Dialog mit dem Schweigen - Paros Gedichte I 2008
Das Haus auf Paros
Die Prosa-Gedichte und philosophischen Notizen dazu entstanden zur Zeit eines Aufenthaltes im Haus von George Crane, Autor von 'Bones of the Master' und 'Beyond the House of the false Lama'. Das Haus befindet sich auf der Insel Paros. Das war im Sommer von Juni 2008.
Inhalt
Der Schriftsteller
Das Verlangen nach Leben in einer Landschaft mit Mauern
Gedanken zum Trocknen
In Erinnerung an sie
Die Landschaft
Philosophische Notizen zum Liebesspiel, oder wie alte mit neuen Regeln ersetzen
Der Liebende als Blinder
Weg vom Ritual
In der Freiheit braucht er nicht ihr Schweigen, um sein Schweigen zu verstehen
Im Schatten des Hauses
Das Schweigen
Das Schicksal ändern zu wollen ist selber ein Schicksal
Zählt das Leiden oder die Macht?
Die offene Hälfte der Tür
Objekte der Philosophie
Despotiko
Die dem Objekt (der Begierde) innewohnende Gesetze
Im Zeichen des Schubkarren
Was folgt daraus?
Entführung – Verführung von Europa?
Habe keine Furcht vor dem Bösen
Zuwider der Gleichgültigkeit – Rede über verwundete Seelen
Obhut
Der Schriftsteller
George Crane
Ohne zu wissen, wie es dazu kam, wurde er zum Zeuge
eines Dialogs mit dem Schweigen. Er tat es an einem Ort
auf Paros wo die Stille jeden Tag den aufkommenden Wind
erneut heiratet, ihm aber untreu wird sobald der sich abends legt.
Untreue in der Natur heißt einfach Entstehen im Vergehen.
Im Unterschied dazu gleichen strauchelnde Menschen
den rollenden Bällen ausgetrockneter Grasbüscheln,
sobald sie aus dem Windschatten des Hauses treten.
Ahnend die kommende Hitze im Sommer verließ er Athen,
um im kühlenden Wind auf des Insel Paros zu schreiben.
Es war nicht allzu lange her, dass er als Schriftsteller
Vom Haus in aller Einsamkeit träumte, und plötzlich war es da.
Und welch ein Haus in was für einer sagenhaften Landschaft!
Der Wind gab ihm das Gefühl er sei wieder auf einem Schiff.
Er liebte es jeden Tag vorbei an seinen Trauminseln zu segeln,
Um nachts hinauf zu den Sternen und tags zurück zum Schreiben,
Im Wissen all das kennzeichne seine Suche nach ihrer Liebe.
Das Haus empfing ihn ohne nach seinen Träumen zu fragen.
Aber an Ruhe war nicht zu denken. Der Wind war stets anwesend,
Mal mächtiger, mal zurückhaltender, aber dann wieder stürmischer
So als könne er sich nicht beherrschen, ja wollte einfach frei sein.
Ebenso erging es ihm und darum hielt er sich nicht länger zurück.
Er wollte seinem Traum nachgehen, vertieft in sich sehen, selbst kritisch
Sein, aus dem Wunsch heraus ihr Schweigen endlich zu verstehen.
Er nannte solch eine Traumarbeit die Suche nach ihrer menschlichen Stimme.
Der Wind half ihm dabei. Dabei entdeckte er sein Schweigen.
Das Vorbestimmte, etwas im Leben Hervorragendes, kann wie der Berg
In einer vom Vollmond erhellten Landschaft erahnt werden. So kam
das Verlangen nach ihr im neu gefundenen Schweigen endlich zur Ruhe,
Weil befreit von ihrem Schweigen, er Zeuge einer Heirat wurde,
Eine die sich jeden Tag auf Paros zwischen Wind und Stille vollzieht.
Das Verlangen nach Leben in einer Landschaft mit Mauern
Das Verlangen nach Leben gleicht einem ewigen Dahin-wandeln im Traum
weil auf der Suche nach etwas wahren, doch in Wirklichkeit sind die Helden
die von dannen gezogenen Bauern. Die Ferne rief sie. Niemand lockt sie wieder.
Während die zurück gebliebenen Felder in ihrem ausgetrockneten Zustand
anscheinend vergessen haben die Furchen die sie einst zogen,
stehen noch heute die Mauern die sie gleich einem Hahnenkamm
dem Berghang hochzogen. Sie verlaufen am Rand der Felder immer weiter
nach oben und das ohne zurückzublicken. Die Mauern besagen es:
immerzu wurde im Schweigen gearbeitet, selten gelacht -
Giannis da unten, Jorgios weiter oben. Kaum kamen sie tagsüber zusammen.
Nur manchmal legten sie gemeinsam Stein auf Stein, um die letzte Lücke
in der Mauer zu schließen. All das brauchte seine Zeit. Jahre vergingen dabei.
Den Frauen daheim blieb es überlassen dem Geruch der Erde nachzugehen.
Was lässt das noch zu? Die Heirat zwischen Wind und Stille scheint da leichter.
Stumm saßen sie am Tisch, doch so bald außerhalb der Hütte, folgten ihre Blicke
dem Schweigen hinab ins Tal. In der Ferne verlief sich der Pfad. Wo die Zukunft?
Angesichts all dem liess er seinen Blick zugleich nah und fern streifen.
Er stellte fest, diese Landschaft will keine Unruhestifterin, nur die Akropolis sein.
Angesichts einer Geschichte bestehend aus Verteidigung und Erorberung
wurde sie zu einer natürlichen Begleiterin seiner Gedanken und Träume.
Da nun mal von ihr verlassen, wandte er sich erneut seinem Buch zu,
um über das ‚Ja’ zu schreiben, jenes das er versäumte ihr zu sagen, damals,
als der Wind es noch zuließ ihren Atem zu spüren. So nahe war sie ihm mal!
Gedanken zum Trocknen
Er vernahm einen Ruf! Oder war es nur sein Wunsch?
Er hörte ihn erneut im Windschatten des Hauses
gleich einer Antwort aufs Flüstern in der Stille,
nachdem der Wind sich in der steinigen Landschaft
zum Schlafen gelegt hatte. Zeit zum Nachdenken.
Vorstellbar die eindringlichen Augen des in aller Höhe kreisenden Adlers.
Entsprechend diesem Blick wollte er herausfinden wohin ihre Gefühle liefen.
Fühlte sie sich tatsächlich von ihm gejagt, entlang dem steinigen Weg,
hinauf jenem Berghang, bis zum Gipfel, oder auch umgekehrt, bis hinab ins Dorf?
Angesichts solch einer Landschaft
wuchs sein Verlangen
alles mit ihr teilen zu wollen.
Seelische Wünsche! Schweigen in Überfülle. Jeder Stein seufzte.
Schwerer wiegte auf seiner Seele was als Vorsatz fürs Nachleben
auf seinem Grabstein in dieser Landschaft mal stehen sollte:
„Hier schaffst Du es ganz allein in aller Stille zu ruhen!“
In Erinnerung an sie
Jeder Stein für sich. Nur an windstillen Tagen ruht diese Landschaft.
Aufsaugend die Wärme der Sonne, gekühlt vom Wind, tauschen die Steine
die Gefühle für diese Landschaft mit einem Gesicht voller Tränen aus.
Die Steine brauchen solch ein Gesicht, um den Weg zur Liebe zu wissen.
Viel Rätselhaftes liegt auf dem Tisch herum. Ihr Schweigen kam ohne Vorbote.
Nach dem Frühstück sammelte er sich, um an sie zu schreiben. Vergeblich.
Da gibt es eben jene kleine Steinskulptur die er in Erinnerung an sie baute.
Nur was am Abend zuvor bei Mondlicht zur Sprache kam, war unglaublich.
Da schien es als würde sie ganz real vor ihm im Mondschein tanzen.
Ihre Schönheit beschwor die Stille, gleich dem Gedicht das den Stein anspricht,
Um anwesend zu sein. Keine Zeit zum Warten wenn das Verlangen pocht.
Nur die lebenslängliche Treue wird unvorstellbar wenn die Liebe ausbleibt.
Statt also an diesem Morgen an sie zu schreiben, wartete er lieber auf den Wind.
Er ahnte eine sagenhafte Heirat an diesem Tag stünde bevor. Alles fing leise an.
Vorab die Stille in dieser Landschaft lauschte erfreut auf den kommenden Wind.
Er wusste sich auf dem selben Weg. Sein Atmen die Gleichung dieses Tages.
Die Landschaft
Die Wortstille entlang dem Atemweg
kennt keine Grauzone, heiratet sie doch
jeden Tag erneut den Wind.
Der wirft Gedanken einfach durcheinander,
oder durchzieht die Landschaft wie ein Wilder.
Die Stille läuft dann rauf und runter dem Berghang
weil sie vergeblich den Wind sucht, wenn der ausbleibt.
Alsbald meißelt sie Worte in die Steine die Schatten spenden,
oder schleicht entlang Konturen der Erde die Gerüche verstreuen.
Denn selbst in aller Trockenheit ist da eine Fruchtbarkeit vorhanden
die der Wortstille Fundstücke seiner Geschichte übergibt.
Staub davon wirbelt der erneut aufkommende Wind zum Schreiben auf.
Er füllt die Muscheln des ehemaligen Sees der hohen Lüfte
mit Klangfarben ihrer sagenhaften Stimme, zaghaft wie immer,
so dann stillen die Worte im Wind sein Verlangen von ihr gehört zu werden.
Sie verstand das Zuhören als eine Reise in die weite Welt hinaus.
Darum nahm sie freiwillig an sich das ganze Gepäck,
ja sie lud sich mehr auf, als was ein Esel tragen kann,
und sagte bloß dazu, nur so sei an ein Vorankommen zu denken,
und machte sich tatsächlich eines Tages auf den Weg.
Da stand der Berg zum Abschied beiseite.
Sein Schatten fiel dem Hang herab wie ein Bart.
Lange schaute er ihrer dahin eilenden Figur nach bis sie
auf dem Weg hinab ins Tal aus der Sicht verschwand.
Danach begab sie sich seiner Vorstellung nach
zum Fluss,
zur See,
aufs Schiff
mit Segeln
mal gehisst
bald nicht mehr
sichtbar am Horizont.
Philosophische Notizen zum Liebesspiel, oder wie alte mit neuen Regeln ersetzen
Der Traum vergeht nicht. Er lebt
weiter wie der ausgetrocknete Busch
ganz nahe, zur Erde vom Wind gedrückt.
Er fordert die Liebe heraus, stärkt Widerstand
gegen das Gefangen-sein, jene Sehnsucht
nach der nicht mehr erlebbaren Gemeinsamkeit.
Vom Dach tropfen die letzten Reste vom Regen
Der die Wasserspeicher zwar erneut füllte,
doch die Trockenheit, die rings herum herrscht,
sie verlangt eine Ökonomie die er als Stadtmensch
erst noch zu erlernen hat, will er hier verbleiben.
Dann kommt überraschend ein Besuch,
und bringt mit sich ein wichtiges Geschenk,
nämlich Verständnis für was seine Seele plagt.
Ihr Zuhören kommt bei ihm ähnlich zum Kuss an.
Es lässt die Schmerzen vergessen, zumal endlich
es so etwas wie eine gute Verständigung gibt.
Er erinnert sich dabei wie einst die Gespräche
mit ihr verliefen, sie seine Philosophie neckte.
Philosophischen Notizen – erste Eintragung
Wenn Baudrillard fragt, 'was ist los mit dem Körper des Märchens?', dann handelt es sich womöglich um eine vergebliche Aufhebung der Fiktion, zumal die Welt nicht nur aus Objekten, sondern ebenfalls aus politischen Konstrukten, so auch die Europäische Union, besteht. Oder umgekehrt, wann kann das Märchen ähnlich zur Gesellschaft nicht bloss auf einen Körper reduziert werden? Gewiss, Märchen und eine lebendige Phantasie bestehen solange es eine dialektische Kraft gibt, die den Fluß des Erzählens stärkt. Dann schweben die Objekte Chagall-ähnlich in der Phantasie, insofern das Märchen Gestalt am Ufer eines magischen Fluss annimmt. Nur die Philosophie kommt nicht umhin, den Schein der Dinge erklären zu müssen oder vielmehr verdrängen zu wollen. Letzteres geschieht wenn sie nicht das Nicht-Wissen offen zugibt. Dann verfängt sich die Philosophie bei der Suche nach etwas Festen im ewig
Effloreszenzen!
Warum? Das Licht gibt der Sprache das materielle Sein, wobei die Wörter erst durch das Schweigen ihre Kraft und darum Bedeutung erhalten. Nicht als Zeichen von Unterdrückung und Zensor, sondern das Schweigen als ein aktives Zuhören der anwesenden wie abwesenden Menschen kann solch einen ökonomischen Sinn für wirkliche Bedeutungen bewirken. Denn solch ein Zuhören enthält Raum-Zeit Bestimmungen die von einer ganz anderen, viel feineren Art als jene von Kant Vorgegebenen bestimmt sind, und darum eine andere Entwicklung vorweg nehmen. Die Zustimmung, also die Anerkennung von etwas wahren, erfolgt erst dann, wenn das Ausgesprochene vom Rhythmus des Lebens gekennzeichnet ist. Darum lässt solch ein ökonomischer Sprachgebrauch den Unsinn u.a. einer romantischen Liebe wegfallen, und bewirkt das das Ausgesprochene bei den schweigenden Zuhörern etwas klangvolles, also imstande das menschliche Bewusstsein zu berühren, anspricht. Während bei Kant das affezierte Bewusstsein der Vorstellung des Gesetzlichen entsprechen muss, kann bei solch einem befreiten Sprachbewusstsein die bloße Andeutung als Aussage ausreichen...insofern ist mit dem Körper des Märchens etwas los, wenn Worte nicht länger den Sinn der Phantasie erfüllen.
Worte
meine Fallschirme
mit Euch springe ich ab
wer Euch öffnet
schwebt
T.B.
Da seine philosophischen Notizen in einer sagenhaften Landschaft entstanden sind, will er damit besagen, dass die heutige Welt dringend solch ein Schweigen braucht, weil ansonsten der Gefahr ausgesetzt, nur von allzu vielen überflüßigen, gleichfalls rhetorischen Reden verschüttet zu werden. Seine Mutter sagte ihm immer wieder: die Welt benötige Künstler, aber die brauchen Menschen die zuhören.
