Elytis und das Schweigen
Am Anfang war das Wort - leider können damit die wenigstens etwas anfangen. Bleibt also die Feststellung besonders die Philosophen tun sich mit dem Anfang schwer. Aus diesem Grunde wurde Hegels Phänomenologie so wichtig, und diente als Model für weitere Philosophen. Unter anderem wollte M. Foucault nach dieser Facon eine Phänomenologie der Sexualität schreiben, aber daraus wurde nichts. Er starb frühzeitig. Was aber dem entnommen wird, und oftmals in der Praxis eine Rolle spielt, ist das Verschweigen einer wahren Liebe und umgekehrt die Problematik einer Verdichtung an Schweigen über das Selbst. Das heisst, das Selbst hat sich auf etwas eingelassen, aber kann dies nicht als Selbstbefreiung auffassen, sondern im Gegenteil Sexualität kann nur unter der Bedingung genossen werden wenn nicht anschließend darüber geredet wird. Dies geschieht in der Regel wenn ein verheirateter Mann oder eine verheiratete Frau sich auf eine Liebesgeschichte einlässt und wie gesagt eine Zeitmodifikation im Sinne von Butors Beschreibung auf sich zukommen lässt.
Etwas anderes ist das Schweigen nachdem eine wahre Liebe zuende ging. Durchaus gewollt, so wird aus solch einem Schweigen eine Gewalt von der es kein Entrinnen mehr gibt. Keiner nahm das so deutlich wahr wie Elytis der durchaus des Zweiten Weltkrieges seine Erfahrungen mit solch einer durch Gewalt erzeugtem Schweigen machte.
In seinem "Sieben nächtliche Siebenzeiler" spricht er Anfangs nicht vom Wort, sondern von einem besonderen Zustand in denen er hinein gerät wenn er beginnt zu reden, und zwar nicht von irgend etwas, sondern von der Sonne. Denn dann macht er die Erfahrung, daß seine Worte von einer Rose umschlungen wird und dabei das Schweigen ihm mißglückt. Somit hat das Schweigen eine besondere Bedeutung für ihn.
In den von Günter Dietz übersetzten Strophen werden leider Nuanzen ausgelassen, um die Strophen als geschliffene Steine, die in der Sonne glitzern, erscheinen zu lassen. Es besteht dabei ein Bedarf das deutsch-griechische Verhältnis zu überdenken. Allzu oft wirkt da ein falsch verstandener Heroismus mit, wenn gleich die Nuanze im Verhältnis zum mißglückten Schweigen zu verstehen ist.
Schweigen kann Ökonomie der Worte bedeuten. Sie besagen ebenso etwas wenn zu viel geredet wird. Damit kündigt sich erstmals eine Kritik am Reden an. Es soll aber nicht das Reden selber negiert werden, sondern es wird ein Nachdenken gefordert ehe mit dem Reden fortgesetzt wird. Was aber soll passieren wenn weitere Worte sorglos über die Lippen passieren? Erst dann löst sich aus dem Schatten der Sprache das Ringen um die wahren Worte. Mittelbar. Unmittelbar. Umfaßbar. Und doch erst wahrnehmbar wenn das Schweigen zum Stein wird. Ein schwerer der sich grau färben lässt wenn die Wolken darüber sich verdichten, und das ewige Licht beginnt zu verschwinden. Nochmals gesagt es ist kein tönender Teppich den Liebrucks als Sprache versteht, und wo ein Klang andere ertönen lässt. Eher begibt sich Elytis in dieser Einleitung zu seinen 'Sieben nächtliche Siebenzeiler' auf einen Ausstand, der mit einem 'aber' eingeleitet wird, und das leider Günter Dietz in seiner Übersetzung in der Einleitung auslässt. Das 'aber' kommt in der vierten Zeile im Griechischen vor:
Wenn ich von der Sonne zu reden beginne
Schlingt sich in meine Worte
Rose aus Purpur
Das Schweigen missglückt mir
(Version von Günter Dietz)
Doch die Nuanze erhält einen Zwischenruf wenn die letzte Zeit wie folgt lauten würde:
"aber das Schweigen gelingt mir nicht"
Es würde außerdem einen Unterschied ausmachen, wenn Eingangs nicht 'von', sondern 'für' die Sonne geredet wird. Denn dann würde es den Dichter zum Fürsprecher des Lichtes selber machen. Aber genau diese Nuanzen machen Übersetzungen so schwierig. Es kann zwar nach komponiert und nachgedichtet werden, um alles in eine bestimmte Form zu bringen, aber das hiesse nur das missglückte Verhältnis zwischen dem orginalen Gedicht und der übersetzten Version abzudrängen, ins Schweigen zu verbannen.
Im Griechischen bedeutet Schweigen
σιωπή ...
Sieben nächtliche Siebenzeiler
I
Träume auf Träume kamen
Zum Geburtstag der Jasminblüten
Nächte um Nächte vergingen
Über dem klaren Wachen der Schwäne
Der Tau wird in den Blättern geboren
Wie im endlosen Himmel
Das reine Gefühl.
II
Der Sterne Strahlen brachte das Schweigen
Und hinter dem Schweigen plötzliche Melodie
Der Liebe
Zauberin anderer Klänge
So bleibt der matte Schatten
Und sein zerbrochenes Vertrauen
Und sein heilloser Taumel – dort.
III
Alle Zypressen weisen auf Mitternacht
Alle Finger
Ins Schweigen
Vom offenen Fenster des Traums
Entfaltet sich langsam
Geständnis
Und strebt wie ein Bild zu den Sternen.
IV
Eine Schulter
Entblößt wie die Wahrheit
Bezahlt ihren Preis
In der hohen Mitte des Abends -
Abend, der einsam leuchtet
Unter dem Sichelmond
Meiner Sehnsucht.
V
Die unbewachte Nacht überfielen Erinnerungen
Azur
Rubinrote
Gelbe
Ihre offenen Arme füllten sich mit Schlaf
Ihre ausgeruhten Haare mit Wind
Ihre Augen mit Schweigen
VI
Unerforschliche Nacht, Bitternis ohne Ende
Schlaflose Lider
Bevor er Schluchzen findet, glüht der Schmerz
Bevor der Tod gewogen, drückt er nieder
Lauern voller Untergang
Wenn das Denken in nutzloser Mäanderbahn
An den Knien des Schicksals zerbricht.
VII
Des Mondes Diadem auf der Stirn der Nacht
Über das offene Antlitz
Ziehen die Schatten
Der Schmerz von geübtem Ohr vernommen
Mündet unwillkürlich
In Gedanken, die vergeblich bleiben
Unter den Signalen der Schwermut.
Übersetzung von Günter Dietz
Laut dieser übersetzten Version steuert Elytis auf etwas zu, daß eine Ähnlichkeit mit einer verschwiegenen Liebe annehmen kann. Kaum wurde sie erlebt, entsteht die Entzweiung obwohl bevor dem Schluchzen beginnt der Schmerz zu glühen, und ehe der Tod einen erfasst, drückt er einen bereits nieder. Das sind Vorkommnisse in der Zeit und lassen eine Sequenz als Konsequenz erahnen.
Was ist also über dieses Gedicht von Elytis bekannt? Dem nachzugehen dürfte sich lohnen, um dem Schweigen etwas näher zu kommen.
HF
3.8.2013
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