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Kein wahres Leben in falschen Strukturen - Adorno, Minima Moralia

Adorno verstand es die Dinge dialektisch so zu formulieren, dass der Inhalt über den Paradox hinaus geht und eine wenn nicht unbedingt neue, so dann eine andere Bedeutung annimmt. Was ist also das wahre Leben?

Adorno besagt solange in falschen Strukturen befangen, kann es kein wahres Leben geben. Vermutlich wäre ein Beispiel von zwei Menschen die eine Ehe eingehen obwohl sie sich nicht wirklich lieben. Ständig wird das wirkliche Verlangen nach Liebe verdrängt und durch etwas anderes ersetzt. Kompensation ist ein möglicher Begriff dafür um zu erklären wie die in solchen Strukturen Verfangenen einen Ausgleich suchen. Das wird erforderlich sobald sie merken eine wirkliche Zufriedenheit wird es niemals in diesem Zustand geben.

Doch Adornos Gedanke umfasst noch etwas das viel komplexer ist. Was geschieht wenn kein Aussprechen wahrer Gedanken gelingen kann weil in falschen Strukturen verfangen? Der Regel nach mündet das in Selbsttäuschung und in einem verstärkten Hang noch weitere Kompensationen zu suchen. Statt Treue kommt es zum Ehebruch. Das Vertrauen in den anderen verliert an Kraft während das Misstrauen nur weitere Missverständnisse reproduziert. Ein Mechanismus wird dabei in Gange gesetzt der zur Sprachlosigkeit verleitet oder vielmehr eine unverbindliche Rede ersetzt die wirkliche Aussprache. Reale Probleme werden nicht benannt während die Ehrlichkeit dahin ist. Es wird zwar noch ab und zu miteinander geredet aber ohne bewusster Verbindung zu was wirklich gesagt wird.

Wenn das einer ganzen Gesellschaft widerfährt, verliert sie ganz und gar ihre Selbstständigkeit weil dann ohne Widerspruch zum Falschen. Faktisch wäre solch eine Gesellschaft orientierungslos und der Gefahr ausgesetzt ganz und gar dem Falschen anheim zu fallen. Adorno mag hier an die faschistische Gesellschaft gedacht haben, eine Gesellschaft in der es nur noch Überzeugungstäter gibt. An einer Stelle wird Adorno enorm polemisch und zugleich sehr allgemein, indem er schreibt "ein Deutscher könne nicht lügen, sondern er muss sich davon überzeugen die Wahrheit zu sagen."

Adorno ging von der Suche nach Asyl für den Obdachlosen aus. Gemeint sei nach dem Gehen ins Exil gibt es so etwas wie ein Zuhause nirgendwo. Ursprünglich meinte er damit die Unmöglichkeit im Privaten weitgehend ungestört leben zu können. Die Formulierung es gäbe kein richtiges im falschen Leben verlagert jedoch all das indem es den strukturellen Aspekt berücksichtigt. 

An einer anderen Stelle rät Adorno dazu sich selber herauszuwerfen, sobald die Gefahr besteht sich häuslich nieder zu lassen. Komfort und Bequemlichkeit sei abträglich fürs Denken. Doch sich selber gegenüber unbequem zu sein verlangt sehr viel u.a. sich nicht mit den erst besten Erklärungen zufrieden zu geben. Der Anspruch auf Wahrheit wird dabei noch lange nicht erfüllbar sein, aber Adorno besteht darauf selbst im falschen sei noch das richtige Leben erkennbar.

 


▶ Adorno - Es gibt kein richtiges Leben im falschen - YouTube
https://www.youtube.com/watch?v=OMrtcGBFdMA

▶ Weitere Erläuterung bei Wikipedia:

Es gibt kein richtiges Leben im falschen.“ Bei diesem Satz handelt es sich um eine Sentenz des deutschen Philosophen Theodor W. Adorno aus dessen Minima Moralia. Das geflügelte Wort gilt heute als sein berühmtester Satz, als sprichwörtlich gewordene Wendung.

Die Minima Moralia entstanden zwischen 1944 und 1947 im amerikanischen Exil unter dem Eindruck des faschistischen Terrors in Europa. Innerhalb des Werkes bildet der Satz die abschließende Sentenz eines über zwei Seiten langen Aphorismus mit dem Titel Asyl für Obdachlose (Nr. 18), der sich mit den Schwierigkeiten beschäftigt, sich in modernen Zeiten irgendwo häuslich einzurichten.Adorno bekräftigt mit seinem Satz die Differenz von richtig und falsch und die Wichtigkeit, sich den Sinn für das Richtige nicht nehmen zu lassen.

In der ersten, ursprünglichen Textfassung lautete der Satz: „Es läßt sich privat nicht mehr richtig leben.“

 

 

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