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Das Wahlergebnis in Griechenland und die Auswirkungen seit Jan. 25, 2015

Ende 2014 gab es hier eine große Fotoausstellung zur Depression. Ich habe einiges zu dieser Ausstellung geschrieben, siehe Era Depression - photos of Greek crisis Damit komme ich gleich zur Grundfrage, ob man sich Sorgen wegen dem Wahlergebnis machen soll?

Bedenkt man welches Schicksal linke Regierungen erlitten haben, und die griechische ist die Erste in Europa seit 1936, dann ja. Vor allem denke ich hier an Allende in Chile in 1973. Der Widerstand der Rechten im Westen kann sehr gewaltsam sein, sobald sie merken ihre Politik ist nicht mehr durch Scheinwerbung durchzusetzen. Auch gab es schon etliche Phasen in der griechischen Geschichte in denen eine mögliche links ausgerichtete Regierung gestoppt wurde, nicht zuletzt durch die Militärdiktatur in 1967. Allerdings meine ich heute sind die Verhältnisse stabiler als was den Anschein hat, wenn Du die erhitzten Gemüter nicht nur in der Presse, sondern in den verschiedenen Blogs und insbesondere auf der Straße z.B. Pediga in Dresden, hörst. Vor allem machte sich in Frankreich nach dem jüngsten Angriff auf Charlie Hebdo und dem jüdischen Supermarkt eine besondere Nüchternheit bemerkbar. Es kam wieder ein gutes politisches Denken zum Vorschein.

Ein ganz entscheidender Schritt wurde bei dieser jüngsten Wahl gemacht, um dieses Ergebnis zu ermöglichen. Denn viele verließen ihre bislang praktizierte anti-Politik Haltung und engagierten sich endlich wieder. Das bedeutet die Leute fühlen mit was jetzt geschieht, sie nehmen Anteil und vor allem wissen sie ihr Schicksal ist mit dem der Regierung eng verknüpft. Die Regierung kann nicht alles alleine. Es bedarf auch eine humane Solidarität und Mitverantwortung. So sagte bereits der neue Finanzminister, er ist gegen die 'Austerity'-Politik, aber auch für ein sparsames Leben. Er rief die Griechen dazu auf sich auf ihre besten Werte zu besinnen d.h. nur dann etwas auszugeben oder zu kaufen wenn sie das Geld dafür haben und also nicht auf Pump zu leben.

Einiges trug zum Wahlergebnis bei. Syriza hatte im Radiosender 'Kokkino' (Rot) eine wichtige Form der Verbreitung an Grundideen.  Auch organisieren sie sich für die Wahl in kleinen Teams die alle sich besonderen Themen und Aufgaben widmeten. Das ermöglichte auch die schnelle Regierungsbildung, binnen zwei Tagen.

Es ist entscheidend zu wissen was Menschen im Ausland gar nicht mitbekommen, insbesondere was die Besonderheit der griechischen Situation auszeichnet. Es handelt sich auch nicht nur um was die neue Regierung versprochen hat und denkt einhalten zu können, sondern was diese neuen politischen Ansätze in ihren Nuancen für die Griechen bedeuten.

Selbst die Jugend die besonders kritisch dem politischen System seit 2008 gegenüber stand, sie war vom Ergebnis überrascht. Manche sind sogar jetzt mehr als ihre Eltern von der neuen Regierung begeistert, weil eines demonstriert wird: Veränderung ist möglich.

Die Diskussion um den Schuldenabbau zeigt eines jetzt: es muss nicht dieses dämliche Wirtschaftsmodell auf solch eine orthodoxe Art und Weise durchgesetzt werden. Schäuble ist da ein Fundamentalist des Sparens wenngleich sein wichtiges Argument zugunsten der Wiederherstellung der Wettbewerbsfähigkeit nur relativ ist, da Deutschland und Griechenland im selben Markt sind und darum nur relativ denn der Gewinn des einen ist der Verlust des anderen.

Es ist nicht nur eine Frage welche Wirtschaftstheorie soll geltend gemacht werden. Es gibt z.B. die alt-chinesische politische Weisheit: in schlechten Zeiten soll der Staat reichlich spenden, weil dann das Volk aus Dank in guten Zeiten all das doppelt zurück gibt.

Ganz im Gegenteil treibt die heutige Politik die Leute immer mehr in die Armut und vor allem die Wettbewerbfähigkeit wird künstlich hoch gehalten, indem man künstlich Arbeitslosigkeit schafft. So kommt es dazu dass immer mehr Leute für nur einen Arbeitsplatz konkurrieren und darum die Löhne gesenkt werden können. Das war schließlich das Hartz IV Modell, um die Kaufkraft des Geldes durch menschliches Leben künstlich hochzuhalten.

