einer politischen Polemik verfallen und anfangen allgemein über 'die Griechen' oder 'die Deutschen' zu reden, so als gäbe es solch einen allgemeinen Typus von Mensch.

Leider wird außerdem sehr häufig übersehen, dass die Poesie (und nicht nur das Wort) am Anfang einer neuen Entfaltung an Wissen stehen kann. Zuerst kommt das Gefühl und die Intuition, dann die Formulierung einer Hypothese, wenngleich ein Gedicht weniger einem Experiment gleicht. Praktisch kommt es gleichfalls auf den weiteren Validierungsverlauf an, um das bloß am Anfang vermutete nicht einfach zu beenden, sondern wie einen verletzten Vogel in der Hand zu tragen bis imstande erneut zu fliegen.

Spätestens dann wirkt sich die Begrenzung auf nur die Poesie negativ aus, wenn Dichter zu Spezialisten in ihrer eigenen Kunstsphäre werden und sich nicht mehr für andere Themen interessieren. All das hat Brendan Kennelly nach all seinen negativen Erfahrungen auf Poesie Festivals zu seinem Buch "Poetry my Arse" veranlasst. Er lehnt darin ab, dass die Dichter, einmal nur unter sich, jeder bloss ans Vortragen der eigenen Gedichte denkt, aber kaum darüber hinaus imstande ist aus Verantwortung zur Gesellschaft und in Reaktion auf was zur Zeit geschieht, zum öffentlichen Diskurs beitragen (siehe Katelyn Ferguson „Brendan Kennelly“ Trinity Writers, https://www.tcd.ie/trinitywriters/writers/brendan-kennelly/).

Die Beschreibung der Dichter von Günter Grass in "Das Treffen in Telgte" geht in eine ähnliche Richtung. Im Buch selber werden die Barock Dichter beschrieben. Sie versuchen durch ihr Zusammenkommen im dreißig jährigen Krieg zumindest durch die Vereinheitlichung der deutschen Sprache zum Frieden beizutragen. Indirekt meint Günter Grass aber auch die Gruppe '47 um Werner Richter.

Augenblicklich schmällert eine aufs Internet/Computer basierte Kommunikation die Sicht auf die Verschiedenheit von Texten, obwohl Notizen, Tagebucheintragungen, Berichte, Essays, kurze Geschichten, Romane, Analysen usw. alle ihren besonderen Stellenwert haben, so auch die Verschiedenheit in Ausdrucksformen, Themen, Inhalten usw. der Poesie. In der Gegenwart drückt sie die kulturelle Vielfalt, die verschiedenen Sprachen und Dialekte womöglich realistisch bezogener aus, als manche politische Erklärungen zur kulturellen Vielfalt. Trotzdem sind Dichter wie Gabriel Rosenstock enorm besorgt um den Erhalt von Sprachen die im Schatten der imperialistischen z.B. die Englische existieren. Ständig versucht er die Diskriminierung der Irischen Sprache zu widersprechen. Andere Dichter, u.a. Merlie M. Alunan in den Philippine versucht mit ihren Studenten jene lokale Sprachen zu retten die noch keine eigenen Texte verfügen, um sie an zukünftige Generationen weiter zu reichen, sondern sich nur auf mündliche Überlieferungen verlassen.

Sinnvoll wäre es wenn Poesie und Philosophie in Dialog miteinander treten, um in einem fruchtbaren Spannungsverhältnis den Wert an Verschiedenheit von Texten auf die Ebene gesellschaftlicher Reflexionen zu heben. Das kann neue, oftmals unerwartete Zusammenhänge aufzeigen. Kunst im Allgemeinen, aber vor allem die Poesie im Besonderen kann durchaus die philosophische Erkenntnistheorie substanziell mittels einer sinnlichen Sprache ergänzen und vertiefen. Es würde auch die Kluft zwischen den Menschen und den Experten überbrücken helfen. Schließlich zeigte Parmenides das die Poesie zu genauen physikalischen Beobachtungen fähig ist, und deshalb eine neue Innovation fürs Rad einleiten kann. Thomas Kuhn nannte das den Paradigma Wechsel in den Wissenschaften.

Gerade die Poesie zeigt sich immer wieder als imstande neue Fragen zu stellen, Fragen die als eine positive Problemtisierung weiter entwickelbar sind. Darum können Gedichte Anregungen zu einer anderen Denkart und Sichtweise oftmals unerhofft beitragen. Während zum Beispiel Seamus Heaney Erinnerungen an die rurale Landschaft seines Vaters festhält, zeigt er zugleich einen Horizont auf der einen ahnen lässt wohin die Reise gehen wird. Die Zukunft und das noch Unbekannte kann nach seiner poetischen Beschreibung bereits in der Kindheit vorweg genommen werden. Das Auge kann im Gedicht den Flug der Phantasie dorthin folgen und die Erwartung als Frage was steckt hinter jenem Horizont erfassen. Folglich kann eine schöne freie Hand als Vergleichnis zu den kilometerweit gewölbten Telegrafen Masten heran gezogen werden, um die Verhältnis-mässigkeit zur wirklichen Entfernung unmittelbar und poetisch herzustellen. Oft erstaunt die Poesie indem sie aus solch kleinen Details eine ganz unerwartete philosophische Betrachtungsweise hervorzubringen vermag.

