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Sprache als Heimat - Heimat im Gedicht: DDR Lyrik von Peter Huckauf


Peter Huckauf geht lyrischen Spuren von oftmals unbekannten Dichter nach wie kaum ein anderer“ - Isolde Arnold

 

Ein Streifzug durch die neuere Lyrik in der DDR

von Peter Huckauf

Nach der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft in Deutschland, haben sich in der Mitte Europas zum Ende der Vierziger Jahre, zwei, bis heute bedingt selbständige deutsche Staats- und Gesellschaftsgebilde entwickelt: im Westen eine KONSUM-orientierte, privat-kapitalistische Ordnung, genannt Bundesrepublik Deutschland, im Osten eine, in Ansätzen SOZIALISTISCHE Volkswirtschaft, genannt Deutsche Demokratische Republik.

In beiden Systemen, aus ein und dem selben Trümmerfeld hervorgegangen, den GERMANISCHER GRÖSSENWAHN hinterließ, was die Schaffung eines neuen Selbstbewußtseins betreffen konnte – waren vor allem Schriftsteller, Dichter und Publizisten. Wurden durch Weggang, Vertreibung und Vernichtung in bzw. aus Deutschland, in der zurückliegenden und nun geteilten Kultur-Landschaft, nicht mehr zu schließenden Lücken, vor allem in der Literatur sichtbar, regten sich doch erfreulich rasch, unermüdliche und höchst ernstzunehmende Kräfte, die Anschluß suchten, an das, was in DEUTschen Landschaften heute KULTUR-ERBE genannt wird.

Vor allem in der DDR hinterläßt diese einzigartige kulturelle Anstrengung, mit einer, inzwischen längst viel beachteten Literatur, ihre Spuren.

Während beide im Entstehen begriffene Literaturen, inhaltlich wie formal, diffizilste Strömungen durch – bzw. erfuhren, sich aber gleichzeitig von einander immer unterschiedlicher gaben, ist das Leuchtfeuer: SPRACHE, hier die gemeinsame DEUTsche SPRACHE, geblieben.

Wort und Begriff: HEIMAT, zwölf Jahre lang arg strapaziert und bis zur Unkenntlichkeit entstellt, scheinen mir vor allem in der Lyrikszene innerhalb der DDR, einen neuen Klang, eine neue humane Inhaltlichkeit gewonnen zu haben.

Dennoch, völlig problemlos mutet das, was wir heute gedruckt als DDR-Literatur lesen können, nicht an. Die ALLen bekannten Schatten, die StAAtlichkeit für gewöhnlich zu werfen, an sich hat, stAAtliche und ideologische BeGRENZtheiten und Irrungen jeglicher Sorte, sollen aber hier nicht mein Thema sein. Vielmehr möchte ich jetzt an ausgewählten Beispielen HEIMAT als Pflege an unserer geschundenen DEUTschen SPRACHE vorstellen, als SPRACHE als HEIMAT, als schöpferisch-kritische Auseinandersetzung mit Welt, die nicht ideologisch verarmt erlebt, demonstrieren. Dabei lasse ich mich bewußt nicht auf Schulen, Ismen oder auch nur sekundärliteraische Empfehlungen ein, obwohl etwas der BITTERFELDER WEG fraglos von Bedeutung ist. Auch werde ich jene Autoren nicht berücksichtigen, die hierzulande nur deshalb für beDEUTend gehalten werden, weil ihr Werk sich unschwer gegen was, was innerhalb der DDR ist, mißbrauchen läßt. Die Vermittlung von DDR-Literatur, scheint mir hierzulande auch nur diese eine Funktion zu haben, nämlich: sterile und sinnlose Unruhe zu fördern. Ist den SPRACHE, schöpferische SPRACHentwicklung, ja POESIE, bei uns im Westen jemals ernsthaft ein Thema in der offenen, literarischen Diskussion gewesen?

Von folgenden Autoren, die überwiegend als Lyriker hervorgetreten sind, von denen nur Michael Leisching heute im Westen lebt, nenne ich deren Gedichte. Der Überblick ist gedacht als Orientierung zu diesem Thema:

Walter Werner / geb. 1922 in Vachdorf/Werra (Thüringer Wald), DAS UNSTETE HOLZ (aus: Das unstete Holz / Gedichte / 1970) BARLACH ÖFFNET DAS HOLZ / AUF DER HOHEN GEBA (aus: Worte für Holunder / Gedichte / 1974).

Jochen Börner / geb. 1922 in Haale / Saale, AN DER WERRA / DER GEGEN DAS VERGESSEN SCHREIBT / DRAUSSEN (aus: Schneefrucht / Gedichte / 1979).