Erst jetzt, mit dieser griechischen Regierung, die übrigsten nicht nur eine Koalition mit den Rechten, sondern auch mit den Grünen zwecks Abdecken der Umweltfrage, eingegangen ist, werden wirkliche gute Fragen gestellt. Es wird also unbequem werden für diejenigen die sich in Brüssel und in den oberen Etagen der Banken schön eingerichtet haben, und nicht von Menschen sprechen, sondern nur auf den Index der Börse achten. 

Noch mehr, die EU Entscheidungsfindung ist alles andere als von den Bürgern selber getragener Suche nach einer praktizierbaren Wahrheit. Bislang meinten die zum Europäischen Rat gehören, sie können alleine entscheiden und das als Vertreter ihrer Regierungen, während die Bürger selber nicht nach Brüssel schauten, sondern nur auf ihre nationale Repräsentation. Sie waren also in ihrem Blick stark durch die nationale Haltung eingeschränkt und darum kommt sehr selten eine Solidarität der Europäischen Bürger zustande weil sie keine Repräsentanz in Brüssel haben. Doch was meinen diese Vertreter von nationalen Staaten sagen zu können? Sie behaupten das griechische Volk sei Verpflichtungen mit den Europäischen Bürgern eingegangen, als es ums Sparprogramm ging. Doch die Troika war nicht das Ergebnis einer Bürgerbeteiligung an diesem Entscheidungsvorgang zugunsten einem 'bail-out' von Griechenland. Selbst als Papandreou Ende 2011 eine Volksbefragung ausrufen wollte, wurde er nicht nur zurück gepfiffen, sondern er musste seinen Hut nehmen und wurde von einem Technokraten ersetzt. Aber ich höre keine Kritik an solch einer populistischen Darstellung der Europäischen Finanzminister das Abkommen mit Griechenland sei von den Bürgern bewilligt und getragen worden.

Was diese Regierung vor allem auszeichnet ist eine soziale Sensibilität. Der Minister für Justiz machte sich einen Namen als Professor fürs Rechtswissenschaft indem er sich für ein Rehabilitationszentrum für Drogen Abhängige einsetzte. Der neue Minister der jetzt für die Polizei verantwortlich ist, und der nachgesagt wird viele Polizisten unterstützen Chrysi Avgi, der weiss wo ein wirkliches Problem liegt: bei den Jugendlichen die sich zu der anarchistischen Bewegung zählen. Er weiss es weil er selber einen Sohn hat der dieser Bewegung angehört und bereits deshalb auch schon im Gefängnis landete.

Oft wurde von der verloren gegangenen Jugend gesprochen, bei 50% Arbeitslosigkeit kein Wunder. Doch sie beginnt plötzlich anders politisch zu denken und sieht Politik ist nicht nur ein von unten kommender Prozess, sondern es bedarf auch eine gute von oben kommende Umsetzung wichtiger politischer Maßnahmen. Hinzu kommt noch dass der sehr angesehene Professor Baltsas, Philosoph der Wissenschaften, jetzt Erziehungs- und Kulturminister geworden ist. Seine Kenntnisse der Epistemologie wird viel dazu beitragen, die Verwendung politischer Begriffe kulturell in ihren Bedeutungen zu klären. Das wird wiederum die Suche nach einer öffentlichen Wahrheit fördern.

Nachdem viele fragten und das noch vor der Wahl, was zu erwarten ist falls Syriza gewählt wird, war meine Antwort: starke Vorstellungen. Die sind notwendig wenn der Mensch imstande sein soll die Realität infrage zu stellen statt von dieser Realität erdrückt zu werden. Meine Antwort formulierte ich in der Form eines Gedichtes (siehe Anhang: strong images).

Fürs Gelingen gibt es für mich zwei Grundbedingungen:

Die Erste ist dass die Menschen erstmals Vertrauen in den politischen Prozess fassen müssen, denn bislang sind sie skeptisch weil sie meinen es geht in der Politik doch nur um Macht und Geld. Vor allem haben sich bislang Politiker kaum oder nur wenig, wenn überhaupt ums allgemeine Wohl gekümmert. Das öffentliche Gut zählt gar nicht im Zuge einer Ideologie die meint die Lösung liege im Privatisierung von allem, vorab auch Strände obwohl es ein Grundkonsensus in Griechenland immer war ein jeder soll freien Zugang zum Meer haben. Aus diesem Grund werden alle Privatisierungsvorhaben jetzt rückgängig gemacht. Doch hier kann diese neue linke Regierung einem alten Fehler hinterher hinken, weil neben den Eigentumsverhältnissen gilt es auch auf die Gewaltverhältnisse in der Gesellschaft zu achten d.h. nicht alleine ob in privater oder nationaler Hand ist entscheidend, sondern es darf keine Gruppengewalt gegen den einzelnen geben, um Konformität zu erzwingen.  