Jede Analogie reflektiert das in der Poesie stets gesuchte Verbindungselement zwischen den Teilen und dem Ganzen, etwas das in der Philosophie seit Heisenberg und seiner Wahrscheinlichkeits-Theorie in Frage gestellt wurde. Adorno widerlegt sogar Hegel, indem er meint das Ganze sei das Unwahre. Ein Gedicht tut sich da weniger schwer wichtige Zusammenhänge als Verbindung des Menschen zur Welt herzustellen. Seamus Heaney zeigt das anhand von Kindern die noch staunen in welch eine Welt sie hinein geboren wurden.

The Railway Children

When we climbed the slopes of the cutting
We were eye-level with the white cups
Of the telegraph poles and the sizzling wires.

Like lovely freehand they curved for miles
East and miles west beyond us, sagging
Under their burden of swallows.

We were small and thought we knew nothing
Worth knowing. We thought words travelled the wires
In the shiny pouches of raindrops,

Each one seeded full with the light
Of the sky, the gleam of the lines, and ourselves
So infinitesimally scaled

We could stream through the eye of a needle.

 

Seamus Heaney

Die Eisenbahn-Kinder

Als wir rauf kletterten den gemähten Hängen
Befanden wir uns auf Augenhöhe mit den weißen Tassen
der Telegrafen Masten und den knisternden Drähten.

Gleich einer schönen freien Hand waren sie kilometerweit gewölbt
Osten und Meilen West jenseits von uns, schlaff unter der Last der Schwalben.

Wir waren noch klein und dachten, wir wussten nichts
Gut zu wissen. Wir dachten Worte reisen entlang den Drähten
In den glänzenden Beuteln der Regentropfen,

Jedes ausgesät voll mit dem Licht
Des Himmels, der Glanz der Linien, und wir selber so unendlich skaliert

Wir konnten durch das Auge einer Nadel strömen.

Seamus Heaney


Übersetzt aus dem Englischen Hatto Fischer

 

Die Zeit zu bestimmen ohne sie festhalten zu wollen, das gelingt selten, aber wenn, wirkt das Gedicht wie 'gemacht' von selbst. Als metaphorisches Gebilde ähnelt es einem Bild aber beim Lesen bzw. Vorlesen entsteht eine Abfolge die ein Leben das niemals still steht, reflektiert. Poetisch kann das als ein Dilemma der Demokratie dargestellt werden. Es besteht darin, dass die Menschen vergeblich nach einer Unsterblichkeit streben obwohl ihr Leben endlich ist, und darum sich immer mehr einer Verzweiflung preis geben weil nicht länger mittels der Kultur angehalten auf der positiven Seite zum Leben zu bleiben (siehe The poetics of life versus the poetics of death - Katerina Anghelaki Rooke (1994)). Sich nicht mit der Endlichkeit des Lebens abfinden zu können, stellt eine besondere Tragik dar. Sie wird anders verstehbar wenn einmal durchs Gedicht zugänglich gemacht. Das ist der Fall von Dileep Jhaveri erstaunlichem Gedicht 'Demokratie' (siehe The poem 'democracy'). Daraus kann eine wichtige Aufgabe für die Kultur gefolgert werden. Sie soll das Streben nach Unsterblichkeit verhindern, insofern die Menschen sich in ihrer Endlichkeit, sprich Sterblichkeit, akzeptieren und lernen die Kontinuität des Lebens durchs lebendig Halten von Erinnerungen an die anderen bewahren. Das mündet in eine besondere Gedächtnisarbeit die nicht mit Ahnenforschung und deretgleichen zu verwechseln ist. Eher ist der Bezug auf den anderen ein Weitermachen da wo der andere aufhörte. Leider fehlt diese Art einer kontinuierlichen Arbeit imstande Neues aus dem bereits Erreichten oder Erzielten zu schöpfen.

Nicht umsonst meint der Schriftsteller Solschenitzyn Fortschritt in der Kunst gäbe es in diesem Sinne nicht den die selben Grundfragen des Lebens müssen stets neu beantwortet werden, aber das gelingt um so mehr wenn dieser Bezug aufs bereits in der Vergangenheit Ausgesprochene oder Entwickelte nicht ausgeklammert wird. Wenn Perikles der Antike meint der beste Schutz der Stadt Athen sei keine Armee, sondern aktive Bürger die sich an sämtlichen Entscheidungen beteiligen, dann hat das immer noch relevanz insbesondere in einer Zeit wenn fast jeder Politiker Bürgerbeteiligung zwar anspricht, aber die Realisierung davon sehr zum Wünschen übrig lässt. 