Was aber ihn betrifft, so will er nicht länger ihrem Schweigen, gleich bedeutend mit einem 'totalen Abbruch an Kommunikation', ausgesetzt sein. Er kann das nur wenn er seine eigenen Regeln ihr gegenüber aufstellt.
Die Geschichte sei schnell erzählt. Am Ende ihrer Liebe zu ihm stellte sie folgende Regel auf: "er solle es nicht mehr versuchen mit ihr zu kommunizieren." Er gab ihr als erste Antwort zu bedenken, dies käme ihm ähnlich zum lebendig begraben vor. Solch ein Schicksal erlitt Antigone die weder lebendig noch tot in einer zugemauerten Höhle eingesperrt war. Er könne sich also kein Leben ohne irgend einer Kommunikation mit ihr vorstellen. Schließlich habe er ihr seine Seele gegeben, sie aber auch ihm die ihrige. Diese Seelenverwandtschaft gab ihnen nur noch die Aussicht selbst wenn nicht mehr auf der Oberfläche miteinander kommuniziert wird, dann aufs Klopfen ihrer Herzen unter Wasser zu horchen.
Dennoch beging er einen gewaltigen Fehler – um ihren Zorn auf ihn etwas zu beschwichtigen, aber auch aus Hoffnung doch noch irgendwie das grausame Ende abwenden zu können, ja, um ihr einfach zu gefallen, versprach er leichtfertig, dass er es nicht mehr versuchen würde mit ihr zu kommunizieren. Das geschah als sie sich nochmals gegenüber saßen, um ihr bereits zuvor am Telefon ausgesprochenes Nein persönlich zu validieren. Er hatte darauf bestanden.
Trotz dieses Versprechens hielt er sich nicht daran. Erst brach er es fast zwanghaft jeden Tag, dann wiederholt in unregelmäßigen Abständen und zuletzt wenn eine besondere Erinnerung an sie ihn streifte. Er versuchte immer wieder mit ihr in Kontakt zu kommen, sie dazu bringen mit ihm zu reden, ihm Antwort zu geben, und noch mehr, denn das war seine tiefere Hoffnung, etwas von ihrer Emphatie abermals zu verspüren. Was ist da schlimmer: der Grund für ihr erstes Schweigen oder sein Brechen dieses Versprechens?
Er wusste in den ersten Monaten nach diesem plötzlich Abbruch nicht zuerst wie sich zu helfen. Er wehrte sich verzweifelt gegen dieses Verbot zu kommunizieren. Es schien ihm als wolle sie durch ihr Schweigen bezeugen angeblich hat es niemals diese Liebe gegeben. Mit der Zeit wich der Schmerz zurück wie der Schatten seiner Selbst. Er weinte nicht mehr allzu sehr. Und nachdem er auf Paros all das zu reflektieren begann, verschmolz sie als Objekt und Subjekt seiner Begierde mit einem Wunsch nach tiefer gehenden Versöhnung.
Er sah endlich ein nicht nur er, sondern auch sie hatte das Schweigen nicht verstanden, ja, sie hat ihn vorzeitig aufgegeben, obwohl er zu ihr kommen wollte. Aus ihrer Verneinung entstand etwas zwanghaftes, etwas künstliches, um so mehr ungewolltes. Diesen Widerspruch zu der einst vorhandenen Liebe musste er klären, und gleichzeitig konnte er diese Liebe nicht aufgeben. Jemand sagte darum über ihn: "er würde niemals von ihr loskommen!"
Solch ein aufgezwungenes Schweigen, meinte Foucault, käme gleich einer Vernunft ohne Sprache, doch eine Phantasie ohne Sprache mündet im Wahnsinn. Dieser Gefahr wollte er entgehen. Aber erst auf Paros kam ihm beim Lesen von Baudrillard ‚zum anderen Selbst’ – es war ein Geschenk von ihr - der Gedanke, er müsse selber seine eigene Regel aufstellen, um nicht der ihrigen zu unterliegen. Kaum hatte er den Entschluss gefasst, schickte er ihr eine 'sms'. Oh diese virtuelle Kommunikationswelt! Die neue Regel, die er schickte, lautete: 'Niemals den anderen in Stich lassen'. Ob sie sich davon überzeugen liesse? Er bezweifelte es sehr. Wie soll eine neue Regel das Geschehen der Trennung rückgängig machen? Sie war, wie es schien, fest entschlossen nicht noch einmal diese Liebe zuzulassen. Die Tür hatte sie geschlossen. So blieb er alleine zurück mit der Frage, wie treu kann er ihr sein wenn selbst nach Jahren sie noch immer schweigen würde? Kann er aber auch endlich mal ruhig halten, sie nicht länger stören, um ihr die Chanze zu geben von sich aus eine Öffnung in seiner Richtung zu wagen? Etwas erschwerte das Ganze.
Schließlich war das ganz anders zuvor. Sie kommunizierten ständig miteinander und oftmals am selben Tag gleichzeitig per sms, Telefon, emails, und in der Wirklichkeit wenn nicht mit Küssen dann mit handgeschriebenen Briefen. Zuletzt hatte sie den Chatraum von Skype entdeckt. Ihre letzte Frage beim damaligen Abschied war eine recht seltsame gewesen. Sie fragte ihn ob er nicht bemerkt hat, dass sie damit aufgehört hatte handgeschriebene Briefe an ihn zu schicken? Da er nichts bislang bemerkt hatte, antwortete er ihr mit einem schlichten ‚Nein’! Das allein besagt wie nichts ahnend er in etwas hinein stolperte, das ihm die Vorfreude auf ein gemeinsames Leben mit ihr endgültig nahm.
Einst hatte sie ihm ein wunderbares Geschenk gemacht. Sie hatte für ihn ein Album voller Fotos mit knappen Beschreibungen angefertigt. Es trug den Titel: "die Farben meiner Träume!"
Der Liebende als blinder Bettler
Als Liebender zum Bettler geworden,
so flehe ich Dich an, liebe Frau,
bitte schenke meiner winzigen Seele
die Achtung die sie verdient,
weil daran kann ich mich hochziehen,
aufrecht stehen, in Deine Augen sehen,
sofern Du mir Mut gibst zu mir selber zu stehen.
Schließlich was kann ich als armer Bettler
mir noch mehr wünschen
als Deine wärmende Hände,
oder ein Lächeln das über Dein Gesicht huscht
gleich Kometen im Sternenhimmel.
Alles was ich verlange, ist einfach gesagt:
ich bitte Dich darum der Liebe
Deine ganze Aufmerksamkeit zu geben,
weil ich dann nicht mehr betteln muss,
um den ganzen Tag bei Dir zu sein.
Philosophischen Notizen – zweite Eintragung
Noch heute fragt er sich: wie kann ein Liebender etwas voraussehen, wenn zum blinden Bettler geworden? Zumal war er zu jenem geworden, weil er sich der Gewissheit dieser Liebe anvertraut hatte, um den Weg zu ihr zu finden! Nur im nachhinein sah er ein, und dann zu spät, daß sie ab einem bestimmenten Moment all das beenden wollte. Oder wollte er solch ein Ende einfach provozieren, um sich endlich von ihrem Grundsatz, zu lieben der Liebe zuliebe, zu befreien? Also eine Liebe ohne wirklich eine Beziehung einzugehen, denn sie streitete das ab, weil für ihre Begriffe etwas zwanghaftes, etwas negatives. Immerzu sagte sie, keiner habe das Recht einem anderen eine Beziehung aufzuerlegen. Damit fehlte vollkommen die Verbindlichkeit, oder war das eher ein Ausdruck ihrer Bindungsangst?
Aus vielen Erlebnissen gehen einmalige Einsichten ins seelische Leben des anderen hervor, doch eine verwundete Seele schreit oftmals da, wo keiner das hören kann. Intimität beginnt mit dem menschlichen Schrei. Auch das Alleine-Sein! Picasso hat darauf aufmerksam gemacht.
Beim allerletzten Gespräch widersprach er ihr, denn wie kann sie daran denken etwas beenden zu wollen, was sie noch nicht wirklich begonnen hatten - ein gemeinsames Leben. Bislang erlebten sie ihre Liebe beschränkt auf drei bis fünf Tage, also wenn er in ihrer Stadt oder sie umgekehrt zu seiner gekommen war. Er meinte Liebe beginnt ernsthaft, wenn unter einem Dach verbracht, insofern das alltägliche Leben den größten Unterschied ausmache. Das zeige erst wozu jeder imstande sei, um die Kontinuität dieser Liebe tagein, tagaus zu bewahren und zu leben. Ehe sei die Voraussetzung zum sozialen Handeln. Jeder handelt dann in der Erinnerung des anderen. Vor dem Abschied am Morgen prägt sich ein der Ausdruck im Gesicht des anderen. Am Abend werden dann Veränderungen blitzschnell wahrgenommen. So begleitet jeder den anderen durchs Leben, und schafft die Liebe solch eine Emphatie bestehend aus Erinnerungen, so dass jeder für den anderen zur Heimat in dieser Welt wird. Er meinte, daß sie den Anfang dazu noch nicht gemacht hätten. Er zögerte selber die Entscheidung immer wieder heraus, so als müsse er selber noch andere Voraussetzungen erfüllen, um dann endlich frei von seiner Vergangenheit und seinem bisherigem Leben zu sein, um zu ihr kommen zu können. Sagte sie ihm doch als sie sich in Berlin sahen, er müsse erst noch aus falschen Strukturen heraustreten, um sich selbst gegenüber wahr und darum glaubhaft zu sein!
Bekanntlich tut die Philosophie sich schwer den Anfang zu machen. Etwas ähnliches scheint es bei zwei Menschen zuzugehen, wenn sie sich erst vorsichtig, und dann immer besser kennen lernen wollen, und dennoch immerzu sich davor scheuen einen ernstzunehmenden Anfang zu machen.
Im Versuch all das zu bedenken, und um das ihm auferlegten Schweigen zu entrinnen, setzte er sich eines Abends ganz still in einen Stuhl der auf der Veranda dieses sagenhaften Hauses stand. George hatte überall Kerzen in kleinen Laternen (zum Schutz gegen den Wind) angezündet. Und während er so vor sich hin sann, schien es ihm als würde sie plötzlich vor ihm stehen. Entstand das aus seiner Sehnsucht heraus oder vermochte das Haus mehr als nur eine Fata Morgana hervor zu zaubern? Sie erschien ihm im Kerzenlicht als eine verzauberte Figur. Dennoch erkannte er sie sofort. Nur jetzt wirkte sie noch verführerischer als was sie ohnehin für ihn gewesen war. Darum vermochte ihn jetzt nichts mehr zur Zurückhaltung bewegen. Jene war ohnehin nur eine künstlich Barriere die sie errichtet hatte, um ihr Spiel der Verführung weiter betreiben zu können. Er versuchte nach ihr zu greifen, aber es gelang ihm nicht. Denn ähnlich zu der Nymphe die es verstand sich immer wieder dem Zugriff des König Minos rechtzeitig zu entziehen, entglitt sie stets tanzend seinen ausgestreckten Armen. Immer, so schien es, bewegte sie sich in einer sicherer Entfernung zu ihm. Sie bewegte ihren Körper dabei so leicht und graziös hin und her, daß es ihm dabei schwindlig wurde. Er taumelte. Darauf hin verlor er erst das Gleichgewicht und dann die Besinnung. Als er wieder zu sich kam, wußte er nicht mehr ob es sich um eine reelle Erscheinung oder ob es nur um eine Fata Morgana gehandelt hatte.
Gleichsam wußte er nicht mehr wenn zurückblickend auf die Zeit, die er mit ihr verbrachte hatte, was davon real erfahrene Liebe, was nur erträumte Realität gewesen war. Dennoch versuchte er diese Liebe in die Gegenwart hinüber zu retten. Er nannte das Treue. Sie basiert auf einer menschlichen Verbindlichkeit. Er gab außerdem gerne zu, wenn einmal er sich geöffnet hatte, würde er nicht mehr seine Liebe ihr gegenüber zurücknehmen. So kam es dazu, dass er gleich einem Schlafwandler durch eine Traumlandschaft lief, und dabei dieses sagenhaften Haus in der steinigen Landschaft um so mehr schätzte.
Solch eine Traumlandschaft besteht aus besonders starken magnetischen Feldern. Sie ziehen einige Gedanken an, stoßen aber andere dafür ab.
Er litt sehr unter dem Verlust denn im Zugehen auf sie hatte er stets eine sinnliche Gewissheit in ihrer sagenhaften Liebe erlebt. Er wusste zugleich warum es zu diesem Verlust kam, oder zumindest teilweise vermochte er es sich eine selbst kritische Erklärung abzugeben. Er gestand vor allem ein, daß er sie allzu lange hat warten lassen. Über ein Jahr hatte er sie nicht gesehen. Das hatte wiederum einen Grund. Immer mehr fürchtete er in diesem einen Jahr um so mehr die Rache des nicht gelebten Lebens. Das könnte ihren Zorn erklären.
Immer wieder versuchte er ins Gespräch mit ihr zu kommen. Doch sie war stets zornig und legte sofort den Hörer wieder auf. Er dachte, daß sie ansprechbar sein müsste, aber sind Liebe und Vernunft überhaupt miteinander vereinbar, fragte er sich immer häufiger?
Während sie für ihn zusehends die Orientierung hin zum Menschenstrom geworden war, hatte sie ihre Gewissheit für diese Liebe erst angezweifelt, und schließlich voll und ganz aufgegeben. Sie wollte nicht länger über ihre Grenzen hinaus gehen, um die Beziehung aufrecht zu erhalten. Aber selbst nachdem sie alles beendete hatte, blieb er dieser Liebe treu. Er vertraute auch im Nachhinein den Gedanken und Gefühlen die sie vermochte in ihm anzusprechen. Noch mehr, ihre sagenhafte Empathie wurde zu seinem Zuhause. Solange sie noch ansprechbar war, gaben ihm ihre Erinnerungen die Zuversicht die Kontinuität der Liebe war ebenso ein wichtiger Bestandteil in ihrem Leben. Folglich blieb er bis zu ihrem Geburtstag in jenem entscheidenden Jahr zuversichtlich. Alles würde sich letzlich klären, gleich dem Fluss der das Meer findet. Er lebte damals in einer Vorfreude und sammelte wie ein kleiner Junge kostbare Geschenke für sie ein. Er steckte alle Ideen in seine Hosentaschen die alsbald voll gestropft ihm beim Gehen behinderten.
