Ποιειν Και Πραττειν - create and do

Skulpturgestalten

Die sitzende Frau, 1979

 

Der Kunsthistoriker Hans Haufe sagte einmal wenn man einen Künstler und seine Arbeiten verstehen will, dann am besten wenn man die Entscheidungen, die ins Werk einfließen, mit bekommt. So war es auch mit Azade Köker. Eines Tages rief sie mich ihn ob ich nicht Zeit im Atelier vorbei zu schauen, sie wolle mir eine neue Arbeit zeigen und meine Meinung dazu hören. Es handelte sich um eine fast nackte Frau mit Schleier. Man muss sich den Zeitpunkt vergegenwärtigen: 1979. Azade Köker war stets zeit gemäß in ihren Antworten auf gesellschaftliche Vorgänge. Damals kehrte Khomeiny in den Iran zurück. Die Verschleierung der Frau spielt seitdem eine entscheidende Rolle im Islam. Ich gab ihr meine Meinung zu verstehen. Zwei Wochen darauf waren die Augen verändert. Ab dann hatte sie die Figur als 'meine Geliebte' getauft, und lachte dabei verschmitzt.

Damals hatte sie noch ihr Atelier nahe dem Samstag Markt auf der Pezzalozi Straße hatte, und wir stets nach unserem Einkauf bei ihr und Fahir einkehrten, dort etwas Tee bekamen, auch türkisches Fladenbrot, Käse und Oliven, während wir ihr bei der Arbeit zusahen.

Oft war Fahir dabei bereits bestellte Arbeiten in Zeitungspapier sorgfältig einzupacken, um sie dann gekonnt in bereit stehende Kartons zu legen. Außer Vasen und Schalen schaffte sie kleine Gegenstände die ihre spielerische Natur sehr genau wiedergeben, so auch eine Reihe genannt Häuser als Gesichter die auf die Straße schauen.


    

Der Humor von Fahir brachte uns zum Lachen während Azade genau zusah und oftmals die Unterhaltung mit sehr klaren Fragestellungen auf neue Wege brachte.

Azade Köker schafft etwas das stark an die Art und Weise wie Leben entsteht und geformt wird, erinnert. Entsprechend roh lässt sie die Spuren dieses Formen als fertige Arbeit einfach bestehen.

   

Nachdem Fahir leider im April 1982 starb, beendete sie diesen ersten Abschnitt ihrer Arbeiten zweierlei. Wiederholt fertigte sie ein Sterbebett aus Ton an, und im Krankenhaus fing sie zu malen denn nur in ihrem Atelier hätte sie weiter arbeiten können. Zugleich deutete sich ein Übergang von einer Künstlerin die noch Gebrauchskunst herstellte zu einer die ihre Skulpturen als selbstständige Gestalten im Raum stehen lassen konnte. Dadurch erhob sie den Anspruch auf ein künstlerisches Dasein und wofür ihr sehr bald wichtige Anerkennungen zuteil wurden.

In dieser entscheidenden Phase, markiert von einer Trauerarbeit ihrerseits, kam es zu einer großen Ausstellung im Künstlerhaus Bethanien in 1984.

In Verbindung damit steht die Skulptur einer sitzenden Frau die draußen auf der Cuvrystraße aufgestellt wurde, und auf deren Schoß die Kinder sich liebend gerne nieder lassen.

Beides zugleich war ein Art Durchbruch für eine türkische Künstlerin in der deutschen Gesellschaft die nicht sich nicht leicht mit dem Neuartigen, ja Fremden tut. Doch die Kraft in den Arbeiten von Azade Köker sind überzeugend, denn sie sprechen ihre eigene Sprache. Jene ist als 'Mutterzunge' weder Deutsch noch Türkisch; eher ist sie ihrem Kunstverständnis nach zugleich universell und konkret. 

Ausgehend von Skizzen ist die Entstehung eines Kunstwerkes bei ihr ausgerichtet, wie gesagt, auf eine bestimmte Fragestellung.

 


   

 

 Daraus entstanden dann Variationen an Kopfgestalten.

 

  

   "Großer Kopf", 1986. Terrakotta/Stein, 32 x 66 x 20

 In der Fischerplatz Galerie stellte sie dann vom 5.Sept. bis 15.Okt. 1986 weitere Skulpturen und Malerei aus, darunter auch wieder ein Frauenkopf.

  

   Die Kämmende, 1986 (90 x 40 x 30)

 

Azade Köker war im Begriff diese Tonarbeiten wegzuwerfen. Kurzerhand rettete ich diese rohe Skulptur, da direkt von ihren Händen geformt und entsprechend einmal nur gebrannt. Seitdem befinden sich diese Frauen stets in meiner Nähe, mal in der Küche, mal auf dem Schreibtisch.

 

    

           Zwei Frauen beim Plaudern auf der Bank

Interessanterweise erinnert mich diese Arbeit an eine Inszenierung von Kurt Kreiler. Er spielte gleich drei Frauen, wobei Annaliva die Imaginäre war, während die zwei Waschfrauen sich über die Dritte ausließen. James Joyce beschreibt diese Szene am Fluss als ein typisches 'gossiping' über Annaliva. Zum Beispiel wunderten die beiden Frauen sich immer wieder wie Annaliva so viele Männer hatte. Seitensprünge ergaben eine Menge an Kindern. Die Frauen verglichen Annaliva zum Fluss mit vielen Nebenflüssen, wobei von Interesse ist, dass noch keiner bis zur Quelle vorgedrungen war. Es bleibt dem Leser oder Zuhörer überlassen weitere Schlüsse aus dieser Analogie von Annaliva zum Fluß zu ziehen.

Hatto Fischer

Athen April 2016

 

 

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