Philosophisch gelingt das Erarbeiten von Kontinuität indem mit Konsistenz etwas bearbeitet wird, und das solange bis eine Klärung einen Begriff ergibt der den gesamten Zusammenhang erhält. Hierzu bedarf es einer Vermittlung zwischen dem natürlichen Ablauf von Geburt bis zum Tode und dem menschlichen Anliegen auf dieser Erde bewusst, ja gestalterisch und frei zu leben. Leider vernachlässigt die Philosophie geradezu diese Vermittler-Rolle. Stattdessen hat sie sich wegen der Vergeblichkeit des Festhaltens der Zeit einer Logik der Transzendenz verschrieben. Faktisch verbindet sie einen vagen Wahrheitsbegriff mit einer illusionären Unsterblichkeit der Begriffe so als haben die Gültigkeit über sämtliche Zeiten hinweg. Das damit verbundene Problem wird deswegen noch weiter unten zu besprechen sein.

Eben wegen dieser Differenz zwischen Verbleiben in der Realität und einem illusionären Abheben, anders genannt die Flucht ins Irreale eines Mythos der Unsterblichkeit, wären Dichter und Philosophen gut beraten wenn sie sich weit aus mehr mit der Bestimmung von Zeit befassen würden. Zeit als Abfolge einer bestimmten Sequenz zeigt das folgende Gedicht: erst muss das Gartentor geöffnet werden ehe die rostigen Scharnieren einen Schrei ausstossen können.

Orientierung

 

Augen leuchten auf

wenn ein Kind lacht

oder der Vogel

im Flug

mit dem Wind

schwatzt.

 

Alte Scharnieren stoßen

einen rostigen Schrei aus

wenn Leute das Gartentor öffnen,

und sich auf den Weg zur Arbeit

in der Stadt machen.

 

Hatto Fischer

 

Sowohl Dichter als auch die Philosophen folgern unterschiedliche logische Konsequenzen aus dem, was sie wahrnehmen und begreifen lernen. Das Lernen beginnt bereits beim ersten Versuch einem Inhalt eine bestimmte Form zu geben. Stets muss darauf geachtet werden, dass Faktizität und funktionale Struktur überein stimmen. Eine Person kann noch nicht an einem Computer sitzen wenn sie vor der Einführung dieses Mittels praktisch datiert an einem Schreibtisch sitzt. Sie kann sich lediglich dem alten Klapper - ansonsten Schreibmaschine genannt - bedienen. Ansonsten geht der Bezug zur wahrnehmbaren Realität sofort verloren. Der Maler Roger Servais meint sogar ein Bild hat etwas so zu darstellen, dass bei der Beschreibung ein Blinder sich die Funktionalität des Vorgegebenen vorstellen kann. 

Aber selbst wenn dem Prinzip nach Dichter der Aufforderung sie sollen sich mehr mit der Philosophie zu befassen, zustimmen, tun es die wenigsten von ihnen in Wirklichkeit. Vermutlich liegt es an sehr unterschiedlichen Vorgehens- bzw. Schreibweisen, zumal die Dichtung zu einer ganz anderen Wahrheitsauffassung als die Philosophie verleitet. Bekannt ist dass Dichter den Anspruch auf eine subjektive Wahrheit erheben, obwohl Adorno in seiner Vorlesung 'Lyrik und Gesellschaft' dem widersprach. Der Philosoph war überzeugt jedem Gedicht liegt auch eine objektive Struktur zugrunde. Die subjektive Behauptung des Dichters mag von der Erfahrung, wie ein Gedicht entsteht, herrühren. Oftmals gleicht das einem fast unbewussten Vorgehen. Im Unterschied zur Dichtung beansprucht die Philosophie eine bewusste Vorgehensweise und nimmt darum in den seltesten Fällen Rekurs aufs Unbewusste eines Sigmund Freuds. Der war wiederum so ehrlich zuzugeben er habe keine Antwort als Einstein ihn fragte ob er die Gewalt bei Menschen erklären könne. Die Begrenzung von was den Anspruch auf validiertes Wissen erfüllt, ist dabei sehr wichtig.