Nur eines schien ihm rätselhaft: wie entstehen jene zauberhaften Melodien zuerst in der Windstille, und dann nach der Heirat zwischen der Stille und dem Wind im Wirbel wilder Streifzüge? Solche Melodien gleichen Luftströmen die über seine Haut wie einst ihre Hand streifen! Ja, solche Melodien sprechen Erinnerungen an sie an, und die der Wind wie Samenkörner über die Landschaft zum blauen Meer hinaus trägt.
Weg vom Ritual
Er schrieb vergeblich gegen den Wind an.
Etwas anderes fehlte. Nicht nur sie,
sondern der Strom wurde unverlässlich.
Auf dem Dach hatte er nur eine Solaranlage
die die ganze Batterie füttern sollte,
doch das ging nur begrenzt.
So wiederholte er die Sätze auf dem Papier,
fügte Gedankenstriche hinzu, ließ das Verb sein,
und tanzte eigensinnig mit der Phantasie herum.
Stets nahm er Rücksicht auf die Verbindung
von Subjekt und folgenden Satzteilen
die allesamt stimmig sein sollten.
Übergänge von der Mehrzahl zur Singularität
gibt es nicht laut den strengen Regeln der Grammatik
die gleich einem strengen Lehrer,
darauf achtet das alles stimmt.
Nebenbei hatte er im Fach
noch Notizen aus früherer Zeiten
zwecks Vergleich. Doch worin
besteht Fortschritt wenn das Gedicht
sich zwischen der Prosa drängt,
und alles durcheinander bringt?
Dieses Mal verfasste er keinen Roman,
sondern Liebesgeschichten
weil 'riding high in the mind'.
Philosophischen Notizen – dritte Eintragung
Eines hatte ihn auf die Bedeutung des Aufstellens von Regeln beim Lesen von Baudrillard aufmerksam gemacht, insbesondere da wo er folgendes beschreibt:
„Die gesamte Strategie der Verführung besteht darin, die Dinge in den Zustand reinen Scheins zu versetzen, sie entstellen und sie im Spiel des Scheins verzehren zu lassen (aber dieses Spiel hat seine Regeln, sein möglicherweise strenges Ritual).“
- Baudrillard, das Andere selbst, s. 53
Manche mögen dem Begriff des Rituals folgen, wenn sie sich an Klaus Heinrichs Deutung von einem ganz kleinen, nur nebensächlichen erinnern z.B. der Tourist der eine Münze in den Brunnen wirft. Es kann sich auch möglicherweise um einen jährlichen Kirchenbesuch handeln, obwohl längst zum Ungläubigen geworden, aber da nie ganz sicher, scheint es allemal besser zu sein doch noch ab und zu diese geistige Versicherungsinstitution aufzusuchen.
Andere scheiden dagegen vorzeitig vom Spiel aus. Vermutlich vermochten sie es nicht rechtzeitig ihre eigenen Regeln aufzustellen. Das könnte bei ihm der Fall gewesen sein. Nachdem sie die Regel 'nicht mehr mit ihr zu kommunizieren' aufstellte, fragte er sich, ob sie damit sagen wolle die Liebe sei im Schein des Spiels aufgezehrt worden?
Hätte sie ihn verführen wollen, besteht dann aber nicht umgekehrt ebenso eine ganz große Gefahr für sie? Schließlich überlebt keiner solch einen absoluten Abbruch, gleich einer geistigen Abtreibung, so ohne weiteres. Es hinterlässt auf alle Fälle wenn nicht tiefe Schmerzen, dann eine völlig neue Leere, die gleich dem Stumpfsinn nicht mehr ihre sinnliche Wahrnehmung beleben kann. Sie würde früher oder später zur negativen Ich-Bezogenheit zurückkehren, denn schließt sie einen einst geliebten Menschen aus, verschließt sie sich selber ganz und gar. Sie kann dann nur mittels der Macht der Abstraktion ohne sinnlichen Bezug auf die Welt weiter leben. Ihren Träumen wären damit die Farben genommen.
Nun ist solch eine Deutung nicht verifizierbar, besonders dann nicht, wenn der Rückspiegel mal gebrochen ist. Er vermisste aber um so mehr ihre sagenhafte Empathie. Dessen Entzug, das gab sie ihm frühzeitig zu verstehen, drohe jedem der sich nicht ihrem strengen Ritual beugt. Ihre Mutter hatte sie bereits in ihrer Kindheit davor gewarnt, sie solle nicht andere damit bestrafen, indem sie ihre Empathie entzieht weil das gleichbedeutend mit einem enormen Verlust einher ginge. Kaum ein Mensch kann das überstehen.
So suchte er auf Paros nach Antworten. Beim Weiterlesen von Baudrillard kamen ihm neue Gedanken. Er fragte sich zugleich ob er sie überhaupt noch ansprechen könne, wenn solch eine Regel zwecks Aufrechterhaltung dieses strengen Rituals besteht? So kam es dass er sich auf Paros entschied nicht länger ihrem Ritual der Liebe zu folgen. Er wagte also den Schritt ins Unbekannte. Poetisch ist das gleich einem Sprung hinein in den Wind wenn jener mit der Stille tanzt. Angesichts solch einer Landschaft ging es zu seiner Verwunderung ganz einfach.
In der Freiheit braucht er nicht ihr Schweigen, um sein Schweigen zu verstehen
Im Anblick solch einer Landschaft
bestehend aus Steinen, wortkargen Hügeln,
dem blauen Meer und dahinter Häuser
die dem Schnee ähnlich in der Sonne glitzern,
stellt er fest die Zeit gleicht dem stillen Fluss
der Ewigkeit einer zerronnenen Liebe
die ihren Ruf mit einer farblosen Erinnerung
eintauscht, weil nie genug, sie sehen wollte
was in deren Zukunft noch kommen wird.
Philosophischen Notizen – vierte Eintragung
Einmal auf Paros angekommen und diesem Schweigen ausgesetzt, also jener Stille die den Wind jeden Tag erneut heiratet, fand er endlich sein eigenes Schweigen. Seitdem schöpft er daraus eine poetische Sprache gleich einem schmerzvollen Dahin-wandeln.
Das besagt er kann von nun an sein Schweigen deuten. Früher war sie die alleinige die wissen wollte was das für sie bedeutet. Er hatte sich selbst in solch einem tiefen Schweigen vergraben, und das aus der Angst heraus sich selbst nicht schützen zu können. Seine Offenheit war bislang eine absolute Verschlossenheit gewesen.
Diesen Widerspruch hatte sie mit ihrer selbstlosen Liebe versucht zu lösen, ja aus reiner Liebe für ihn verlangte sie, dass er eine Unabhängigkeit nicht nur von ihr, sondern auch von falschen Strukturen erlange. Als sie ihm das riet, erinnerte er sich an Adornos Formulierung in ‚Minima Moralia’: "es gäbe kein wahres im falschen Leben."
Zurückblickend fragte er sich ob er es riskiert hatte wegen einem allzu langen Verbleiben in falschen Strukturen sein wahres Selbst zu verlieren, und deswegen es auch nicht vermochte ihrer Liebe stand zu halten? Da dies durchaus möglich war, machte er ihr keinen Vorwurf für den Abbruch. Schließlich wollte sie unter selbst gesetzten Bedingungen leben, also frei vom Zwang einer Beziehung. Welche Liebe wäre aber dann ihrer Vorstellung nach noch möglich gewesen, wenn er mit ihr nur dann sein könne, wenn er keinen Anspruch auf solch eine Verbindlichkeit, die als feste Beziehung gelten würde, erhebe? Aber er hatte sich diesem Widerspruch ausgesetzt, weil voller Zuversicht sich niemals ganz und gar verlieren und darum sich selbst aufgeben zu können.
Doch wie würde sie reagieren, wenn sie jetzt wüsste, er sei nicht nur seinem wahren Selbst treu geblieben, und das trotz all den negativen strukturellen Determinationen? Ja, seit dem er zu seinem Schweigen gefunden hatte, fühlte er sich eher imstande ihren Anspruch auf eine aufrichtige Liebe zu erfüllen? Würde sie ihm, und darum sich selbst diese Chance nochmals geben?
Ein wahres Selbst hat mit dem freien Gewissen zu tun, und kennzeichnet das kritische Wissen wie es um einem Selbst bestellt ist. Das Maß solch einer kritischen Selbstreflexion käme gleich dem Ausdruck wahrer Liebe. Sie gibt dem anderen Recht wenn auch oftmals ein schmerzhaftes Zugeständnis an die Macht solch eines Urteils wenn es darum geht festzustallen, was ist wahr an dieser Liebe, was nicht. Es käme darauf an, dass die Liebe die Macht infrage stellt, und somit das Selbst vom Zwang eines Beweises befreit. Denn selbst von der Liebe überzeugt zu werden, und das frei vom Spiel der Verführung, hieße sich in der Gegenwart des anderen frei von jeglicher Manipulation erleben zu können.
Er hatte es versucht ihr die Freiheit zu geben, so dass sie sich ausdrücken und entdecken kann. Von Anfang an gab sie ihm zu verstehen, sie könne sich bei ihm frei entfalten. Noch mehr, sie gestand ihm nachdem er vergeblich ihr sagte sie möge ihn alleine lassen und dennoch kam sie, dass sie die von ihr selbst aufgestellten Regeln überschritten habe, um dabei nicht nur ihn, sondern ebenso sich selbst besser kennen gelernt habe. Das Überschreiten hatte eine besondere Bedeutung für sie. Endlich fing sie an sich in einem positiven Licht zu sehen. Wegen dem ihr auferlegten negativen Selbstbildnis durch verschiedene Umstände in der Vergangenheit hatte sie sich oftmals in die Enge, ja sogar in eine Ausweglosigkeit treiben lassen. Dagegen wütete sie an und verstrickte sich um so mehr in den Widersprüchen solch einer Selbstverneinung. Darum meinte sie, wenn schon Selbstkritik geübt wird, dann mit 'liebenden Augen'! Er hatte einen starken Sinn für Gerechtigkeit, und ja auch Fairness, selbst wenn er ebenso hartnäckig und konsequent bei seinen einmal gemachten Urteilen sein konnte.
Bei solch einem Rückblick fühlte er eine neue Gewissheit in ihm hochkommen. Er benötigte nicht länger dass sie aus ihrem Schweigen hervor tritt, denn er fühlte sich im eigenen Schweigen geborgen.
Nun war er gespannt wie er ihr das zu verstehen geben könne. Am Besten, dachte er, durch solch ein Schweigen das ihr die Sicherheit vermittelt, er wird sie nicht länger zum Reden mit ihm zwingen. Er stellte sich allerdings die anschließende Frage, ob sie dann imstande wäre auf ihn anders als bislang zu reagieren?
Doch was folgt solch einem doppelten Schweigen wenn jegliche weitere Kommunikation ausbliebe? Kann das die gegenseitige Verneinung aufheben, eine die Hegel als die 'Negation der Negation', also als eine Grenz-ziehende Verneinung der Verschiedenheit und der Andersheit beschrieben hat? Er wusste noch nicht wie aus dieser absoluten Gleichsetzung von Begriff und Prinzip herausfinden. Zugleich war ihm Kierkegaards These von der Unmöglichkeit der Liebe bewusst. Dabei hatte ihn eine Formulierung von Michel Foucault besonders angesprochen, denn jener Philosoph riet fast Programmatisch-ähnlich: "man müsse die Orte des Schweigens ausfindig machen, noch ehe der lyrische Protest sich darüber verdichtet."
Er müsste also dem Auslöser eines Gedichtes, insbesondere jenes das lediglich im lyrischen Protest münden will, zuvor kommen. Solch eine Auflösung des Dranges zum Gedicht käme gleich dem Werfen eines Zuckerwürfels in eine heiße Tasse Tee. Er war sich bewusst diese Aufgabe war keine leichte. Schließlich hatte sie einen fest entschlossenen Willen. Ihre Mutter hatte sie sogar davor gewarnt nicht ihre Empathie einfach so dem anderen zu entziehen, weil das einer ungeheuerlichen Bestrafung gleich käme. Letzteres machte sich besonders bemerkbar nachdem sie die aktive Liebe zu ihm, also ihre bislang praktizierte Form an Kommunikation mit ihm, aufgegeben hatte. Einige Male waren sie sich noch auf offener Straße per Zufall begegnet, aber sie ging einfach weiter, so als habe es niemals diese Liebe zueinander gegeben. Noch heute verursacht das einen Schmerz wenn er sich solch ein Vorübergehen erneut vergegenwärtigt. Sagte allerdings Malraux dazu, die Menschen würden ohnehin nur vorübergehend im Leben anwesend sein. Doch warum hat sie nicht diese Möglichkeit genutzt, fragt er sich immer wieder, wenn er sich daran erinnert? Er bleibt bislang ohne irgend einer schlüssigen Erklärung für ihr fremdes Verhalten.
Gewiss, die Liebe ist ein Verlangen nach Kontinuität. Letzteres kann realisiert werden, wenn laut dem Graffiti Spruch an der Mauer folgendes realisiert wird: "Achte darauf, dass der Traum nicht nur Traum bleibt!"
Im Schatten des Hauses
Sätze verstreuen sich gleich dem Schatten der der Sonne nach wandert.
Wenn der Bruder zur Schwester sagt: „behalte alles für Dich was immer mit Dir geschieht, und bringe ja keine Schande auf die Familie“, welch ein Schatten sei damit gemeint?
Mit dieser Frage erwachte er aus seinem Mittagsschlaf. Er wusste sofort warum dieser Satz so sehr präsent in seinem Traum war.
Da war wieder ihr erster, sehr seltsamer Satz: „sie würde ihn so sehr lieben, dass er der Erste sei denn sie zum Schweigen bringen wolle.“
Jemand der so gegen menschliche Kommunikation vorgeht, will Einhalt dem ‚redenden Trieb’ bieten, meinte Klaus Heinrich, Autor des Buches 'Die Schwierigkeit Nein zu sagen!'.
Das Verbot wird mit der Zeit zum Gebot.
Das Gebot ist selbst religiös, aber gemeint ist das nicht religiöse am Schweigen.
Am Anfang war das Wort. Da gab es weder Wortstille noch den Atemweg.
Philosophischen Notizen – fünfte Eintragung
Welche Rolle spielt aber hier ‚Sprache und Schweigen’, die laut George Steiner seit dem Zweiten Weltkrieg und dem Scheitern der Kultur, siehe den Holocaust, besteht?