Wulf Kirsten / geb. in Klipphausen Krs. Meißen, SIEBEN SÄTZE ÜBER MEINE DÖRFER / DIE ERDE BEI MEISSEN (aus: Satzanfang / Gedichte / 1970) DORF (aus: Der Bleibaum / Gedichte / 1977)

Kito Lorene / geb. 1938 in Schleife Krs. Weißwasser (Oberlausitz) DIE STRUGA (aus: Wortland / Gedichte / 1984)

Wolfgang Hilbig / geb. 1941 in Meuselwitz Bez. Leipzig (Sachsen). STURZ / WINDMÜHLEN WASSERMÜHLEN / DAS MEER IN SACHSEN (aus: Stimme Stimme / Gedichte und Prosa / 1983)

Kristian Pech / geb. 1946 in Frankenthal Krs. Bischofswerde (Oberlausitz) DORF AM TAGEBAU / KRÄHEN / MEINE NEUE LAGE / WIE ICH LÜGE (aus: Abschweifungen über Bäume / Gedichte / 1976)

Benedikt Dyrlich / geb. 1950 in Neudörfel Krs. Kamenz (Oberlausitz) AUF DEM KOSMOS / RUF NACH ÜBERSCHREITUNG / ELEGIE / LÜSTERE ANZEIGE (aus: Grüne Küsse / Gedichte/ 1980)

Lothar Walsdorf / geb. 1951 in Zittau Bez. Dresden (Oberlausitz) WALDARBEITER / MESSERGASSE 01 / AN MEIN HERZ / ANKUNFT NACHTS / FÜR MEINE VERWANDTEN (aus: Der Wind ist auch ein Haus / Gedichte / 1981)

Uta Mauersberger / geb. 1952 in Bernburg / Saale Bez. Halle WANDERUNG DURCH DIESES LAND / ÜBER GINSTER NICHT SCHLAFF / JAHRE VOR UNS (aus: Balladen Lieder / Gedichte / 1983)

Gabriele Eckart / geb. 1954 in Falkenstein Bez. Karl-Marx-Stadt HEROISCHE LANDSCHAFT / TAGEBAULANDSCHAFT (aus: Poesiealbum 80 / 1974)

Stefan Stein / geb. 1954 in Hohenneuendorf bei Berlin ANTON ZACKSACK / NIEMANDSLAND / ÄLSBÄD GÄD ÄNKÄFN (aus: Baukasten / Gedichte / 1983).

Michael Leisching / geb. 1954 in Wilkau-Haßlau Bez. Karl-Marx-Stadt BEKENNTNIS UND TAT (aus: Die Nächte sollten nicht wie die Tage sein / Texte in und für Deutschland / 1979)

Bert Papenfuss-Gorek / geb. 1956 in Reuterstadt – Stavenhagen Bez. Neubrandenburg WEGWORT (aus: Naif / Temperamente 2 / 1977) JEDE UHR ISN ZEITZÜNDER (aus: Auswahl 78/ 1978) NACHRICHT !)HUNDERT UNFERBINDLICH / IN EINEM ATEMZUG NUR GEGENWÄRTZ (aus: Harm / arkdichtung 77 / 1985)

 

Peter Huckauf

 

Dieser Aufsatz von Peter Huckauf erschien zuerst in einem kleinen Band das vom Quorum Verlag (Karsten Frerk) in Kreuzberg gedruckt wurde, und zwar nachdem eine Veranstaltung zum selben Thema von Isolde Arnold und Hatto Fischer im Bildungswerk für Umwelt und Demokratie organisiert wurde. Fast scheint es unmöglich heute die damalige Atmosphäre in Kreuzberg, nahe der Mauer, wiederzugeben. Doch damals war es sehr wichtig auf diese andere Wirklichkeit einzugehen und dieses Mal ohne ständigen Vergleich zum Westen, zu West Deutschland. Es gab genug Unterschiede, so auch wie mit Angst umzugehen, denn jeder aus der DDR Kommender erlebte sie zum ersten Male in seinem Leben, weil bis dahin vollkommen unbekannt: die Existenzangst. Damit sei nicht im Nachhinein gesagt die DDR Lyriker konnten eher einen unbekümmerten Weg gehen. Nein, das würde die Staatlichkeit bzw. die Stasi außer Acht lassen, aber die Vertiefung in literaische und poetische Verständigungsformen waren einmalig, und ergaben demnach auch eine andere Orientierung. Das kündigen bereits die Titel der von Peter Huckauf aufgezählten Gedichte, die wiederum eine lebendige Phantasie-Sprache auszeichnen, an. Vom Winkel dieser Phantasie aus betrachtet nimmt die Lyrik eine besondere Sprachentwicklung wahr.

 

Hatto Fischer

11.8.2013

Die "andere" Wirklichkeit; DDR-Symposium; mit S/W Fotos von Isolde Arnold / Fischer, Hatto / Bildungswerk für Demokratie (Hrsg.) (1986)

 

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