Das Verfassen eines philosophischen Textes bedarf der Anstrengung des Begriffs (Hegel) im Bezug auf ein umfassendes Wissen um Konsequenzen sobald diese oder jene logische Abfolgerung nicht beachtet wird. Einst war die philosophische Methode das Durcharbeiten des Widerspruchs. Die zu vermitteltende Idee wird dabei erst im Ausarbeiten einer Grundthese erkennbar. Heutzutage ist diese Erkenntnistheorie durch dem vom Computer System abgeleiteten 'iterativen Prozess' ersetzt worden. Das Weitergehen folgt dem Entweder/Oder alternativen Entscheidungsprozess. Cornelius Castoriadis meint solch ein Denken kann keine wirklichen Fehler entdecken da ohne mit dem Widerspruch zu arbeiten, die Diskrepanz zwischen Theorie und Praxis weniger auffällt. Das Ganze verbleibt in einer sogenannten System-Immanenz die ledigliche Spontaneität unterdrückt (Lohmann). Letzteres ist bereits unmittelbar ans Funktionieren eines Staates gebunden.

Poesie vermittelt dagegen menschliche Erfahrungen die durch sinnliche Eindrücke entstehen. So kann durch wortkarge Beschreibungen die Landschaft mit ihren Steinen und dem blauen Meer plötzlich präsent sein. Poesie bedient sich des Image und setzt es ins Spannungsverhältnis zur Wirklichkeit. Die poetische Wiedergabe des Eindrucks lässt etwas weiteres entstehen: ein assoziatives Denken an noch andere Dinge. Auf diese Dialektik zwischen Realität und Image kommt es in der Poesie darauf an. Die Schwierigkeit für den Dichter ist direkt die oftmals sehr negative Realität zu beschreiben, und das ohne dabei die Schönheit des Image zu zerstören. Das hat dann mit der Ästhetik zu tun. 

Die Philosophie kann dagegen kaum etwas mit solch einer schweigenden Landschaft anfangen. Es gelingt partiell wenn sie den Versuch unternimmt ein Gedicht statt zu interpretieren es zu lesen. Ein gutes Beispiel dafür liefert die in 1976 interessante Theaterinszenierung von Michael Grüber an der Schaubühne. Er übergab Hölderlins Empedokles einem gemeinsamen Lesen mit dem Publikum.

Leider hat vor allem die akademische Philosophie zunehmend an Relevanz für die Dichter verloren. Ihrem Empfinden nach hat sie sich all zu weit vom realen Leben entfernt. Das mag daran liegen, dass die akademische Philosophie sich weitgehend auf Text-Interpretationen von bereits bekannten Philosophen beschränkt, und dabei Erfahrungen aber auch den Bezug auf gesellschaftliche Probleme außerhalb dem Universitätsbetrieb ausklammert. Karl Popper warnte davor, daß eine Wissenschaft oder Philosophie die nur auf sich selbst bezogen bleibt und sich nicht den Problemen außerhalb ihres eigenen Faches widmet, sehr schnell an Relevanz verlieren würde. Ähnliches gilt für eine Poesie. Sie läuft die selbe Gefahr wenn das Gedicht bloss eine Ich-Bezogenheit wieder gibt oder das Gedicht lediglich das Ich des Dichters repräsentiert. Das entspricht in der Philosophie der Tautologie eines Fichtes der die Formulierung 'Ich sei Ich' wagte und damit den absoluten Staat meinte.

Die Konstituierung von Texten die dem Fluss der Dinge etwas beisteuern könnten, kommt so nicht zustande. Spätesten dann rettet sich die Gesellschaft in einer fast mystischen Ontologie und entwickelt eine Seinssprache aus dem fiktiven Gegensatz von Sein und Nicht-Sein. Adorno widersprach dem vehement und betonte das Sein und das Nicht-Sein sei stets durch 'Etwas' verbunden. Daran knüpft an die Lehre der Materie eines Ernst Blochs dessen philosophischen Texte von der akademischen Welt oftmals genug abgelehnt wurden, weil angeblich nicht wissenschaftlich genug, sie eher poetisch formuliert waren.

Interessanterweise treten spätesten dann Schwierigkeiten der Philosophie im Verhältnis zur Poesie auf, wenn Philosophen anfangen Dichter und deren Werke zu interpretieren, so auch Heideggers Versuch Hölderlin zu lesen. Er verliess die philosophische Ebene und gesellte sich zu Hölderlin als sei er selber ein Dichter. Dadurch kam ihm nicht nur die notwendige Distanz abhanden, sondern er wechselte von einer philosophischen zu einer pseudo-poetischen Sprache über und liess sich zu falschen Interpretationen verleiten. Die Wortschöpfung eines Heideggers beruht auf einer Voraussetzung, um zur Erfahrung zu gelangen: die Bedeutung des Wortes gilt anhand eines fiktiven Unterschiedes wahrzunehmen z.B. zwischen Vorhandenheit und Zuhandenheit. In der bürokratischen Sprache hiesse das zu unterscheiden zwischen dem was bereits Aktenkundig, also Zuhanden ist, und dem was potential vorhanden aber noch nicht von Seiten des Staates als das existierende Etwas anerkannt wurde. Brecht reagierte darauf mit der spitzen Bemerkung nicht der Mensch zähle sondern nur der Passport.