Tugendhat, jener Philosoph der Europa während des Zweiten Weltkrieges fliehen mußte, kehrte zu Beginn des Kalten Krieges nach Deutschland zurück. Er hatte in seinem Gepäck die angelsächsische Sprachphilosophie mitgebracht. Er meinte das Wort allein sei nicht zu verstehen; erst im ganzen Satz kann es verstanden werden. Somit kann selbst das zum Schweigen gebrachte Etwas nicht ohne einen ganzen Satz, zumal einen von ihr voll ausgesprochenen, verstanden werden. Was bedeutet also der Erste zu sein und warum dieser Wunsch gerade ihn als meist geliebten zum Schweigen bringen zu wollen? Die Frage bleibt welcher Satzteil dem Verstehen von Liebe widerspricht, welcher nicht? Dabei fragt sich ob der Anspruch aufs Verstanden werden unabhängig vom sprechenden Subjekt erhoben werden kann? Wittgenstein wollte verstanden werden wie er es gemeint hatte wenn er einen Satz ausgesprochen hatte. Das war seine sprachliche Gewissheit. Und die der verloren gegangenen Liebe? Wo war ihre Gewissheit geblieben? Manche meinen dazu das seien abtrünnige Gedanken die keinem weiter helfen. Aber die Frage von Sprache und Schweigen von George Steiner, die bleibt. Hinzu kommt noch was Adorno meinte, nämlich nach Auschwitz kann es keine Gedichte mehr geben. Paul Celan widersprach ihm da sanft und nahm sich dennoch das Leben, und das obwohl er den Zweiten Weltkrieg überlebt hatte.
Das Schweigen
Die Klangfarbe ihrer Stimme
war was ihn zuerst zu dieser Liebe einlud.
Dann versuchte sie sein Schweigen zu entzaubern.
Es folgte ein Weggehen, Kommen, Stehen-Bleiben
weil voller Verzweiflung sie angetrieben war
von der Angst die Gewalt würde wieder kommen.
Noch mehr macht ihr zu schaffen die Verzweiflungen
in Peters Stimme der sie nicht gehen lassen wollte.
Und so war Abstand und Neutralität die Lösung,
um nicht nur sich von der alten, sondern ebenso
von der neuen Liebe zu trennen. Waghalsig
verlief sich das bis er fast seine Stimme verlor.
Geboren am See, sprach er mit der Natur:
Wind, Wetter, Wellen, Bäume, Wiesen.
Er sammelte Laute ein, folgte den Tieren,
vergaß dabei die Zeit und unterließ den Mittagsschlaf.
Nachts kletterte er aus dem Schlafzimmer,
und ging zu den Zigeunern in der Sandgrube
wo alle ums Feuer tanzten, Augen aufblitzten
und er auf dem Schoss der schönen Frau saß,
um zu zu schauen welch ein anderes Treiben
das Schicksal der Menschen unterscheidet.
Gelacht wurde bis zum frühen Morgen.
Dann erinnerte er sich an die Stimme der Mutter,
und des Vaters wenn im Streit, sie sich gegenseitig
zum Schweigen zwangen, zu spät aber bedacht
nicht die schlafenden Kinder zu wecken.
Rasant die Unmut des Vaters, laut der Schrei der Mutter
wenn sie um Einhalt flehte. Sie konnte nicht anders.
Es war zu spät um diesem Schicksal zu entrinnen.
In Erinnerung daran wollte er gleich am Morgen,
beim Frühstücken sie was fragen, wie es bei ihr war,
aber er sah in ihren Augen ein neues Schweigen eintreten.
Nicht zu lüften sind manche Geheimnisse.
Philosophischen Notizen – sechste Eintragung
Michel Foucault versuchte das Schweigen aus der Polarität Vernunft - Wahnsinn zu befreien, und kennzeichnete damit den Übergang in der Philosophie vom neunzehnten zum zwanzigsten Jahrhundert. Anhand des Humanisten und Arztes Pinel zeigte er wie jener zwar die Psychiatrie reformieren wollte, dabei aber die Identität des Gestörten mittels eines besonderen Schweigens zerstören ließ. Pinel ordnete nämlich an, dem Kranken sei die Ketten abzunehmen. Dieser Teil war die humanistische Reform. Alle hatten bislang Angst vor diesem Mann der wild mit den Ketten um sich schlug. Mit Furcht dachten sie an alles was geschehen könne, wenn der einmal frei wäre. Aber Pinel beruhigte sie. Zugleich gab er ihnen zu verstehen, sie sollten nur seine strikte Anweisung, und das hieße auf keinen Fall auf seine Drohgesten reagieren. Binnen zwei Wochen nach Ablegen der Ketten war dieser Mann gebrochen. Er glich nur noch einem Haufen Elend. Die wirklichen Ketten wurden durchs Schweigen der anderen ersetzt. Es war höchst wirkungsvoll. Dieser Widerspruch der Humanisten die durch Reformen das Schweigen institutionalisierten, wird bis heute nicht in der Philosophie thematisiert. Die Sprache zwischen den Menschen ist aber ein Hoffen auf lebendige Kontinuität, um den Grund der eigenen Existenz in der Welt der anderen zu finden. Sprache als gesunde (und nicht gekränkte, weil enttäuschte) Hoffnung ist Ausdruck der menschlichen Verbindlichkeit. Wenn also der Widerspruch zwischen Gesunden und Kranken dadurch gelöst wird, indem ein Nicht-reagieren auf die Gesten des anscheinend Befreiten angeordnet wird, bleibt nach Abtrennung des einzelnen von der gemeinsamen Sprache nur noch das grausame Schweigen der anderen die einzig gelebte Wirklichkeit. Es beraubt dem Suchenden nach Antworten auf seine Ängste jeglichen Grund zur Existenz seiner Identität in der Gesellschaft der anderen zu finden. Wie kann er dann noch unter den Menschen existieren, wenn sie nicht mit ihm kommunizieren? So machte die humanistische Reform aus der Klinik ein neues Gefängnis. Das Leben wird dann zum Zwang eine nicht von den anderen wahrgenommene Identität leben oder noch genauer sein lassen zu müssen. Dieses Nicht-Sein verdrängt die Phantasie. Sie spielt schließlich keine Rolle mehr in einer nur mechanisch funktionierender und auf technischer Intelligenz basierender Gesellschaft. Der Wahnsinn weil ohne Arbeit ist als eine zum Schweigen gebrachte Vorstellung der Welt. Sie kann sich selbst nicht einmal als ein Bruchteil davon reflektieren. Doch ohne dem Imaginären gibt es keine Empathie für den anderen. Somit fehlen den Erben von Kaspar Hauser die wichtigsten Bezugspunkte zu den anderen. Diese menschliche Wirklichkeit ist um so ärmer wenn die wahre Liebe geleugnet wird, und nur noch halbe Wahrheiten alles bestimmen. Brendan Kennelly verweist in seinem epischen Gedicht ‚Judas’ darauf, dass die einzige noch hörbare Stimme die des Verrates sei, doch diese erinnert sich nicht mehr an die in der Kindheit noch vorhandenen Träume.
Das Schicksal ändern zu wollen ist selbst ein Schicksal
Die alltäglichen Meldungen aus dem Radio besagen es,
erneut ging eine Bombe hoch, so viele unschuldige Menschen
starben wieder mal dabei. Wenn nicht in Beirut, dann in Boston.
Menschen nennen das Mangels an Worten dafür einfach Schicksal.
Wer halt gerade an der Bushaltestelle stand, oder den Zug nahm,
der erlitt eine entgleiste Enttäuschung, doch wo beginnt da der Verrat?
Erst fing es in der Schule an, dann Freunde machten weiter. Einher ging damit
eine Angst nicht in solch einer Welt bestehen zu können. Zwar
nahm jeder für sich irgend einen Anlauf, um über die Hürde zu kommen,
doch selbst aufgebaute Hindernisse sind die am schwierigsten.
Kurzum greifen ganz bestimmte Wörter das Schicksal auf,
und werden zum 'Lookheed Bomber' oder dem Boston Marathon Lauf.
Eingeengt auf diese Angst wird den Menschen nichts genommen.
Bestehen bleibt eine Willkür ohne Ende, die das Leben jederzeit
beenden kann, ob im Supermarkt von Kenia oder im Theater von Moskau.
Fast immer sind es die gleichen Vorbedingungen: eine Entmündigung,
und eine dazu gehörende Radikalisierung, um sich gegen den Verrat zu stemmen.
Die Tür schlägt trotzdem zu. Bin Laden musste auch gehen. Es wird geschossen
ohne zuvor zu fragen. Am schlimmsten scheint es mit Pistoris bestellt zu sein.
Seine Selbstverteidigung erinnert an Dostojewskis Student in 'Schuld und Sühne'.
Nie wird die wirkliche Schuld eingestanden, immer nur das schuldige System -
so dann scheint das Schicksal vorbestimmt zu sein, obwohl solch eine Mission
eher in die Dunkelheit verleitet, als den Tag lachend zu begrüßen.
Philosophischen Notizen – siebte Eintragung
Anfangs Herbst beendete sie ihre Kommunikation mit ihm. Einige Monate zuvor, also zu Beginn des Sommers schrieb sie ihm eine email worin sie an eine herbe Enttäuschung andeutete. Jene machte sie nach der Rückkehr von einer Reise nach Vietnam, denn als sie sich wieder zwischen ihren vier Wänden einfand, stellte sie fest, nichts aber auch nichts habe sich geändert. Sie hatte diese Reise mit einer Freundin angetreten, um solch eine Veränderung zu evozieren. Nun wolle sie endlich raus aus dieser engen Umgebung. Ihre ganze Entschlossenheit unterstrich sie mit einem seltsamen Vorsatz: "sie wolle endlich ihr Schicksal ändern!"
Dieser Satz besagt bis heute ihr damals bestehendes Verlangen nach einer Änderung in ihrem Leben. Für ihn hörte sich das recht seltsam an, ja er empfand es sogar als ein Widerspruch, denn wie kann das Schicksal geändert werden, insbesondere wenn einmal daran geglaubt wird? Zumal sie niemals bis dahin angedeutet hätte sie solch eine Person die ans Schicksal glaubt, kam ihm dieser Wunsch seltsam vor.
Wie kam es dazu? Welche Veränderungen in ihrem Leben trugen dazu bei? Klar, da gab es zum einem in ihrem Leben den ständigen Geldmangel. Der Grund dafür waren äußere Umstände. Oft musste sie auf sämtliche Bezahlungen für enorm viele Vor- und Nacharbeiten die sie ständig leistete, fast vergeblich warten. Denn die meisten Zahlungen waren abhängig von Zustimmungen von anderen, und nicht nur von beliebigen Personen, sondern vor allem von offiziellen bei der Europäischen Kommission. Bekanntlich gibt es für freie Stiftungen und Europäischen Projekten kein allzu großer Verlass auf einen regelmäßigen Zahlungsfluss. Schließlich hängen alle Zahlungen von Anträgen, Verbesserungen bereits eingereichter Projektpläne, Zwischenberichte, End-Berichte usw. ab, ehe das Geld frei gestellt wird. Außerdem war es für sie, die mit Künstlern arbeiten wollte, nicht leicht zwangsläufig die Finanzmanagerin zu spielen, aber da die Stiftung für die sie arbeitete, im Minus stand, musste sie sich dieser Aufgabe zu aller erst zuwenden. Die Arbeit mit den Künstlern war dabei nur zweitrangig. Folglich war sie stets einem Nicht Wissen ausgesetzt wann sie, wenn überhaupt bezahlt wird, und wenn ob es dazu ausreicht im nächsten Monat noch ihre Miete zu bezahlen. Solche Unsicherheiten können bei jedem sämtliche Nerven aufreiben, allerdings bewunderte er sie. Sie behielt ihre Nerven. Noch mehr, sie machte sich wegen der Geldfrage so gut wie keine Gedanken darüber. Klar, es war schwer, gab sie zu, aber sie blieb stets zuversichtlich, dass sie ihr Geld dennoch verdienen würde, um überleben zu können! Sie geriet deshalb niemals in Panik wegen dem ausbleibenden Geld. So musste es noch andere Gründe geben für diesen starken Wunsch nach einer Veränderung.
Er rätselte herum und dachte es muss sich um ein noch anders gearteten Leiden handeln, das sie dazu trieb einem Schlussstrich gegenüber ihrer Beziehung zu ihm endlich ziehen zu wollen. Nimmt einmal das Leiden so stark zu, das es nicht mehr auszuhalten ist, kann es leicht dazu verleiten, dass diese Person sich einfach dem Schicksal ausliefert, und zugleich hofft das würde endlich die Veränderung hervorrufen, auf die sie insgeheim immer gehofft hatte. Sie wäre darum von etwas ihm nicht Bekannten abhängig.
All dem fügte sie noch etwas hinzu, aber davon erfuhr er erst als es zu spät war. Sie gestand dass sie sich bereits vor zwei Jahren gegen ihre Liebe zu ihm entschieden hatte, als er nicht zu einer von ihr organisierten Konferenz kam. Vermutlich wenn etwas von Bedeutung für sie nicht mit ihm geteilt werden kann, dann lässt sie das sein. Er wollte damals kommen und hatte fest zugesagt. Ja, er befand sich bereits auf dem Weg zum Flughafen, aber Kafka ähnlich kehrte er um und flog nicht zur Konferenz. Das hatte wiederum seine Gründe, doch eine Abwendung eines Schicksals kann nach solch einer Entscheidung nur noch sehr selten gelingen. Zwar sahen sie sich danach noch, und er ahnte nicht einmal dass sie diese Entscheidung bereits getroffen hatte, aber alles hat mit der Zeit seine Konsequenz oder nimmt vielmehr seinen Lauf. Besonders wenn der andere sich nicht ausreichend beachtet oder vielmehr wahrgenommen fühlt, dann kann selbst die beste Liebe nichts ausrichten. Ein fataler Eindruck vergräbt sich und bleibt dort hartnäckig für eine Zeit ungesehen bestehen, bis er dann plötzlich zum Vorschein kommt und alle Vorbehalte gegen solch eine Liebe in ein absolutes Nein umwandelt.