Zweitens bedarf es einen neuen Gesellschaftsvertrag bzw. Verfassung weil die in Griechenland existierende seit 1975, also nach der Junta, eine ungerechte ist. Sie enthält auch Grundsätze die die reichen Reeder von sämtlichen Steuern befreit. Es wäre also klug diesen Prozess zu unterstützen und darum plädiere ich dafür die neue Verfassung für Griechenland mit einer Verfassung für ganz Europa zu verknüpfen.

Solange die Menschen allzu sehr ans System angepasst sind, können sie das wirklich größte Problem nicht angehen, und dennoch leiden sie alle unter dem Verlust an menschlicher Identität. Das hat mit dem ganzen Wertesystem das das System trägt, zu tun. Die Koalition in Griechenland bietet zum ersten Mal die Möglichkeit die Wertproblematik anzugehen. Allerdings sei an eine Warnung von Cornelius Castoriadis zu erinnern: Werte werden gesetzt, sind also nur sehr schwer zu diskutieren, und will einer sie verändern, verleitet das häufig nicht nur zum Konflikt sondern auch zum Krieg. Die Suche nach menschlichen Werten ist also eine Aufgabe Kreavitität und Humanität so zu verbinden, indem die Probleme klar benennt werden und die politischen Konzepte nicht in eine Sackgasse verleiten, weil sie nicht den einfachen Menschen anerkennen. Aber ohne Liebe für die Menschen gerät die ganze Politik sehr schnell auf falsche Abwege.

Natürlich machen die neuen Minister die selben Fehler wie die Grünen als sie zum ersten Male an die Macht kamen. Der Fehler ist zu meinen wer ins Mikrofon spricht, macht bereits Politik. Doch die Umsetzung einer vernünftigen Politik ist ein langer Weg, insbesondere da die Verwaltung mitein bezogen werden muss und das verlangt auch solch eine Kommunikation so dass die Menschen die Maßnahmen verstehen und umsomehr in ihrem Alltag mittragen können.

Der Übergang von einer alten zur neuen Regierung ist vor allem ein Beispiel für den demokratischen Machtwechsel. Nicht unbemerkt blieb dass Samaras als ehemaliger Premierminister nicht einmal anwesend war als Tsipras ins Haus des Premierministers kam. Stattdessen fand er alles leer geräumt: keine Toilettenseife, kein Toilettenpapier, kein Geld in der Kasse und noch mehr sämtlichen Computern fehlten die Harddisks. Offentsichtlich wollte Samaras sämtliche Spuren tilgen. Wer weiss was er hinter geschlossenen Türen alles getrieben hatte, und wieder machten alle westlichen Regierungen mit. Samaras hielt nicht einmal die sonst üblichen wöchentlichen Pressekonferenz ab, noch tagten seine Minister im Ministerrat nicht einmal in den zwei Jahren.

Manchmal zählen auch symbolische Handlungen. So wurde als erstes der Zaun der das griechische Parlament umgab, abgebaut, weil die Bevölkerung keine Bannmeile ums Parlament braucht, schließlich ist es ihr Parlament.

Auch ging Tsipras als erstes zu jener Stelle wo 200 Widerständler von deutschen Truppen hingerichtet wurden. Das war 1944. Das schließt eine historische Wunde weil bislang noch nie von einer griechischen Regierung anerkannt. Darum sagt einiges der Artikel: 'A break in Greek tragedy'. 

Ich hänge außerdem noch diesen Artikel, 'Thank you, Greece' an, weil diese Regierung und Land es wirklich mal ernsthaft unternimmt die Vision von Europa auf ein ethisches Fundament zu stellen. Reform bedeutet dann die erneute Regulierung des bereits Regulierten wie bei einem Motor, aber das wirliche Problem wird erst gesehen wenn vieles überhaupt nicht reguliert ist und darum kommt es leicht zur Korruption als Art zu Überleben in einem selbst korrupten System. Siehe Juncker und was er als Premierminister in Luxembourg sich leistete, doch als Belohnung für diese harte Arbeit hinter verschlossenen Türen bekam er den Spitzenposten als Präsident der Kommission. Das geht nicht.

Europa braucht Zeit, aber es ist an der Zeit sich der Wichtigkeit einer Verfassung zu stellen. Der gescheiterte Verfassungsvertrag von 2005 hinterließ die Europäischen Institutionen ohne moralischer Legitimation. Wenn also Europa eine Gleichzeitigkeit herstellen will, dann durch eine Verbindung der Suche nach einer neuen Verfassung in Griechenland mit der Herstellung einer für alle gültigen Europäischen Verfassung.

Hatto Fischer

Athen 29.1.2015



Im Anhang:

 

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