Mit dieser Unterscheidung beabsichtigte Heidegger der Behörde eine eigenständige Machtsprache zu geben. Es unterstreicht wozu die Philosophie imstande sein kann wenn es sich um die Legitimation politischen Ausrichtung von Handlungsanweisungen handelt. Der wirkliche Unterschied liegt aber zwischen einem erzwungenen Handeln (auf Englisch 'coerion') und einer menschlichen Praxis die aus der Freiheit heraus zustande kommt. Erst wenn die Kategorie der Notwendigkeit als Verschleierung dieses Zwangs hinterfragbar wird, kann eine freie Zusammenarbeit realisiert werden. Daran knüpft an das Recht eines jeden auf Zugang zur Gemeinsamkeit weil erst im Ansprechen der anderen geklärt werden kann wie individuelle als auch gemeinsame Bedürfnisse innerhalb der Gesellschaft und ihrer entsprechenden Wirtschaft zu befriedigen sind. Das schließt bereits die Verteilung von Ressourcen mit ein und nimmt vorweg die Vorstellung einer gerechten Gesellschaft.

Selten hat die Philosophie sich die Klärung wie kann die Vorstellung des anderen auf der Phantasie-Ebene reflektiert werden. Die Reduktion auf nur Text Interpretationen macht das unmöglich. Aber auch der Dichter Paul Celan bezog sich strikt nur auf den Text. Obendrein vermutete er ein Sprachgitter hätte sich zwischen ihm und den anderen geschoben. Er verstand das als eine Barriere die verhindern würde, dass andere ihn verstehen.

Sprachgitter

 

Augenrund zwischen den Stäben.

 

Flimmertier Lid

rudert nach oben,

gibt einen Blick frei.

 

Iris, Schwimmerin, traumlos und trüb:

der Himmel, herzgrau, muß nah sein.

 

Schräg, in der eisernen Tülle,

der blakende Span.

Am Lichtsinn

errätest du die Seele.

 

(Wär ich wie du. Wärest Du wie ich.

Standen wir nicht

unter einem Passat?

Wir sind Fremde.)

 

Die Fliesen. Darauf,

dicht beieinander, die beiden

herzgrauen Lachen:

zwei

Mundvoll Schweigen.

 

Paul Celan


Nicht klar ist ob er sich persönlich, seine Gedichte oder beides zusammen meint. Das erinnert an den Satz des Widerspruches bei Hegel wobei der Widerspruch im Begriff, in der Realität oder in der Beziehung zwischen Begriff und Realität liegen mag. Die intersubjektive Reflexion kann aber nicht allein durch einen Bezug aufs Gemeinwohl alleine geklärt werden; dazu bedarf es ein Eingehen auf die innere Reflexion des sozialen Seienden, um die Vorstellung des anderen reflektieren zu können. Jeder will handeln aber kann der andere dem zustimmen wenn nicht bevor geklärt wird welche Konsequenzen das haben wird falls realisiert? Die gegenseitige Beratung betreffs den verschiedenen Optionen und ihren vorwegzunehmenden Konsequenzen macht den sozialen Dialog ums bewusste Handeln so wichtig. Ohne theoretischer Reflexion von was dann als Tat beschrieben wird, geht es gar nicht. Habermas fügte dem noch hinzu ohne Theorie gäbe es nur noch Gewalt bzw. eine erzwungene Handlung die nicht länger den anderen mitein bezieht. In dieser Hinsicht ist die Forderung der Staat möge das Gewaltmonopol zwecks einem Durchsetzungsvermögen des Gesetzes erhalten, nicht unproblematisch, weil das leicht zum Aussetzen von Demokratie verleitet. Die Befragung der Bürger durch Wahlen alle vier Jahre ist damit nicht getan.

Um nochmals auf den Gegensatz zwischen Licht und Schatten zurück zu kommen, Schatten muß nicht immer mit etwas Negatives bedeuten. Zumindest im Süden wird er im Gegensatz zum Norden anders wahrgenommen. Praktisch bietet der Schatten eine Erholung wenn die Sonne in den heißen Sommermonaten alles tanzen, und die geteerten Straßen flimmern lässt. Allerdings wenn die Sonne senkrecht hoch im Himmel steht und die Figur am Strand keinen Schatten mehr wirft, ist das für Albert Camus ein Zeichen vom Tod. Für ihn hat das ein Verwandtnis zum nicht rechtzeitig erkennen können wer da entlang des Strandes kommt. Die Sonne scheint allzu grell in die Augen.