Nach solch einem Aufgeben einer sagenhaften Liebe kann er höchstens als Schriftsteller und Dichter nur noch versuchen etwas poetisches oder literarisches zu machen. Seine ganze Geschichte mit ihr schien ihm reif für einen Film. Zumindest hatte er es vor ein Filmmanuskript darüber anzufertigen. Er wollte dabei zeigen wie schnell Liebe, wenn einmal entführt, einer Verführungskunst zum Opfer fällt und daraufhin seine Welt ihr gegenüber als kalte Gleichgültigkeit erscheint, und an der sie nichts auszurichten vermag. Eher würden all ihre Bemühungen gleich an einer Glaswand abprallen. Doch wem wundert es das das nötige Filmskript unfertig blieb. Er wurde immerzu erneut von noch weitergehenden Schmerzen überwältigt oder war es weil ein fertiges das Ende dieser Liebe endgültig besiegeln würde?
Noch heute stellt ihr Aufgeben einer sagenhaften Liebe vor einem Rätsel. Er kann es einfach nicht fassen. Er war sich sicher es wäre eine glückliche Liebe geworden, und er hatte sich innerlich vorbereitet zu ihr zu kommen, doch als er bereit war, da kam von ihr aus das Ende.
Viele der gemeinsamen Freunde hatten es gehofft, sie würden es schaffen. Wie kleine Kinder die noch an die große Liebe glauben, war darum die Enttäuschung von vielen enorm. Sie hatten mitbekommen welch ein Glück davon ausging. Eine Freundin aus Leipzig stellte allerdings fest, sie seien nicht verantwortungsvoll genug mit solch einer sagenhafte Liebe umgegangen!
Wichtige Details zur Klärung dieses Rätsels fehlten ihm immer noch.
Auf Paros wurde ihm allerdings eines klar. Gleich dem Wind der von der Stille nach der Phase der Untreue eine deutliche Aussprache verlangt, so hätte er sie noch anders zur Rede stellen sollen, als er erfuhr sie war erst zufällig, dann immer mehr regelmäßig mit einem anderen Mann zusammen gekommen. All das geschah ohne seines Wissens, und obwohl sie ihm damals noch die Treue schwor. Erst als er sie nicht an ihrem Geburtstag auffand, und nur nach ihrer Rückkehr Paris erfuhr, dass sie eben diesen selben Mann gesehen war, erkannte er seinen schlimmsten Verlust. Schließlich kannte er sie genug, dass wenn sie sich gibt, dann mit solch einer vollen und wunderbaren Bedeutung, dass er faktisch machtlos war, um sie noch auf ihre Liebe zu ihm zu besinnen.
Als sie ihm das gestand, brach für ihn folglich fast alles zusammen. Er schrie auf und erschreckte sie um so mehr als sie wahrnahm welch einen Schmerz ihre Schritte verursacht hatten. Erst im Nachhinein erkannte er, dass die Liebe selbst dann wenn die im Vertrauen gegebene Treue durch eine Unehrlichkeit gebrochen wird, nach einer Versöhnung schreit. Es muss also nicht beim gebrochenen Herzen bleiben, aber die Kunst der ehrlichen Wahrnehmung in solch einem entscheidenden Moment wenn die Wahrheit hervor tritt, die ist eben nicht selbstverständlich, geschweige leicht praktizierbar. Das menschliche Unvermögen tritt dann ebenso zu Tage.
Im Vergleich zum Wind der die Stille jeden Tag erneut heiratete, hatte er durch seinen lauten Aufschrei ihre Liebe zu ihm in Angst und Schrecken verwandelt. Es war glasklar was das bedeutete, denn ab dann wollte sie sich nur noch schützen, und das hieß eben keine weitere Kommunikation mehr. Letzteres würde sie nur an eigenes Scheitern erinnern, und wer kann schon mit inneren Vorwürfen ständig leben. Das Leben drängt weiter zu gehen. Der Abbruch tut dann für denjenigen, der den Entschluss fasste, gut, weil die Wirkung solch einer Entscheidung hat auch mit einer Weisheit zu tun.
Darum versuchte er mit der Stille auf Paros zu reden, und das noch ehe sie erneut den Wind heiratet, um zu verstehen wie sie ihre Untreue rückgängig machen will. Entstehen wie Vergehen ist Teil des Verstehens der Liebe zweier Menschen die jetzt, an diesem Abend, weit voneinander getrennt, an verschiedenen Orten und dennoch gleichzeitig leben.
Im Schatten des Hauses gelang ihm dann etwas was zuvor unmöglich schien. Er vermochte es an diesem Ort aus ihrem Schweigen herauszutreten, indem er sein eigenes Schweigens fand. Das ließ ihm vorstellen wie sie auch ohne ihn einfach weiter lebt. In dieser Vorstellung ihres anderen Lebens schwang mit eine Ahnung an Versöhnung.
Zählt das Leiden oder die Macht
Das menschliche Leiden wird oftmals nicht gesehen, geschweige verstanden.
Es entsteht aus einer Liebe zum Leben. Wer kann schon das Vergehen ertragen?
Dabei handelt es sich um eine Liebe besonderer Art, die Liebe der Mutter
zum ersten Kind etwas anderes als zum Bruder der danach kommt,
und somit eine bestimmte Determination als Grundfigur im Denken verankert.
Bleibt die Erinnerung aus, kann womöglich die Wachsplatte von Freud helfen,
um das lang zeitliche Gedächtnis vor dem Erlöschen zu bewahren, und
darum zählen Einzelheiten im Widerspruch zur ganzen Hinterlassenschaft.
Denn wäre eine Mutter nur das Böse schlechthin, müsste sie entstellt sein,
während die Kinder genau beobachten können wenn sie die Blumen gießt,
oder aus dem Ofen das Blech voller Kekse holt zwecks Vorbereitung aufs Fest.
Es besagt auch sie lebt um zu lieben, und nichts entgeht dem Menschen so sehr
wenn am Ende des Lebens dieses Versprechen nicht eingehalten wurde.
In ihrem Fall war es der Wunsch bei den Kindern sein zu können, doch die Arbeit,
also das notwendige Geldverdienen, machte das unmöglich. Was dann fehlt
ist ihre liebende Anwesenheit als ein behutsames Zuhören, und was dem Kind
einen Selbstwert gäbe. Darauf kommt es an, weil es die Selbstständigkeit stärkt.
Kant nannte diese Aufmerksamkeit die Kunst des Hervorholen durch gute Fragen.
Der Beweis davon sei das gelungene Gedicht, der Sprung ins Freie,
oder das Paddeln über den See, mit dem Hund im Boot zwecks Ausschau
fürs neue Land das erst erträumt werden muss und magisch nachts leuchtet,
um tagsüber anwesend zu sein wenn Regenwürmer, in Blechdosen gesammelt,
nutzbar fürs Fischen sind, oder halb selige Kleidungsstücke über'n Zaun
geworfen werden, um dem Geruch vom abgebeizten Holz nie zu vergessen,
sofern die Kindheit verspricht das zu halten, was intuitiv vorweg genommen
auf eine Erfüllung der Aussage der Mutter hinaus läuft: sie sei glücklich
als sie die Geburt ihrer Kinder erlebte da eine Gewissheit zu leben.
Als Standpunkt versteht sich das als Hingabe der Liebe an die Kontinuität,
um so Leben zu bewahren. Das sagt etwas über den Unterschied der Liebe aus,
sofern nicht bloß auf Sexualität reduziert, sie zu etwas Unumkehrbaren wird.
Philosophischen Notizen – achte Eintragung
Zählt das Leiden oder die unendliche Geschichte? Erzählt wird es in der jüdischen Geschichte wenn ein kleiner auf einen großen Stein gelegt wird, und dies setzt ein Zeichen der Erinnerung an den Verstorbenen. Das Leiden als unendlicher Schmerz setzt sich darin fort.
Wenn aber die Liebe nach der Trennung in Nichts sich auflöst, eilen die Gedanken nicht voraus, sondern zurück zum Ausgangspunkt. Er wolle nochmals nachzusehen, ob nicht doch ihm etwas hätte auffallen müssen, um verhindern zu können was dann kam. Solch eine Anstrengung des Begriffes der Liebe setzt allerdings voraus, es wäre einem wirklich daran gelegen das Aufgeben der Liebe zu verhindern.
Sinnbilder ziehen sich auf die Altare zurück. Ein Kirchendiener sammelt ein was noch von den brennenden Kerzen übrig geblieben ist. Sie werden allesamt in einen Topf geworfen. Aus dem Opfer-Ritual wird ein Zyklus der Wiederholung in der Orthodoxen Kirche. Anders mit dem Leben das zurück, also raus in die Freie will. Dort warten bereits die Kinder um entlang der Mauer mit dem Schatten zu spielen. Weiter unten, in der Bucht, liegt die Yacht vor Anker, kehren die Fischerboote vom Fischfang zurück.
Dieses Zurück kennzeichnet sein Gedächtnis und verwandelt angesichts dieser Umgebung auf der griechischen Insel von Paros Trauer in mildere Formen des Erlebens. Es sind Reste an Schmerzen seiner Liebe für sie, wohl wissend es besteht von nun an keine Aussicht auf eine gemeinsame Zukunft. Das schmerzhafte sind die stehen gebliebenen Erinnerungen wie eine kaputte Uhr an der Wand in der Küche.
Wenn er mit ihr war, so bedeutete ihre Liebe zugleich eine menschliche Erfahrung. Es brachte etwas zutiefst bedeutsames zustande, und sei es nur beim Zusehen wie ein Großvater mit seinem Enkel am Hafen fischte. Leicht waren dann solche Eindrücke als wahre Erinnerungen weiter tragbar, weil er sich gerne daran erinnert fühlte und zugleich wegen ihrer Anwesenheit anderen Menschen nahe war. Darum schaffte sie es ihm Zukunft gegenwärtig zu machen.
Lassen solche Geschichten mal all die Schmerzen beiseite, dann wird jeder neuer Tag zu einem Eintauchen ins schicksalhafte Erleben einer Wirklichkeit ohne sie. Es fehlen dann die besonderen Bedeutungen die sie imstande war stets zu geben. Obwohl vergeblich, muss er mit diesem Schmerz umgehen. Sie hinter sich lassen. Nur irgendwann landet er nach einem vergeblichen Umherschweifen wieder bei ihr. Ihre ganze Gestalt vermochte es seine sinnliche Wahrnehmung zu vereinheitlichen, und woraus er sein Vertrauen ins Zugehen auf andere Menschen schöpfte.
Vermutlich zog sie aus lauter Ungeduld an der Notbremse. Wie gesagt, ab einem entscheidend Punkt war sie fest entschlossen ihr Schicksal ändern zu wollen. Er erinnert sich jetzt dass es in den Monaten zuvor seltsam still um sie wurde. Er ahnte nicht von welch einer enormen Unruhe sie gepackt war. Aber er sah sie nicht täglich. Schließlich lebten sie in zwei unterschiedlichen Städten, und kamen nur dann zusammen, wenn eine Reise ihn in ihre Stadt nahm oder umgekehrt sie zu seiner Stadt kam. Das war höchstens drei- oder viermal im Jahr.
Während er sich mit diesen Gedanken befasste, sammelte er Steine ein, um den bis dahin gemeinsam zurückgelegten Weg zu markieren. Nur besagen die Steine noch lange nicht, ob da Verführung im Spiele gewesen war. Liebe will ernst genommen werden! Was dann wenn ein Wunsch absolut Ernst von ihr genommen zu werden, 'die Leichtigkeit im Sein' vertreibt?
Leider hinderten diese wehleidigen Gedanken ihn daran sich mit ihrem neuen Schicksal auseinander zu setzen. Die Ratschläge der Freunde halfen dabei wenig, wenn überhaupt etwas. Viele mündeten im einfachen Spruch, die Zeit würde alles heilen, also sei eigenes Zutun nicht nötig. Doch das verstärkte nur seine Hilflosigkeit. Er wolle doch das Schicksal vermeiden, den unausweichlichen Abbruch an Liebe nicht wahrhaben.
Obwohl ihre Entscheidung zum Abbruch resolut war, ließ sie eine persönliche Begegnung im beschränkten Sinne zweimal in ihrer Stadt zu. Er hatte darum gebeten es nicht zum Abbruch nur am Telefon zu belassen. Natürlich erhoffte er sich wenn sie ihn sieht, dass sie ihn mit neuen Augen sieht, und somit beide dem Schicksal entrinnen, insofern sie nicht zu einer permanenten Trennung kommt. Zumindest wollte er durch eine offene Aussprache über ihre Gründe erreichen, dass sie eine weitere Kommunikation dennoch zuließ. Wie gesagt seine Liebe zu ihr beinhaltete auch diese alltägliche Kommunikation. Oft neckte sie ihn, schrieb wunderbare Briefe, holte seine Gedanken hervor mit klugen Fragen hervor und wollte ständig Küsse. Die Liebe schien überall möglich. Das war eine ständige Gewissheit die niemals enttäuscht wurde, zumindest so lange nicht bis es zum Abbruch in diesem entscheidenden Jahr kam.
Liebe ist ja die Freiheit vom Zwang des Beweises. Darum bedarf sie ebenso das Vertrauen. Ganz am Anfang fragte sie ihn deshalb, ob er sie vertrauen würde? Obwohl er das nicht hundertprozentig tat, sagte er allzu schnell 'ja.' Er tat es um sie zu gewinnen. Das war ein Grundfehler, gestand er sich im Nachhinein ein. Denn Liebe und Vertrauen bleiben nur zusammen, wenn es eine Grundehrlichkeit gibt, und darum keiner der Manipulation des anderen unterliegt. Wäre Liebe nur ein rituelles Spiel, dann sobald ausgespielt, sinnlos!
Gelingt Liebe außerdem nicht im gegenseitigen Vertrauen, bleibt aus jene Gleichzeitigkeit von der die Glückseligkeit abhängig ist. Sehr selten kommen zwei Menschen gleichzeitig in ihrem Verlangen nach dem anderen so zusammen, das beide das wollen. Stattdessen verläuft der Wunsch nach Liebe immer mehr auf Abwegen in Richtung Transformation, und damit direkt hinein ins Spiel der Versuchung. Kein Wunder wenn einmal in solch eine Falle hineingeraten, bloß der Wunsch übrig bleibt das eigene Schicksal verändern zu wollen. Er hatte das nicht voraus gesehen, und jetzt war es zu spät! Oder war es?
Liebe mag ein lebenslanger Wunsch sein, um Unsterblichkeit zu erlangen. Bei di Chirico war das vorstellbar mittels der Muse. Sie beunruhigte nicht nur ihn. Das Verlangen nach Transformation, oder Wunsch nach Änderung des Schicksals, kann womöglich noch etwas anderes beinhalten: die Absicht die eigene Gattung wechseln zu wollen. So kommt es darauf an zu verstehen was damit gemeint sei, wenn jemand sagt das persönliche Schicksal ändern zu wollen.
