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Die Argonauten

Bird on Argonaut ship - sculpture in Volos                        Photo: Dora Gyarmathy

 

Die Argonauten

 

Und die Seele

soll sie sich selbst kennen

dann im Blick

auf auch eine Seele:

den Fremdling den Feind wir sahn ihn im Spiegel.

 

Brave Leute waren sie die Gefährten, sie murrten nicht

über die Mühe noch über den Durst noch über die Kälte,

sie verhielten sich nach Art der Bäume und der Wogen

die den Wind hinnehmen und den Regen

hinnehmen die Nacht und die Sonne

und beständig bleiben im Wechsel

Es waren brave Leute, ganze Tage lang

schwitzen sie an der Ruderbank, gesenkten Auges

holten sie Atem im Takt

und ihr Blut pochte in einer gefügigen Haut

Manchmal sangen sie auch, gesenkten Augen

als wir die öde Insel mit den Wildfreigen umschifften

westwärts, jenseits vom Kap der Hunde

und ihrem Gebell

Soll sie sich selbst kennen, so heißt es

so blicke sie wiederum auf eine Seele, so heißt es

und die Ruder schlugen das Geld des Meeres

in der versinkenden Sonne

Viele Kape ließen wir hinter uns, viele Inseln, das Meer

das zum anderen Meer führt, Möven und Robben.

Manchmal beweiten Weiber im Elend

jammernd ihre verlorenen Kinder

und andere rasten und suchten nach Alexander

und nach versunkenem Ruhr in der Tiefe von Asien.

Wir legten an vor Küsten erfüllt von Nachtgeruch

von Vogelgezwitscher und Wasserguß davon an den Händen zurückblieb

die Erinnerung an große Glückseligkeit

Doch die Fahrten nahmen kein Ende

Ihre Seelen wurden eins mit den Riemen und Laschen

mit dem ersten Antlitz des Bugs

mit der Furche hinter dem Ruder

mit dem Wasser das ihr Abbild in Stücke brach

Die Gefährten endeten nacheinander

gesenkten Auges, ihre Ruder

bezeichnen den Ort am Strand wo sie schlafen.

 

Keiner erinnert sich ihrer Gerechtigkeit.

 

Giogros Seferis, Poesie, F.a.M.: Suhrkamp, 1996

aus dem Griechischen übertragen von Christian Enzensberger

 

So weit musste es kommen: die Ruder zeigen auf die Stelle am Strand wo sie endlos schlafen. Die Argonauten haben damit ausgerudert. Jenseits von allem was als Beweis für deren Expedition gelten könnte, nimmt Seferis das aller wichtigste wahr: die der Gerechtigkeit. Sie fehlt wenn Menschen sich ihrer Selbst nicht mehr erinnern. Damit ist ein wichtiges Thema angesprochen, denn Adorno meinte immerzu Kant hat am häufigsten den Begriff 'Selbst' benutzt ohne ihn jemals etwas näher oder ausdrücklicher zu definieren. Das Selbst wäre darum die winzige Habseligkeit die der Mensch über die Zeit hinaus hat retten können. Es ist nicht Bestandteil der Systeme noch kommt es jederzeit zum Vorschein, wenn danach gerufen wird. Nur Kinder schauen plötzlich auf wenn die Mutter sie ruft, aber nur kurz denn sie sind noch mit der Suche nach eben diesem Beweis beschäftigt. Vasilis Sgouris in Volos sagte von sich selber, er habe die Geschichte der Argonauten wie in der Schule erzählt, fest geglaubt, so dann suchte er nach dem verlornen Sandal nach der Schule. Fantasie und Realität stärken sich darin wenn es niemals einen alle zufrieden stellenden Beweis gibt und doch hält der Mythos hartnäckig daran fest, es gäbe so etwas wie Spuren die die Argonauten hinterlassen haben.

Aus dem Gedicht von Seferis lässt sich einiges ablesen. Eindrucksvoll bleibt aber der Anblick der Männer die mit gesenkten Augen weiter ruderten bis sie nicht mehr weiter konnten, und doch nicht das Ende ihrer Reise fanden.

Den griechischen Mythos aus der Sicht der Gegenwart zu deuten ist nicht einfach. Zwar stimmt noch das Bild des goldenen Meers wenn die Sonne untergeht oder wenn Kinder auf einer Hafenmauer entlang laufen während in der Ferne die Schiffe den Horizont durchkreuzen. Aber es kommt keiner der noch behaupten würde er verstünde den Mythos der Argonauten als etwas das die Gegenwart bezeichnen würde. Natürlich, als Metapher kann er verwendet werden für das sinnlose Dahinleben als ob ein ewiges Rudern wo nur der Mann vor einem gesehen wird, aber halt auch nur sein Rücken. Doch von der Gerechtigkeit fehlt nach wie vor jegliche Spur.

Ist das was Seferis mit diesem Gedicht sagen wollte als er in seiner Zeit um den Zustand in seinem Land und in der Welt bangte?

Hatto Fischer

15.8.2013

 

 

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