Anders dagegen wenn Dichter sich des Schattens als Metapher bedienen. Oftmals stimmen sie mit Verweis auf den Schatten ein leises Klagelied an. Meistens hat das mit der Gesellschaft zu tun. Es scheint als ob würden sie nicht mit den Existenzbedingungen für Dichter klar kommen. Die meistens leiden ohnehin permanent unter einer Nicht-Anerkennung. Folglich wenden sie sich von der Realität ab und versuchen aus ihrem Inneren zu schöpfen. Praktisch mündet das in Gedichten in der am Ende nur vom Gedicht als solches die Rede ist. Das ist legitim aber zugleich macht diese Ich-Bezogenheit, in Wirklichkeit eine Tautologie im Sinne vom Gedicht als das 'ich', sie praktisch hilflos gegenüber einer der Gesellschaft innewohnenden Gewalt.

Es wäre also an der Zeit für Dichter aus dem Schatten, den die Philosophie bislang über die Poesie geworfen hat, zu treten. Doch wie soll das gelingen, wenn es dem poetischen Ausdruck verwehrt bleibt zu einem philosophischen Gedicht heranzureifen?

Es wäre also an der Zeit für Dichter aus dem Schatten der Philosophie heraus zu treten. Doch wie soll das gelingen, wenn es dem poetischen Ausdruck verwehrt bleibt zu einem philosophischen Gedicht heranzureifen? Anhand von Gedichten der Katerina Anghelaki Rooke kann aufgezeigt werden, dazu gehören Beobachtungen, Wunder, Fragen und eine Schlussfolgerung die auf Bescheidenheit in sämtlichen menschlichen Belangen basiert. Einsichten summieren sich bei Katerina Anghelaki Rooke wenn sie das Leben durchs Schlüsselloch beobachtet, und Poesie zum Werkzeug der Spionage umfunktioniert. Schließlich will sie herausfinden wie Werte entstehen. Jedes philosophisches Gedicht stellt sich solch einer Aufgabe selbst wenn die Antwort am Ende des Gedichts in eine offene Frage mündet.

Während also Katerina Anghelaki Rooke die Frage stellt, wie entstehen Werte, kann ergänzender Weise gefragt werden, ob Werte überhaupt diskutiert werden können und darum auch veränderbar sind? Diese Frage kommt nicht von ungefähr. Der Philosoph Cornelius Castoriadis ist der Meinung ein Hauptgrund für Konflikte überhaupt ist es irrtümlicher zu versuchen Werte zu verändern. Sie sind gesetzte Prämissen, wer es versucht sie zu verändern, provoziert Konflikt, wenn nicht sogar Krieg.

 

Angesichts bisheriger Tendenzen und Entwicklungen ist kritisch zu fragen, welche Rolle nimmt die Poesie heutzutage ein? Zieht sie sich vom gesellschaftlichen Engagement zurück, oder haben die Dichter Recht wenn sie es versuchen nur aus ihrem Inneren zu schöpfen, dabei aber den Außenbezug außer Acht zu lassen. Da die Vielseitigkeit der Poesie keine Verallgemeinerung zulässt, bleiben bei allen Einschränkungen doch bestimmte Eindrücke.

Oft scheint die moderne Poesie ein Art Ersatz fürs Gebet zu sein und riskiert zu einer neuen kulturellen Konformität beizutragen. Grund dafür dürfte sein, dass viele Dichter noch nicht zu reflektieren, dass die Gesellschaft sich in einem Übergang von der Moderne in die Post-Moderne befindet. So neigen viele dazu statt sich auf die Wissenschaft zu beziehen, abermals Rekurs auf die Religion nehmen, und sei es in Imitation östlicher Philosophien oder im Beschwören des Wissens endogener Stämme. Heilige Gemeinschaften und Erfahrungen außerhalb den Universitäten werden beschworen und zum Beispiel die 'Mysterien von Eleusis' auf dem Poesie Festival in Medellin 2016 beschworen. Offensichtlich handelt es sich um Reaktionen auf eine fragmentierte Welt in der anscheinend keine menschlichen Erlebnisse mehr möglich scheinen.

All das kann als eine Suche nach dem Authentischen verstanden werden, zugleich handelt es allerdings um eine verspätete Revolte gegen die wohl-vermeintliche Rationalität des Systems die anscheinend seit der Aufklärung besteht. Geleugnet wird dabei nicht nur die Dialektik der Aufklärung (Adorno, Horkheimer 1944) sondern all die Irrationalitäten die sich im zwanzigsten Jahrhundert im Faschismus geäußert haben und heutzutage wieder Gewalt in Namen einer Religion ausüben lässt. Doch Constanze de Volney, Ratgeber für die Nationale Versammlung in Paris nach der Französischen Revolution, meinte Gewalt würde immer da herrschen, wo Religion versuchen ihre Glaubensrichtung als die einzig Wahre durchzusetzen. 