Angesichts einer Geschichte voller Leiden kann die Auffassung einer Ausweglosigkeit ausgesetzt zu sein, genau dazu passen. Das kann erklären weshalb das Falsche leichter reproduziert wird als eine aufrichtige Liebe zu realisieren - eine die den freien Lauf hinaus ins Gefilde der Phantasie ermöglichen würde. Bekanntlich wird im Erstarren lebendiger Empfindungen nur das wieder belebt, was bereits in der Kindheit als Schicksal erlebt wurde und darum nur den Glauben ans ewige Scheitern stärkt. Das käme gleich dem Urteil wegen dem Verbot der Eltern unfrei zu sein, und das wenn längst außer Hause es anstehen würde fürs eigene Leben selbst-verantwortlich zu sein. Dabei lehrt die Psychoanalyse mehrfache strukturelle Determinanten sind imstande alles wegen einem Wiederholungszwang in Hinauslaufen ins Leere münden zu lassen. Die Vergeblichkeit reproduziert sich in dem Moment wenn der Glaube niemals Liebe in der Kindheit erfahren zu haben, eintritt, und die Türe zum Leben mit dem anderen geschlossen wird.
Die offene Hälfte der Tür
Durch die offene Hälfte
in der Tür
schaut er auf eine sagenhafte Landschaft.
Die Felder werden von hochgezogenen Steinmauern markiert.
Sie klettern dem Berghang hinauf
und teilen so das Land auf, wohl wissend
der wirkliche Besitz beginnt
in der Freiheit der Lüfte.
Im Umkreis
des Seins kündigt das Feuer
die Nähe des Salamanders an.
Die bellenden Hunde
besagen wie weit entfernt
das nächste Haus liegt.
Über der Hochebene
kreist der Adler.
In dieser Landschaft
kehrt die Luft in sein Gesicht zurück.
Er steht bei der halb offenen Tür.
Sie lässt ihn die Atemwege der Erde spüren.
Das Klopfen seines Herzen
meldet sich immer wieder.
Im Denken an sie begreift er
warum ein wirkliches Vertrauen
die sinnliche Wahrnehmung beeinflusst.
Lange genießt er den durch die halb offene Tür
kommenden Luftzug in seinem Gesicht
und vergisst dabei ihre verschlossene Tür.
Die Objekte der Philosophie
Aus der Ontologie der Poesie,
also ihre Selbst-Verneinung,
entsteht ein Lügennetz, in dem die Stimme
sich verfängt, wobei die Gleichsetzung
von Gefühl und Gedicht
einem Armutszeugnis nahe kommt,
und menschliche Erfahrungen
ausbleiben, weil allzu vieles
'abgewickelt' wird, ohne jedoch
die dahinter existierende Macht
in Frage zu stellen.
Folglich rollen Wellen an Vorstellungen
am Dichter einfach vorbei
ohne etwas davon mit zu bekommen,
weil sitzend in einem Boot,
sei denn es schaukelt so sehr
hin und her, dass Übelkeit
ihn überfällt, er nicht
den Sturm ausreiten
und noch immer
das Meer lieben kann.
Aus dem Cafe
dröhnt die Melodie
'time after time,
after waiting for her'.
Aus dem Stimmengewirr
gleich klirrende Gläser
lacht heraus eine Stimme so laut,
dass Tauben auffliegen.
Ungestört davon
unterhalten sich die anderen
obwohl diese Stimme
erneut nach Luft sucht,
wenn sie laut auflacht.
Eine merkwürdige Trivialität
belastet den nächsten Gedankenzug.
Zwei Männer spielen geistiges Schach.
Oftmals abwesend, greifen die Frauen
nach ihren Zigaretten und geben sich
emanzipiert von den Vorstellungen
die sie von ihren Vätern als Männer
haben, oder sein sollen.
So gesehen bleibt alles merkwürdig.
Philosophischen Notizen – neunte Eintragung
Objekte der Philosophie sind ungefähr mit den Dingen, die in einer Küche auffindbar sind, vergleichbar. Der Unterschied liegt in der Sein-Sprache. Dabei machte Bloch darauf aufmerksam, um etwas zu existieren und darum wahrnehmbar, muss es die Form dazu geben. Sie allein beinhaltet die Sein-Sprache, und bestimmt darum einen besonderen Übergang vom Ding zum Sein. Wie aber das anschaulich machen.
In der Küche gibt es viele Dinge die beim Vorbereiten des Essens unterschiedliche Rollen spielen. Bis das Essen endlich fertig auf dem Tisch steht, wird also Gebrauch von bestimmten Objekten gemacht. Das Feuer macht dabei einen erheblichen Unterschied aus. Levy Strauss, der Anthropologe, schrieb deshalb vom Unterschied zwischen dem Rohen und dem Gekochten. Er wollte damit etwas aussagen. Aber all das erklärt noch lange nicht warum es so schwierig ist die Objekte der Philosophie zu deuten. Selbst die Sein-Sprache, eine die in wahrnehmbaren Formen übergeht und darum etwas zum Existieren bringt, reicht noch lange nicht dazu aus die Objekte der Philosophie zu definieren. Denn wie sonst Töpfe, Löffeln, Herd von Kartoffeln, Gewürzen, Fischen oder Fleisch unterscheiden, wenn dabei einem nicht auffiel, dass das Sein nicht identisch mit den Dingen ist. Und noch mehr es besteht ein feiner Unterschied zwischen Objekten als etwas nicht essbaren und dem, was die Menschen verstehen vorzubereiten, und deshalb verspeisen können, um zu überleben.
Korrekter wäre hier zu sagen die Sein-Sprache der Objekte wird erst in Abhängigkeit von etwas anderem fassbar. Leider kam aber die Philosophie auf Abwegen nachdem Husserl die Wahrnehmung zur Phänomenologie erklärt. Er tat es als ihm klar wurde wenn etwas auf der anderen Seite, hinter einem Schaufenster stehendes gesehen wird, bleibt lange unklar ob es sich um eine Puppe oder einen Menschen handelt. Erst wenn diese sich bewegt, erlaubt es den Schluss, es handele sich um einen Menschen. Husserl wollte diesen inneren Vorgang der auf eine klare Unterscheidung hinausläuft als Grund für die Erfahrung zwecks Urteil weiter untersuchen.
Bekanntlich machte sein Student, und zwar Heidegger, nichts anderes als nach Max Weber der Beamtensprache ein weiteres Machtbefugnis zu geben. Das geht hervor aus der Unterscheidung die Heidegger zwischen Vorhandenheit und Zuhandenheit macht. Erstes existiert nicht wirklich, sondern gilt als Potential, während Letzteres deshalb existiert, weil es nicht nur von Seiten der Behörde zu Kenntnis genommen, sondern auch einen Stempel als Signatur der Gültigkeit verpasst bekommen hat. Diesen Verwaltungsvorgang mit dem Erkenntnisprozess den die Philosophie anstrebt, zu verwechseln, ist wahrhaftig ein starkes Stück, aber spricht Bände wie dadurch insbesondere die deutsche Philosophie auf Abwege, oder noch mehr auf Holzwege laut Adornos Charakterisierung der Philosophie Heideggers, geriet.
Ein Grund für die Fremdheit der Philosophie gegenüber der Wirklichkeit ist die Neigung der philosophischen Schule allesamt sich auf Text-Exegesen zu beschränken. Sie vergessen dabei etwas wovor Popper warnte, und zwar die Wissenschaften werden uninteressant so bald sie sich nur noch um interne Probleme kümmern, und dabei die realen Bedürfnisse und Probleme der Menschen draußen vor lassen. Dadurch handelte sie sich den Ruf einer Weltfremdheit ein. Noch schlimmer wurde es dann mit Hegel der sich einer Begriffslogik verschrieb und darum zum Schluss kam, wenn die Realität nicht dem Begriff entspricht, um so schlimmer für die Wirklichkeit.
All das besagt ein Grundfehler wird begangen wenn den Studenten der Philosophie lediglich eine Subjekt-Objekt Erkenntnisstruktur vermittelt wird.
Er verstand den Mangel an Philosophie als Grund warum Menschen sich so schwer in ihrem Leben tun. Die Objekt-Bezogenheit entspricht zwar dem Produktionsvorgang bzw. dem Herstellen von Objekten wie das Auto, aber erklärt zugleich weshalb sie sich so schwer tun, um sich gegenseitig als Subjekte zu verstehen. Schließlich reicht eine Subjekt-Objekt Struktur nicht weit genug, um den anderen als Subjekt zu begreifen. Das ginge erst wenn eine Subjekt-Subjekt Struktur die Phantasie des anderen reflektieren ließe, und dies von einer Position aus, die Piaget als die Fähigkeit zur Extrapolieren benannte. Denn will einer dem anderen sagen, er solle die rechte Hand bewegen, dann wäre es von ihm aus die linke, doch einmal sich ins Gegenüber hineinversetzt, ist das nicht die rechte Hand. Das Extrapolieren bewahrt davor nur alles vom einen, also dem eigenen Standpunkt aus zu betrachten, und darum alles nur aus der engen Bezogenheit aufs Selbst sehen und beurteilen. Da dieses Selbst obendrein keineswegs so selbstverständlich ist, wie oftmals angenommen, ergeben sich daraus weitere Erkenntnisschwierigkeiten. Wie die Dinge also gesehen und beurteilt werden, entscheidet letztlich ein Wertegefüge das oftmals missverständlich Kultur genannt wird. Das beinhaltet ebenso eine Ethik des Sehens. Folglich kann nicht ohne weiteres von einer passiven Struktur aus etwas zur kulturellen Wahrnehmung beigetragen werden, ansonsten wäre es so leicht wie selbstverständlich, dass viele Menschen nach dem Zweiten Weltkrieg fest überzeugt davon waren sei wahr wenn sie behaupteten, sie hätten das Verschwinden der Juden in der Zeitspanne ab 1933 bis 1945 nicht gesehen, also auch nicht mitbekommen. Schließlich wird die Wahrnehmung durch etwas anderes bedingt, nämlich ein Hingehen und Nachsehen, zugleich ein Nachfragen und nicht Zufrieden-geben mit halben Antworten. Außerdem ist das Festhalten an anderen Menschen ein Nicht Akzeptieren dass sie so leicht und ohne weiteres verschwinden können. Doch all das deutet nur noch weiter an wie sehr das ethische Fundament der Philosophie seitdem erschüttert ist. Im Widerspruch dazu kam es lediglich zu einem materiellen, aber keinem ethischen Wiederaufbau. Letzteres ist eben unmöglich weil die Ethik selber nicht im selben Sinne wie ein Haus konstruierbar ist.
Noch etwas sei bezüglich der Wahrnehmung zu sagen. Es kommt sehr wohl auf noch etwas anderes an. Wenn allein eine gemachte Unterscheidung nicht eine menschliche Erfahrung auszeichnet, sondern das Gegenteil, dann ist das deshalb fatal, weil es nicht nur einen Kategorien-Wechsel, sondern eine Veränderung in der Reflexionsebene bewirkt. Das wird insofern deutlich wenn es um rassistische und nationalistische Vorurteile handelt, um das sogenannte Fremde auszugrenzen. Adorno und Horkheimer sagten ja es voraus als sie in der 'Dialektik der Aufklärung', die 1944 erschien, urteilten selbst wenn der Faschismus besiegt sei, wären da immer noch die xenophoben Kräfte.
Folglich fing diese Einschränkung auf eine besondere 'deutsche' Gesinnung nicht erst in 1933 an. Einstein erlebte bereits auf einem Physik-Kongress in Stuttgart in 1929, dass manche Redner eine Unterscheidung zwischen der deutschen und der jüdischen Physik forderten. Ab 1933 wurden dann jüdische Wissenschaftler aus den Instituten entfernt, u.a. auch aus der Universität in Freiburg wo Heidegger Direktor für ein Jahr war. Allerdings gibt es Belege, dass jüdische Wissenschaftler schon viel früher ihrer Arbeit entlassen wurden. Um zu überleben, wurden sie zu Straßenfeger, aber einmal ohne institutionelle Mitteln ihre Erkenntnisse zu publizieren, verarmt nicht nur sie, sondern auch die ganze Gesellschaft. Es wird ihr dann immer häufiger bloß ein Scheinwissen vermittelt, und dennoch wundern bzw. bezweifeln die Menschen nur sich selber, wenn sie sich nicht angesprochen fühlen. Der Aura der Macht die dem Professor quasi einen Sonderstatus in der Gesellschaft gibt, sie trägt zur von Canetti beschriebenen Verblendung bei. Aus diesem Grund erklärt sich noch ein anderes Schweigen, das durch eine Erziehung hin zur Unmündigkeit noch mehr vom Elternhaus an und durch die Schulen gefördert wird. In solch einer Gesellschaft ist es dann wenig verwunderlich wenn es nur wenigen gelingt da auszubrechen, um wiederum den Menschen einen ihnen zumutbare Sprache zukommen zu lassen. Das Problem der Sprachlosigkeit, anders gesagt, das Schweigen entsteht Mangels an Phantasie, aber kann eben wegen diesem Widerspruch selten so weit entwickelt werden, dass die Philosophie erstmals von einer Fixierung auf die Sein-Sprache los käme.
Ein Grund für den Mangel kann anhand eines Gespräches in der Küche verdeutlicht werden, und dies sei als bewusste Provokation der Position, bloße Küchengespräche taugen nichts, zu verstehen. An solch einem Ort wird einem nämlich klar, und zwar im Denken und Vorstellen was die kommende Gäste gerne essen und was sie sich zu sagen haben werden, insbesondere wenn das Essen gut schmeckt, dass wenn die Hand nun mal nur bis zum Objekt, sei es ein Tisch oder ein Kochtopf, reicht, dann ließe solch eine Sprachstruktur keine Vorstellung zu. Anders gesagt die Ding-Sprache ist nicht allein das Problem, die Verdinglichung des Bewusstsein auch nicht. Eher fehlt es dem Bewusstsein in der Gegenwart wenn die Antizipation ausbliebe, und der Fluss der Sprache einen nicht mehr berühren würde. Stattdessen wird eine Reduktion auf die bloße Existenz der Dinge evoziert und provoziert, weil schließlich nur das wahrzunehmen sei, was quasi auf der Hand liegt, also das Offensichtliche. Hegel machte daraus den provokativen Stand dass das Bekannte deshalb noch nicht erkannt wird, weil es als etwas Bekanntes übersehen wird. Offensichtlich handelt es sich dabei um eine Scheindifferenz zwischen Bekannten und Erkannten. Aber in dieser Niedertracht verlieren sich so viele gute Gedanken, und kommt es nicht zum Inhalt, also dem Substanziellen weil nur auf dieser fiktiven Unterscheidung die Erfahrung als Erkenntniswert beruht, und folglich die sinnliche Wahrnehmung als Quelle von Wahrheit verneint wird. Hegel geht da so weit um auch gleichzeitig die Poesie zu verneinen. Das hat enorme Folgen fürs menschliche Selbstbewusstsein das schließlich ein Teil der sozialen Voraussetzung für die Wahrnehmung eines anderen Selbst (in diesem Kontext sei an Baudrillards Abhandlung zu erinnern) ist, und hierzu durch den Dialog mit dem Schweigen aufgezeigt wird.
