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Hölderlins Empedokles (Berlin 1976)

 

Empedokles

Das Leben suchst du, suchst, und es quillt und glänzt Ein göttlich Feuer tief aus der Erde dir, Und du in schauderndem Verlangen Wirfst dich hinab, in des Aetna Flammen. So schmelzt' im Weine Perlen der Übermuth Der Königin; und mochte sie doch! hättst du Nur deinen Reichtum nicht, o Dichter Hin in den gährenden Kelch geopfert! Doch heilig bist du mir, wie der Erde Macht, Die dich hinwegnahm, kühner Getödteter! Und folgen möcht' ich in die Tiefe, Hielte die Liebe mich nicht, dem Helden
 

Hölderlin

Was war das nur für eine Theater Inszenierung an der Schaubühne als jene sich noch am Halleschen Ufer befand? Im November 1976 fand unter der Regie von Michael Grüber das Theater zum 'Hölderlin Lesen' statt. Die Bühne war geschickt zwei geteilt: auf der linken Seite befand sich eine Bahnhofswartehalle, auf der rechten die Bergspitze des Ätnas mit Empedokles. Was so unheimlich stark wirkte, war der Metapher der Bahnhofshalle. Es kamen nämlich keine Züge an, noch fuhren irgend welche ab. Folglich waren sämtliche Reisende, darunter auch Edith Cleaver, gestrandete Personen. Der amerikanische Tourist lief oftmals rüber zu den Fahrkartenschaltern die allesamt mit Rotkreuz-Decken verhangen waren. Vergeblich suchte er einen offenen Schaltern. In seiner Verzweiflung kleppte er einfach seine Reisekarte dran, um jemanden der vielleicht Interesse daran hat, zu zeigen wie viele Orte in Europa er bereits besucht hatte oder noch die Absicht hatte sie zu besuchen. Eldrige Cleaver packte ständig einen Koffer aus und ein. Sie hob die Wäsche hervor. Darunter befand sich ein Foto ihres Sohnes. Es wurde den Zuschauern mit der Zeit offensichtlich, er würde niemals von der Front zurückkehren. Der wichtigste Aspekt am ganzen Geschehen war aber das Warten auf die Züge. Die gestrandeten Reisenden glichen einem Volk, das noch immer darauf wartet, zu hören was der große Mann sagen würde. In der Gestalt von Empedokles mag sich vielleicht nicht jederzeit die Figure von Hitler wiederfinden, aber wenn der Sklawe sich nicht von seinem Herrn befreien will, wie Hölderlin das beschreibt, dann wird eine klaffende Lücke zwischen Wunsch und Realität sichtbar. Vor allem was dann, wenn alle nur dem Herrn dienen wollen, und dies durchs Aufgeben von Familie, Freunde, Zuhause, ja auch des eigenen treuen Hundes zugunsten des Herrn? Eine Krise tritt ein wenn er plötzlich obendrein nicht mehr sie braucht und sich vom dienenden Volk befreien will?

Das Theaterstück war einmalig in der damalige Zeit von 1976. Berlin war damals geteilt. Das löste aus die Frage, wie hätte Hölderlin diese Trennung empfunden und wahrgenommen? Schließlich war er ein Dichter der Einheit der sich vorgenommen hatte die politische Landschaft seiner Zeit poetisch wahrzunehmen. Stets begleiteten ihn dazu Vorbilder aus der Antike. Hölderlin war sensibel, folglich von Kindheit an abgestossen von den Männern und ihrer groben Sprache; viel lieber tummelte er sich im Dialog mit den Göttern, wie er sich ausdrückte, und dabei das wiedergab, was Kennzeichen der Romantik aber auch der Philosophie von Hegel war, nämlich ein 'Streben nach Höherem'.

Eine ganze Tragik ist darin verborgen. Wie kann es sein daß ein Gorki einen fluchenden Bauer bewundert weil dadurch die Geschmeidigkeit der russischen Sprache zum Vorschein kommt, und vergleichsweise ein deutscher Dichter seine Gegenüber verneint? Es ist ein Aspekt der zu bedenken gilt wenn Dichter und Denker eben nicht das grobe Volk lieben, und stattdessen diese unmittelbare Ebene fliehen wollen. Bei Goethe wird das zum Spruch, der einfache Mensch des Volkes wüsste nicht wie mit der deutschen Sprache umzugehen. Ähnliches liess Gadamer verlauten. Eine Elite, und sei es auch die Dichter und Denker miteinbezogen, die sich von den einfachen Menschen absetzt, wird nichts anders tun können als zu versuchen die Frage der Befreiung von der Bevormundung durch Herrschaft ewig einsperren oder wann immer sie auftaucht sofort zum Schweigen bringen zu wollen. Das Problem ist also nicht allein die Herr-Knecht Frage wie von Hegel so überzeugend dargestellt, sondern wie einseitig machende Abhängigkeiten abbauen, um ein insgesamt sozial gerechtes System zu schaffen? Diese Frage ist bis heute die wichtigste für die Politik, will sie sozialen Frieden stiften.

Die philosophischen Reflexionen dazu finden sich unter Hölderlin's Empedocles.

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