Das beste Beispiel fürs Missverständnis von Rationalität liefert allerdings das weit verbreitete Missverständnis von Descartes. Zugleich scheitern immer wieder sowohl die Poesie als auch die Philosophie am Wahrheitsanspruch. Was Menschen brauchen sind praktische Hinweise auf gelebte Wahrheiten aus denen sie ihre eigene Schlüsse ziehen können. Hier hat Adorno davor gewarnt zu meinen ein wahres Leben sei in falschen Strukturen möglich. In Antwort darauf versuchen die Dichter oftmals eine Art Schein-Utopie aufrecht zu erhalten obwohl nicht lebbar. Die Philosophen ziehen sich dagegen aufs spekulative Denken zurück und belassen die Zukunft aufs Versprechen. Mehr oder weniger trägt das zum Scheitern eine gesellschaftliche Veränderung erzielen zu wollen, bei. Folglich wird die Grunderfahrung eine sehr enttäuschende Vergeblichkeit sein. Die daraus resultierende Resignation ist überall spürbar. Das dringt bis hinein in die Vergeblichkeit eines kleinen Gedichtes das noch einen letzten Versuch unternimmt sich gegen die Politik samt all den Ungerechtigkeiten aufzulehnen.

Interessanterweise stellt George Fragopoulos, der amerikanische Lyrik außerhalb von New York unterrichtet, jüngst fest, dass Leiden bei Dichtern ist oftmals Ausdruck einer Vergeblichkeit an der sie sich stoßen. Der Dichter macht diese Erfahrung weil er allzu oft dazu neigt mittels seines Gedichtes eine Überidentifikation evozieren will, und eben deshalb scheitert. Das Gedicht scheint plötzlich im grellen Licht der Realität belanglos zu sein. Oft rührt diese Überidentifikation daher, dass der Dichter meint mit seiner Poesie nicht nur den Zeitgeist oder die spirituelle Welt zu erfassen, sondern auch Mittels seiner Gedichte die Realität verändern zu können. Die Gefahr bei solch einer Überheblichkeit schnell auf falsche Bahnen zu geraten, kann nicht unerwähnt bleiben.

Dileep Jhaveri in seinem Gedicht 'Demokratie' (The poem 'democracy') erklärt die Vergeblichkeit als ein falsches Verstehen was ein Gedicht erreichen kann. Unterliegt der Dichter durchs Gedicht die Unsterblichkeit erzielen zu wollen, und dies durch den Versuch eine ewige Wahrheit zu erringen, verfällt das Gedicht. Dileep Jhaveri vergleicht das mit Fischen die sich entscheiden das erzielen zu wollen und springen deshalb aus dem Wasser. Ähnliches ergeht es Dichtern wenn sie sich von ihren schöpferischen Quellen abschneiden.

Das all dem so nicht sein muss, hat Adorno in seiner Vorlesung zum Thema 'Lyrik und Gesellschaft' hervor gehoben. Allerdings muss Poesie realistisch bleiben, insofern sie nicht die Widersprüche einer antagonistischen Gesellschaft zugunsten einer fiktiven Einheit verschweigt. Eben weil antagonistische Verhältnisse unumgänglich sind, kann weder das Gedicht noch die Philosophie der menschlichen Realität irgend eine transzendentale Einheit, sei es Natur, Gott oder die Nation überstülpen. Ferner war Adorno der Auffassung, dass die Poesie niemals nur subjektiver Ausdruck des Selbst sein kann. Immer gibt es das Objektive, insbesondere die Strukturen der Gesellschaft die auf die Psyche des einzelnen einwirken und an denen ein Dichter sich ebenso stößt.

 

Peter Weiss in 'Ästhetik des Widerstands' beschreibt wie langsam seine Mutter ins Schweigen verfällt als die Befehlssprache der Nationalsozialisten die ganze Gesellschaft spätestens ab 1933, aber auch schon zuvor, die ganze Gesellschaft zu überziehen beginnt. Politische Angst als Antwort auf drohende Staatsgewalt, ausgenutzt von jenen die die Macht blindlings ergreifen ohne Menschenrechte zu achten, mündet immer im Schweigen.

Michel Foucault hebt hervor den Unterschied zwischen eigenem und Schweigen der anderen. Kritisch gegenüber einer bestimmten Richtung in der Lyrik, rät er in 'Gesellschaft und Wahnsinn', "Orte des Schweigens ausfindig zu machen noch ehe der lyrische Protest sich darüber verdichten kann." Was besagt das? Zum einen, Poesie soll sich nicht im bloßen Protest erschöpfen, demnach auch nicht in bloße politische Bemerkungen übergehen.