Gegeben bloß eine Subjekt-Objekt Struktur, so würden die Erkenntnisse nicht bis zum anderen gehen, sondern ihm oder ihr die gleiche Erkenntnisstruktur sprachlich auferlegen. Es ließe also nur eine indirekte Verständigung mit dem anderen Subjekt als Mensch zu Mensch zu, insofern es mittels der sprachlichen Auffassung der Objekte es zu einer Art Vermittlung kommen muss, wollen sich die beiden kennen lernen und Ideen austauschen.
Wie gesagt solch eine Gegenstand-Philosophie gibt es in der Küche. Ob nun der Pfeffer auf dem Regal, das Sieb zum Waschen der Salate, oder das große Glas worin die Nudeln aufbewahrt werden, allesamt tragen zum Existieren-können bei. Gleichsam existieren diese Dinge auch unabhängig von der Nahrung die der Mensch einnimmt, um zu leben. Tiere, Pflanzen, Gemüse und weiteres mehr existieren bedingter Weise auf der Erde. Daraus gingen existenzielle Entwürfe hervor, eine Jagd-Gesellschaft eine andere Form als eine von der Landwirtschaft abhängige. Beim Eintreten in die Küche sind einem all das nicht bewusst. Doch das kunstvolle Zusammenbringen was letztlich Leben möglich macht, findet hier seinen natürlichen Anschauungsunterricht.
Selbstverständlich wird die sinnliche Wahrnehmung in jeder Küche ebenso durch Gerüche und vor allem durch Geschmack stark beeinflusst. Noch mehr beflügelt eine Vorfreude falls Gäste kommen die Phantasie. Das Leben existiert auf verschiedensten Ebenen, und nicht immer nimmt daran Anteil die Phantasie. Die Lehre der Materie neigt dabei eher in Richtung der Dinge, während die Phantasie die Gestaltungskraft auf menschlicher Ebene fördert.
Ferner gäbe es Grund genug mal die Literatur zwecks Beschreibung von Speisen zu untersuchen, weil die sprachliche Auffassung der Dinge verwendbaren Rezepten gleicht. Simmel hat z.B. in seinen Romanen das getan; es hat bei manchen Lesern derart starke Auswirkungen, dass diese sich sofort in die Küche aufmachten, um das beschriebene Rezept auszuprobieren.
Objekte, wenn verglichen mit der Vorbereitung von Essen wie in der Literatur beschrieben, tragen Entwürfe in sich. Denn die Sein-Sprache enthält nicht nur den Bezug aufs Ding-an-sich, sondern erfasst zugleich die Form als Entwurf um zu existieren. Darum ist jedes Objekt nicht nur aus einem bestimmten Stoff, sondern geht aus einer bestimmten Sein-Sprache hervor. Dadurch wird dessen Existenz kenntlich.
Aus diesem Grund kann die Behauptung gewagt werden: Objekte in der Philosophie sind so notwendig wie die Luft zum Atem. Schließlich reibt sich an ihnen der Geist der zum Denken anregt. Objekte erhalten ihre materiellen Grundlagen im existenziellen Entwurf. Sie folgen allesamt dem Gesetz der Erde, des Himmels, des Wassers und des Feuers. Weil letztere aus einer alt hergebrachten philosophischen Anschauung herrühren, erinnern sinnlich wahrnehmbare Objekte in solch einer Umgebung wie zu finden auf Paros elementar daran.
Ferner kann behauptet werden Objekte sind die von den Menschen ausfindig zu machende Dinge die in ihrem Leben den praktischen Zweck zu leben begreifbar machen können. Die Dinge geben dem Sein die Formsprache. Wasser beginnt erst dann sichtbar d.h wahrnehmbar zu existieren, wenn der Fluss das Wasser zum Meer trägt.
Despotiko
Ausgrabungsarbeiten auf Despotiko Juni 2008
Manche Inseln haben es an sich,
weil nur von der Vergangenheit berührt
obwohl die Zeit niemals stehen bleibt.
Archäologische Stellen gleichen
lebendigen Gräbern die einst
von der Zeit verschüttet,
erneut nach jüngsten Ausgrabungen
zum Leben zurückkehren
und damit die Erzählung fortsetzen.
Dazu gehören die modernen Dramen:
eine schöne Archäologin
mit ihren vollen Busen
lässt sich ein auf eine Ausgrabung,
und dies nicht zum ersten Mal,
weil dadurch die Verbindung
zu illegal entwendeten Gütern
sichtbar wird, während die Welt
erst Jahre danach erfährt
wie das ins Museum kam.
Der Schriftsteller nähert sich ihr
da fasziniert vom Blau
ihrer Augen, und einem Körper
der den Sinnen die Stimme verschlägt,
wenngleich sie ihm humorvoll
wissen lässt so schnell geht das nicht
mit ihr denn das Vorstellen kann sehr schnell
im Verstellen der Liebe enden.
Aber was soll, der Geschmack
aufs Leben ist kurz entschlossen.
Nahe den archäologischen Stellen
sind solch Liebesbeweise ohnehin leicht
auffindbar, weil die Lust danach ruft,
und Leben einfach hinzu tritt.
So vergeht die Zeit als Kontinuität.
Philosophischen Notizen – zehnte Eintragung
Sprach-philosophisch gesagt, jedes Objekt wird durchs Existieren in einem lateralen Dasein bestimmt, wobei Geschehnisse die Wahrnehmung desselben beeinflussen. Wie aber laterales Dasein begreifen? Ausgehend vom Grundgedanke, nichts existiert für sich alleine, dennoch tun sich nicht nur Philosophen schwer etwas im Zusammenhang zu etwas anderem zu deuten. Da Michel Foucault versuchte eine Archäologie des Wissens zu entwickeln, wäre ein Beispiel von etwas Zusammenhängendes die Verbindung von damals mit heute. Da beides zugleich im Fluss der Veränderung keine statische Einheit bilden, ergibt sich aus solch einer Betrachtungsweise eine andere Deutung als was die epistemologische Kritik der Begriffe selber nach vollziehbar machen kann wenn sie verdeutlicht wie über die Zeit hinweg die Bedeutungen sich geändert haben.
Selbstverständlich bedeutet ein Haus an einem öffentlichen Ort etwas anderes wenn nicht in irgend einer Stadt aufzufinden ist, sondern nur noch Spuren davon zu entdecken sind. So gesehen und erlebt im Falle der archäologischen Ausgrabungsstätte auf Despotiko bei Antiparos in Griechenland. Beim Haus handelt es sich um eine verlassene Hütte eines Schäfers der nahe der Ausgrabungsstätte mal dies konstruiert hatte. Seitdem befindet sich diese Insel unter einem besonderen Schutz. Es darf nicht darauf gebaut werden, und somit ergibt es eine einmalige Gelegenheit Natur und Zeitgeschichte ungestört von gegenwärtigen Entwicklungen betrachten und erleben zu können.
Kein Wunder wenn genau gegenüber dieser Insel die mit einer kleinen Fähre zu erreichen ist, eine fast Los Angeles ähnliche Suburban-Stadtentwicklung sich bereits in 2008 abzeichnet hat. Dies hängt eng zusammen mit dem Wert eines Stück Landes, so dann wird hier nicht nur der Blick aufs Meer geboten, sondern obendrein auf eine noch intakte Insel. Da gibt es also Villen mit Doppelgarage obwohl die Insel Antiparos dorthin nur eine Straße hat. Dennoch haben Schauspieler wie Tom Hanks sich dort das Recht erworben auf Hollywood Parties damit prallen zu können sie haben eine Villa auf einer griechischen Insel. Was exotisch in LA klingt, beraubt die griechische Insel ihrer Freiheit die Natur und Landschaft unberührt von solchen Bauspekulationen zu bewahren. Aber das ist noch nicht alles. Meistens stehen diese Villen unbewohnt dem ganzen Jahr über in der Landschaft ziemlich hilflos da. Ihre Eigentümer kommen höchstens für nicht einmal ein ganzes Monat im Sommer dorthin, und dann nicht immer jedes Jahr. Bekanntlich ermüden diese Zweit- und Dritt-Wohnungen mit der Zeit alle, die Einheimischen wie die Zugereisten.
Einst war es so dass in Griechenland Urlaub gemacht wurde indem jeder unter dem freien Himmel auf einem Feldbett schlief, und wenn in die Stadt zurück gekehrt wurde, nahmen sie alles mit. Seferis sagt darum wenn das Schiff die Touristen wieder aufsammelt und mit nimmt, dann wird der Strand dem Wind zurück gegeben. Eine von Menschenhände unberührte Natur gibt es nur noch sehr selten. Alles fing nach 1945 mit dem Kommen des Autos an. Das hat auch das Verhältnis von Wissen und Nicht-Wissen maßgeblich beeinflusst, weil in der Vergangenheit die Menschen nicht die ganze Welt per Google überfliegen konnten, sondern sie auf unbekannte Wälder und Meere ihre Fantasie projektierten, um dem Unvorstellbaren teilweise mit ihren Vorstellungen davon etwas näher zu kommen. Letzteres umfasst etwas besser den Inbegriff eines lateralen Dasein.
Die Philosophie brachte die Archäologie des Wissens (nach Michel Foucault) hervor, um zu sagen, Schichten an Erfahrungen benötigen das Hervorholen solcher Gedanken, die ans Leben der Menschen der damaligen Zeit anknüpfen. Dazu sind nötig erhellende Objekte wie der Umriss eines Bades nahe der heiligen Stelle, und woraus geschlossen werden kann noch ehe es zur Zeremonie ging, reinigten sich die damaligen Menschen vom Staub der Strecken die sie hinterlegten, um zu dieser heiligen Stätte zu gelangen. Auch Delphi als Orakel war berühmt geworden weil die Priester sich in der Kunst der Entfernung von Läusen verstanden.
Solche Einsichten und Gedanken gleichen dem Lichtstreifen am Horizont, wenn die Sonne untergeht und dabei mit den wenigen Wolken spielt. Es kommt also darauf an Spuren die die Menschen in der Vergangenheit hinterließen in die Gegenwart rüber zu tragen. Die Erde bewahrt einen Teil dieser fast zeitlos gewordenen Geschichte. Es ist ähnlich zum Erstarren des Menschen als Salzsäule, können aber auch Stücke an Keramik neben dem Grab sein. Interessant wird es wenn weitere Objekte Schlüssel zum Verstehen der damaligen Zeit, einschließlich den Ritualen, ergeben. Wobei gerade im Falle der griechischen Antike, die Säkularisierung bereits sehr weit fortgeschritten war und darum das Verhältnis zwischen Religion und Leben nicht nur von Aberglauben, Schicksal usw. bestimmt war. Eher fühlten sich die damaligen Menschen imstande ihr Schicksal teilweise selber zu lenken, insofern sie lernten wie sie es vermochten die Götter gegeneinander auszuspielen, um dadurch für sich noch weitere Freiheiten herauszuschlagen. Das kann schief gehen, hat aber durchaus etwas sehr menschliches und darum versöhnliches an sich wenn der Mensch nicht gnadenlos nur einem Gott ausgeliefert ist. Die Christliche Welt mit ihrer Hingabe an nur einen Gott hat all das verdrängt und somit auch menschliche Güte bei gleichzeitiger Raffiniertheit verdrängt.
In Despotiko kamen sie zur Zeit der Antike zusammen nicht nur um miteinander zu sprechen, sondern sie wollten stolz dem anderen zeigen, welch einen Reichtum man inzwischen angehäuft hatte. Das verändert die Begierde nach etwas anderen. Wenn nicht direktes Protzen, dann zumindest ein wankelmütiges Begehren. Schließlich war das sozusagen vom Wind oder genauer gesagt, von der Gunst der Stunde abhängig. Es muss die Freiheit den anderen etwas zu geben, stark eingeschränkt haben. Es gibt da verschiedene Rituale, Potlasch zum Beispiel ein übereinfriges Fest in dem jeder den anderen mit Geschenken zu übertreffen suchte und darum sich letztlich selber ruinierte, nur um anerkannt zu sein. Das mag damals wie heute etwas ähnliches bedeuten.
Die archäologischen Funde auf Despotiko würden missverstanden werden, wenn sie nicht diese sehr menschlichen, zugleich trivialen Neigungen in Betracht ziehen. Solche Rituale des Vorzeigens was man inzwischen, also seit der letzten Zusammenkunft geschafft hat, die verlaufen ähnlich zu was heute geschieht. Oft kann beim Aufsuchen der Oper beobachtet werden, dass die Frauen ihre Perlen und die Männer ihre Frauen vorzeigen. Noch mehr erlangte Despotiko an Bedeutung weil an diesem Ort verschiedene Ströme zusammen kamen, die Schiffe folglich aus verschiedenen Richtungen diese kleine Insel leichter als andere Orte ansteuern vermochten. Daraus folgt der Aufbau der ganzen Stätte, einschließlich das Bad wo man sich waschen konnte noch ehe der Tempel aufgesucht wird, und um anschließend gemeinsam zu feiern. Allzu leicht werden vergangene Menschen mystifiziert statt sich selber in der Gegenwart darin wieder zu erkennen. Es kommt also darauf an nicht einem irrtümlichen Glauben an Fortschritt, so als sei die Moderne dem Primitiven überlegen, zu unterliegen. Eher sei gefragt eine selbst-kritische Wahrnehmung der Geschichte der Menschheit.
Aber ebenso lag Despotiko im Meer an der Spitze eines Dreiecks innerhalb dessen Schiffe leicht gekentert werden konnten. Es war also wichtig Frieden vorzeitig schließen zu können, um sich gegenseitig eine sichere Seefahrt zu gewährleisten. Das verlangte wiederum die Vermittlung durch die Priester und als Gegenzug nicht unbedingt Opfer, aber doch heftige Geschenke. Damit kam eine bestimmte Existenz zustande, eine die bereits den Olympischen Frieden vorweg nahm und durchaus den Wert einer Aus-Zeit von üblichen Konflikten und Kriegen bestätigte.
