Das philosophische Gedicht - Beispiel Katerina Anghelaki Rooke
Um nochmals auf den Gegensatz zwischen Licht und Schatten zurück zu kommen, Schatten muß nicht immer mit etwas Negatives bedeuten. Zumindest im Süden wird er im Gegensatz zum Norden anders wahrgenommen. Praktisch bietet der Schatten eine Erholung wenn die Sonne in den heißen Sommermonaten alles tanzen, und die geteerten Straßen flimmern lässt. Allerdings wenn die Sonne senkrecht hoch im Himmel steht und die Figur am Strand keinen Schatten mehr wirft, ist das für Albert Camus ein Zeichen vom Tod. Für ihn hat das ein Verwandtnis zum nicht rechtzeitig erkennen können wer da entlang des Strandes kommt. Die Sonne scheint allzu grell in die Augen.
Anders dagegen wenn Dichter sich des Schattens als Metapher bedienen. Oftmals stimmen sie mit Verweis auf den Schatten ein leises Klagelied an. Meistens hat das mit der Gesellschaft zu tun. Es scheint als ob würden sie nicht mit den Existenzbedingungen für Dichter klar kommen. Die meistens leiden ohnehin permanent unter einer Nicht-Anerkennung. Folglich wenden sie sich von der Realität ab und versuchen aus ihrem Inneren zu schöpfen. Praktisch mündet das in Gedichten in der am Ende nur vom Gedicht als solches die Rede ist. Das ist legitim aber zugleich macht diese Ich-Bezogenheit, in Wirklichkeit eine Tautologie im Sinne vom Gedicht als das 'ich', sie praktisch hilflos gegenüber einer der Gesellschaft innewohnenden Gewalt.
Es wäre also an der Zeit für Dichter aus dem Schatten, den die Philosophie bislang über die Poesie geworfen hat, zu treten. Doch wie soll das gelingen, wenn es dem poetischen Ausdruck verwehrt bleibt zu einem philosophischen Gedicht heranzureifen? Anhand von Gedichten der Katerina Anghelaki Rooke kann aufgezeigt werden, dazu gehören Beobachtungen, Wunder, Fragen und eine Schlussfolgerung die auf Bescheidenheit in sämtlichen menschlichen Belangen basiert. Einsichten summieren sich bei Katerina Anghelaki Rooke wenn sie das Leben durchs Schlüsselloch beobachtet, und Poesie zum Werkzeug der Spionage umfunktioniert. Schließlich will sie herausfinden wie Werte entstehen. Jedes philosophisches Gedicht stellt sich solch einer Aufgabe selbst wenn die Antwort am Ende des Gedichts in eine offene Frage mündet.
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Katherina Anghelaki Rooke
Fast scheinen die Gedichte von Katherina Anghelaki Rooke sich selbst zu schreiben. Sie beobachtet dabei gerne was geschieht, stellt anschließend Fragen und lässt dann freien Lauf ihrem assoziativen Denken. Das Schreiben von Gedichten beschreibt sie als ein Eintreten in ein unbekanntes Zimmer, und nachdem sie sich umgesehen hat, überlegt sie sich was sie alles mitnehmen will noch ehe sie diesen Raum wieder verlässt. So gesehen beinhaltet das Schreiben der Gedichte ein Hinaustreten ins Licht, um zu sehen was sie alles mitgenommen hat.
Angesichts der Krise von Griechenland ist sie der Meinung, niemals vermochten die Griechen mit viel Geld umzugehen. Sie waren immer arm. Aus dem plötzlich vielen Geld machten sie einen neuen Gott. Sie glaubten an ihn und verirrten sich.
Was es heißt in solch einer Krise, unter wortkargen Umständen zu existieren, beschreibt sie in einem Gedicht das davon ausgeht "wir tun sehr viel bedeutsames, nur nimmt keiner Notiz davon."
Im Himmel von nichts mit weniger als nichts
Durchs Schlüsselloch beobachte ich ganz geheim das Leben
Ich spioniere in der Hoffnung zu verstehen
Wie es dazu kommt, dass das Leben stets gewinnt
während wir alle verlieren.
Wie werden Werte geboren
und dem zuerst aufgepresst was zuerst schmilzt:
der Körper.
Ich sterbe in meinem Geist ohne erkennbarer Spur einer Erkrankung;
Ich existiere ohne eine Ermutigung zu benötigen.
Ich atme selbst dann wenn ich mich
in einer langen-kurzen Entfernung befinde
von was brennend heiß berührt werden kann
und in Flammen aufgehen kann...
Ich wundere mich welch andere Kombination
Leben entwerfen will
zwischen der Wunde des endgültigen Verschwindens
und dem Wunder einer täglichen Immortalität.
Ich verdanke meine Weisheit der Angst;
Blätter, Seufzer, Schatten
werfe ich weg.
Erde, Winde, Wurzeln behalte ich;
vergesse was ist überflüssig, ich sage
lasse mich in den Himmel des Nichts
mit weniger als nichts eintreten.
Athen 12.6.2016
(Aus dem Englischen Hatto Fischer)
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