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Philosophische Reflexionen der Kunst von Ferruccio Marchetti - Hatto Fischer

  

   Prima e dopo l'immagine 1989 (olio su tela 140 x 140)              F. Marchetti

The works of Ferruccio Marchetti - opere dal 1969 al 1989 - were shown in URBINO, Palazzo Ducale, Sale del Castellare, dal 18 Novembre al 23 Dicembre 1989

 

Philosophische Reflexion

Ist der Maler mal aus der Gegenwart geworfen, wird alles zu einer unterschiedslosen Gewordenheit der Welt erklärt, um die Bilder aus der öffentlichen Meinung von was Sehenswürdigkeiten seien, zu verbannen. Folglich wurde Ekel, das nicht zu berührende Etwas, in der Kunst zum neuen Mittel der Provokation verarbeitet, aber bei Beuys wurde daraus eine aufklärerische Kampagne zugunsten der allgemeinen Kreativität. Und dennoch war die Bedeutung des Kunstwerkes an seine Aktionen gebunden, und dadurch unspezifisch gegenüber jener Grenze der Indifferenz, ab dann also das Kunstwerk vom Künstler selbst losgelöst betrachtet werden müsste.

Das Schwierige daran zeigt wie sehr Ferruccio Marchetti es verstanden hat nicht Reflexion mit Handlungen noch mit dem Werk selber zu verwechseln. Seine Bildsprache zeigt darum eine auf der Höhe des Bewusstseins für Farben, Symbole, Formen und Zeichen bestehende Möglichkeit, daß durch strukturelle Nahaufnahmen jeder in die frisch geborenen Zeichen hinein schlüpfen kann, um deren Sehenswürdigkeit bzw. brauchbare Wahrnehmungsweise nachgiebig auszukosten.

Die Welt des Seins frei von einem Vernunft-Glauben, dem Grund zu Sein, wird so zu einem Orchester der Farben: Seelenschwingungen, ganz leise ertönend, und im Wirrnis der Zeit immer lauter werdend bis Lebenshintergründe und die Vielfalt der menschlichen Motive abermals artikulierbar werden.

Klang nach Klang lassen gewisse Zusammenstöße vermuten: der Wind mit dem Wasser, das Auftreten der Füße auf einer alten Diele, das Herzklopfen gegen die Brust – bestimmte und darum hörbar gewordene Momente die in entscheidenden Situationen sichtbar gemacht werden und solange an der Laut- bzw. Bildoberfläche verbleiben, bis ihre Wirkung auf das 'Symbol der Symbole' zu einer resoluten Kraft geworden ist.

All das und noch mehr gibt den Bildern von Ferruccio Marchetti trotz deren ungewöhnlichen Darbietung eine Frische und eine Ausdauer. Sie stimmen mit der tatsächlichen Qualität der Bilder überein!

Statt in Chaos auszuufern, rufen diese Art Zusammenstöße eher neue Ordnungsprinzipien aus. Diese Ordnung wird aber erst durch die hervorgerufene Verwunderung über die unerwartete Wirkung sichtbar. Es ist keine explizite Kognition, sondern vorerst die Erzählweise des Malers: keine erhöhte Dramatik oder fingierte Erfindung zugunsten neuer Techniken, sondern als Erinnerung der Gleichmut mittels der die Dinge begegnet und aufgegriffen werden. Diese Gleichmut wird zur Passivität der Bilder: ein positives Schweigen als reiner Zustand der Sprache und darum frei von Repression, dem Nicht-Reden-Können über die Zustände der Welt.

Wie gesagt, den Eindruck den diese Bilder hinterlassen, ist nicht das Erkenntnis zu verwehren, dass es sich hier um eine Bedürfnis nach 'Sein' handelt, aber das Bedürfnis folgt erstmals einem explosiven Aufbegehren nicht länger im Zustand des Alleine-Seins mit diesem Wissen weiterhin am Rande der Welt, also im marginalisierten Zustand, verharren zu wollen.

Indem Ferruccio Marchetti bereits zu malen beginnt, unternimmt er die Anstrengung seiner und die der anderen Mündigkeit zu fördern. Er verlässt damit das klassische Monopol der Malerei, insofern sie laut Andre Malraux stets ins 'imaginäre Museum' zurückkehren wollen und darum sich als 'Hüter' von Illusionen verstehen.

Ferruccio Marchetti unternimmt deshalb den Versuch eine einschneidende Erfahrung zu vermitteln: die Welt ist nicht mittels Illusionen zu erklären, denn die Welt ist nicht durch Halbwahrheiten erkennbar. Insofern ist sein Bezug auf das aufgelöste Labyrinth zugleich eine Absichtserklärung, dass erst mit einem künstlerischen Bezug auf den ausgewählten Mythos, der dem Künstler angemessen sein muss, die Malerei ihren Beitrag zum Leben in dieser Welt machen kann. Die Rückkehr zum Mythos ist deshalb zugleich ein Verlassen der trivialen Ebene. Sie selbst wäre noch im Kennzeichen der Dramatik reich an Gesten. Vorkommnisse im menschlichen Leben haben dann schließlich zur falschen Verallgemeinerung verleitet und trotzdem machte sich in diesem Jahrhundert immer mehr die Trennung zwischen Alltagserfahrungen und denen der Wissenschaften bzw. Künste bemerkbar. Die Ausdrucksform von Ferruccio Marchetti erlaubt dagegen eine neue Übersichtlichkeit.

Hatto Fischer

Athen 1989

 

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