Zum anderen, Poesie soll sich nicht zu einem Symbolcharakter gleich einer nationalen Fahne machen lassen, um der bloßen Repräsentation von Gefühlen zu dienen. Das geschah z.B. im Ersten Weltkrieg. Fast alle Soldaten an der Front fügten ihren Briefen an die Geliebte zuhause ein Gedicht von Rilke bei. Sie taten es in der Meinung, er würde für sie besser das ausdrücken, was sie empfinden. Nur indem sie es nicht versuchten selber ihre Gefühle zu artikulieren, befreiten sie sich nicht von der negativen Determination einer Gesellschaft die sie zynischer Weise zu Soldaten gemacht hatte. Eine gehorsame Arme ist solch eine uniformierte Konformität zur Befehlsgewalt. Das gelingt wenn die Übermacht faktisch mit der illusionären Vorstellung eines Nietzsches vom Übermenschen einher geht, und darum den Menschen etwas unmögliches abverlangt, nämlich das sinnlose Töten von anderen und das obwohl noch vor dem Krieg sie gemeinsam in Paris studierten. So auch im Film 'Jule und Jim' dargestellt.

Eher solle die Poesie den Menschen dazu bringen sich selber poetisch auszudrücken. Das kann gelingen wenn aufgeschrieben wird, was noch nicht verstehbar ist. Sam Hamill in den Vereinigten Staaten tat das indem er nach der US Invasion im Irak März 2003 die Bewegung 'Poets against War' gründete. Infolgedessen wurden jeden Tag ein neues Gedicht veröffentlicht. Eine poetische Sprache als Widerstand gegen was nicht verstehbar ist, nämlich der Krieg, verbreitete sich und trug zum allgemeinen Nein gegen die Verwicklung der Vereinigten Staaten im Krieg bei (siehe Poets and Connections).

Statt der repräsentativen Logik zu unterliegen, kann die Poesie den Dialog mit dem Schweigen aufnehmen. Jael Uribe und ihre Bewegung 'Women Scream' holt Frauen aus ihrem Schweigen raus und bietet ihnen eine Plattform für ihre Lyrik an (siehe http://womanscream.blogspot.com).

Wichtig ist außerdem, dass die Poesie den Widerspruch zur Philosophie aufnimmt und das sogenannte Selbstverständnis hinterfragt. Hegel meinte wiederum in einer Zeit in der nichts mehr selbstverständlich sei, kämen alle dem Entstehen einer neuen Philosophie näher. Dazu gehört die Überwindung an Repression die so oft durchs Schweigen aller erst möglich wird. Adorno nannte es die Avalanche der Dummheit die manchmal eine ganze Gesellschaft erfasst und sie einem Demagogen wie Hitler oder Trump nachläuft. 

Zu erinnern sei außerdem an Michel Foucaults Analyse von 'Gesellschaft und Wahnsinn'. Darin zeigt er auf, dass im 19. Jahrhundert eine strikte Trennung zwischen Vernunft und Wahnsinn entstand. Wer nicht vernünftig sein wollte, der wurde sofort als krank eingestuft. Eine soziale Symmetrie zugunsten der Vernunft entstand. Der Vater redet nicht länger mit seinem Sohn, sondern delegiert ihn zum Repräsentanten der Vernunft, den Psychiater. Der übernimmt die Aufgabe des Vaters den ungehorsamen Sohn zur Vernunft zu bringen. Praktisch lief das auf eine erzwungene Anpassung an die von den Vätern geschaffene Gesellschaft und ihre eigene Arbeitsweise hinaus.

Klar war aber auch, dass die Revolte der Jugend nicht allzu lange auf sich warten ließ. Gadamer erzählte, dass er von Heidegger lernte seinen Vater 'argumentativ' zu schlagen. Solch eine Jugend-Revolte war allerdings ein Vorzeichen des kommenden Faschismus in Deutschland und besagt wie entscheidend ist der Dialog zwischen den Generationen, um eine Konsistenz in der Politik im demokratischen Sinne zu erzielen.


Erfahrungen dieser Welt steht gegenüber die erfahrbare Welt die faktisch nur durch Brillen wahrgenommen wird.

Es gibt natürlich Positionen die die Universität als Ort des Wissens verneinen, in der Meinung wichtige Erfahrungen seien nur außerhalb der akademischen Welt zu machen. Diese Tendenz bestätigt sich anhand endogener Völker und wird poetisch noch mehr zu einer Bejahung östlicher Philosophien, angefangen mit Buddha und sonstigen religiösen Figuren die aus westlicher Sicht allemal der westlichen Philosophie überlegen sind. Bereits Arthur Koestler hat diese These widerlegt doch seit der Zen-Philosophie und wie ein Motorrad zu reparieren sei, hält sich hartnäckig diese Tendenz an illusionären Lösungen fest. Fast alle neigen in Richtung einer Vereinheitlichung mittels eines nicht näher definierten Naturbegriffes zu gehen. So gesehen wird die Poesie im Ritual eingebettet und gleicht dem Gebet das in christlichen Kirchen zur Besinnung im Stillen gehört.

 

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