Als er daran dachte und versuchte sich das damalige Leben vorzustellen, kam zwecks Begreifen der realen Existenz eines anderen Menschen erneut ihre Stimme am Telefon hinzu. Sie schaffte es durch ihre Stimme - Adorno nannte das die Einsicht in eine seelische Schönheit - solch eine Verbundenheit zwischen Dasein in der Gegenwart und bereits gemachten Erlebnissen in deren gemeinsamen Vergangenheit herzustellen, so dass er eine tiefere Kontinuität an Leben verspürte. Dadurch verstand er zum ersten Mal was den Objekten ihre wahre Unabhängigkeit vom subjektiven Sein gibt.
Einmal von ihr berührt, konnte er die Welt mit seinem subjektiven Verstehen sein lassen, weil jetzt ihre Existenz eine Vereinheitlichung seiner sinnlichen Wahrnehmung vom Leben in dieser Welt bestehend aus Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft zuließ. Gleichzeitig roch er die Erde und verstand die von ihm unabhängigen Menschen um ihn herum. Es ließ ein Zugehen auf sie zu. Da gab es keine Hemmung oder Angst, denn das menschliche Selbstverständnis trägt in sich Vertrauen und ermöglicht eine besondere Offenheit. Darum nannte er sie 'Menschenkind' weil sie die Liebe in Menschen förderte, ja zur Sprache brachte.
Solch ein Selbstverständnis im Bezug auf die Anderen wurde von Karl Popper lediglich als Inter-subjektivität thematisiert. Innerhalb dieses wissenschaftlichen Kreises war jeder Wissenschaftler subjektiv, aber sie vermochten gemeinsam durch das Aufstellen an Hypothesen und Kritik daran wenn nicht eine objektive Wahrheit dann eine intersubjektive Meinung herstellen. Das hatte ihn auf den Gedanken gebracht, die Philosophie müsse von 'der inneren Reflexion des sozialen Seienden' ausgehen, um Fragen des Menschen im Zusammenhang mit dem Handeln als das Schreiben zu begreifen.
Bei Einstein galt dieses Selbstverständnis zwischen nicht nur Wissenschaftlern, sondern ihnen und den Menschen schlechthin als Voraussetzung die Selbstständigkeit der Erde (und die Unabhängigkeit der Objekte vom Menschen) wahrzunehmen. Solch eine Selbstverständlichkeit der Wissenschaftler, die die Selbstständigkeit in der Wahrnehmung der Objekte voraussetzt, war was Einstein als Eindeutigkeit der Begriffe anstrebte. Die Aussagen der Begriffe dürften seiner Auffassung nach nicht willkürlich oder wahrscheinlich ausfallen, eben "weil Gott nicht würfelt." Nur so finden sich die Teile im Ganzen zusammen und umgekehrt eine Unabhängigkeit im Erkennen des Objekts wird dem wissenschaftlichen Anspruch auf Eindeutigkeit gerecht. Gleichwohl ist wichtig, dass keiner den anderen dabei bevormundet, in der Annahme im Besitz eines besseren Wissen der Erde zu sein.
Allerdings verlachten damals viele Einstein. Es kam zur Abänderung des Wahrheitsanspruches. Heisenbergs Wahrscheinlichkeitsprinzip machte das Abrücken davon möglich. Es wurde möglich sich einzugestehen, wenn das Ganze bestimmt werden kann, dann kann keiner genau wissen wo die Teile sich befinden, und umgekehrt waren die Teile bestimmt, blieb das Ganze ungewiss. Alles war nur nach Wahrscheinlichkeitsrechnungen bestimmbar.
Robert Musil fasste das in seinem unfertigen Werk 'Der Mann ohne Eigenschaften' wie folgt zusammen: so bald die Gesellschaft den Wahrheitsanspruch aufgibt, und keiner mehr weiss was Wahrheit ist, folgen den Wahrscheinlichkeitsrechnungen nur der Terrorismus. Letzteres handelt sich um ein negatives Wissen das die ganze Wahrheit wissen will - eine Unmöglichkeit, und darum der Umschlag der Enttäuschung in Wut und noch mehr in Ausbruch von bloßer Gewalt. Schließlich handelt es sich beim Verlust an Wahrheit um eine in Panik geratene Menschheit die sich einer blind gewordenen Gewalt ausliefert, weil völlig verunsichert was noch vom menschlichen Leben auf der Erde gewollt ist. Dem also Einhalt bieten, das dürfte sehr schwer fallen weil der heutigen Welt ein Ort wie Despotiko einfach abhanden gekommen ist.
Es kommt noch etwas hinzu. Auf der einen Seite fehlt die Anerkennung von offizieller Seit aus was all die Freiwilligen, die bei den Ausgrabungen Jahr nach Jahr mithelfen, leisten. Die ausbleibende Bezahlung von Seiten des Kulturministeriums ist zugleich ein Teil der politischen Realität was Umgang mit dem kulturellen Erbe betrifft. Es beginnt mit der Vernachlässigung des kulturellen Erbes, setzt sich aber fort im Versuch aus archäologischen Objekten einen Reichtum besonderer Art zu schöpfen. Hier beginnt der Diebstahl von Ausgrabungsstätten und die illegale Abwanderung von Objekte die oftmals nicht in Museen in der ganzen Welt, sondern auch im Privatbesitz landen - aus eben ähnlichen Motiven wenn das darum geht anderen zu zeigen jemand zu sein, indem ein angehäufter Reichtum mehr als nur Geld kostbare archäologische Fundstücke vorweisen kann. Das besagt wiederum Griechenland hat nicht nur das Problem wie die Skulpturen im Britischen Museum nach Athen zurückzubringen sind, sondern auch die ganz vielen illegal entfernten Kulturgüter.
Im Zeichen des Schubkarren
Schlafen im Schubkarren ginge
für Till Eulenspiegel unter Archäologen,
doch welch ein Durcheinander das wäre
wenn christliche Symbole plötzlich
als Nasenringe der Inder gedeutet werden,
oder die Akropolis als ein Zeltdach
für die Esel auf dem Mond,
wenngleich er außerdem
behaupten kann den Computer
gab es noch vor dem Telefon,
oder die Elektrizität blieb aus
weil die Schnur nicht hielt.
Ganz komisch mutet es an
wenn das zuvor danach käme,
oder umgekehrt eine Wiedergeburt
dem Affen, aber nicht dem Menschen
gilt weil der anhielt um den Applaus
auf großer Bühne zu genießen.
Schließlich gibt es solch eine Verwechselung
von Shakespeare mit einem Lord,
während die subversive Kunst
dem Krokodil auf Lauer entspräche -
allerdings stellte die Wahrheitskommission
in Südafrika eines klar: ein Feind
verdient keine Großzügigkeit,
und das obwohl die Sonnenstrahlen
auf alle gleich scheinen.
Bliebe das Große im Schatten
stehen, verlöre das Ganze
an Aufmerksamkeit für die Nach-zeit.
Philosophischen Notizen – elfte Eintragung
Archäologische Objekte sind aus heutiger Sicht die aufzuzeichnenden Spuren des damaligen Lebens. Dazu meinte aber J. Habermas die Rekonstruktion der Vergangenheit aus übrig gebliebenen Bruchteilen sei nicht möglich. Demnach wäre Geschichte nur ein Bruchteil dessen, was wahrgenommen wird. Das Gegenteil davon ist die Reduktion auf eine scheinbare materielle Basis samt der Erklärung, alles geschehe nur aus Geldgründen. Andere reduzieren das immerzu nur auf eine bestimmte Gesellschaftsform. All das befriedigt nicht sehr insbesondere da das Verhältnis der Teile zum Ganzen ungeklärt bleibt.
Es war schon immer der Bedarf der Philosophen, das Ganze bestimmen zu wollen. Für Hegel war das Ganze das Wahre! Seit Adorno ist es das Unwahre.
Heutzutage wird das Mögliche mit dem unmöglich Gewordenen umschrieben und somit die Philosophie verneint. Dostojewski meinte dies sei auch eine Philosophie, aber eine sehr schlechte.
Es bleibt ein bitteren Nachgeschmack wenn menschliche Beziehungen in einem besonderen Nicht-Wissen landen. Trennungen werden vollzogen ohne dass die Akteure den ganzen Grund wissen. Allerdings lässt das Unvollkommene die Menschen noch mehr als zuvor schweigen. Somit kommen sie selten zu einer wahren Aussprache.
Eine Lehre kann allerdings aus den archäologischen Ausgrabungen gezogen werden. Sie besagen im Zeichen des Schubkarren kann einiges erzählt werden. Darum kommt es darauf an das Weitererzählen von Geschichte zu ermöglichen. Wie es dann weiter geht im Beruf, im persönlichen Leben, in den Beziehungen zu anderen Menschen, all das hängt von Entscheidungen, aber auch von einer der Geschichte innewohnenden Dialektik ab. Sartre kam dem nahe als er aus der Kritik an der dialektischen Vernunft die Übergänge von Energie zum Einzelnen zur Gruppe zur Geschichte aufzeigte, und darum die existenzielle Grundlage für die von Marx erstellte Erklärung des Lebens im Kapitalismus schaffen wollte. Allerdings nahm ihm keiner das ab. Letztlich blieb Sartres Aufzeigen der dialektischen Vernunft außerhalb der institutionellen Form mittels der Philosophie vermittelbar gemacht wird. Existenzielle Grundlagen werden seitdem als Bedingungen einer Realität die außerhalb dem institutionellen Zugriff liegen, angesehen und darum nicht anerkannt. Immerhin ließ aber Sartres Kritik einen anderen Begriff von Geschichte zu, und das ohne das Leben eines einzelnen zu negieren. Daraus ging als Beispiel seine biographische Analyse von Flaubert als Idiot der Familie hervor.
Aber auch wenn es nur Restbestände der Geschichte gibt, so können diese Spuren der Vergangenheit gesichtet werden. Es kommt darauf an ihnen etwas mittels der Phantasie hinzu fügen zu lassen, um die lebendige Geschichte der Menschheit erzählbar zu machen. Allerdings wird leider allzu oft übersehen, dass die ausgegrabenen Details einen nur beschränkten Hinweis auf Kontinuität hergeben. Dennoch können sich aus einer plötzlich erkannten Verbundenheit mit der Erde ganz unerwartet eine Lösung des Rätsels ergeben. In der Geschichte der Menschheit weiß auch keiner so genau warum diese beiden Menschen zusammen blieben und nicht diese anderen zwei, obwohl deren Liebe erstmals so viel zu versprechen schien. Nur wäre es allzu einfach aus dem ausgelösten Schicksal eine Abwendung des Schicksals falls die Beiden zusammen geblieben wären, abzuleiten. Denn viel schwieriger ist es das Leben frei vom Schicksal zu begreifen, und damit die Auffassung zuzulassen, das ganze Leben immerzu noch andere Möglichkeiten enthält. Solch eine Freiheit von einer absoluten Determination gibt aber den einzelnen nicht nur mehr Möglichkeiten, sondern auch eine Selbstverantwortung für welche Entscheidungen im Verlauf des Lebens gemacht werden.
Die dem Objekt (der Begierde) innewohnende Gesetze
Im Windschatten, zumal mittags zu schlafen,
gleicht einer Revolution der Träume
die erahnen lassen wenn Arbeitende
bei der Kommission ermüden,
zugleich neue Evaluierungen
strukturelle Änderung vorweg nehmen,
weil stets die westliche Welt
die Mittagszeit ausschließt,
um Effizient zu bleiben,
während dessen im Süden
ein ganzer Arbeitstag
erst danach beginnt.
Philosophischen Notizen – zwölfte Eintragung
Kommen wir erneut auf Objekte zu sprechen.
Im Versuch einer selbst-kritischen philosophischen Deutung (Adorno nannte das die negative Dialektik, um dem nicht definierbaren Etwas gerecht zu werden) kann gesagt werden: jedes Objekt hat seine Oberfläche, aber auch ein Inneres, und eben auf jener dem Objekt innewohnenden Spannung zwischen beiden beruht die ganze Erscheinung des Objektes.
Hinzu kommt noch das Besondere der menschlichen Wahrnehmung. Ein Objekt wird erst dann zu etwas, wenn die Dichte solcher Erscheinungen auf etwas sinnlich Wahrnehmbaren basiert. Somit kann jedes Objekt eine bestimmte Größe annehmen.
Was die Bestimmung des Objektes im Lichte des Erkenntnis betrifft, so ist das nicht frei vom existenziellen Entwurf. Aber was wir unter Existenz als Lebenserfahrungen, die der Objekte miteinbezogen, verstehen, ist erstmals nur eine Umschreibung der wirklichen Lebensbedingungen.
Ausgang zum Verstehen der Welt war stets der Stein der Weisheit. Darüber mussten etliche lachen, haben sich doch allzu viele Philosophen daran gestossen, vorab mit ihren Zehen. Eine Bedingung dafür wäre sie haben beim Dahin-Wandeln nicht acht geben eben weil sie eher schlafwandlerisch in die steinige Landschaft bei Nacht hinausgingen. So ist das auch mit dem Licht die den Traum möglich macht. Ob eine Spiegelung des seelischen Zusammenspiels mit unterirrdischen Kräften oder nicht, manch einer machte zaghafte Versuche sie zu deuten, bis Freud kam und erstmals eine Trieb-Aufklärung möglich machte. Die Voraussetzung für die Psychoanalyse war allerdings die Sprache als etwas wahres vorauszusetzen, so dann unterliefen einem Fehler wäre das bereits ein deutliches Zeichen etwas widersprüchliches habe das innere seelische Leben in jenem Augenblick erfahren. Aus diesem Grund sind persönliche Zeiterlebnisse entscheidend für die Traumdeutung.
Dagegen war der Tagestraum immer etwas anderes, etwas erhellendes, da voraus schauend während noch in der Gegenwart in etwas anderem befangen. Frühzeitig kündigt sich an die Befreiung, gleich einem frischen Windzug nachdem jemand die Tür geöffnet hat.
Im Mittelmeerraum gibt es außerdem diese wohltuende Praxis des Mittagsschlafes, und das an ganz besonderen Orten. Licht um diese Zeit wenn die Sonne ganz direkt hoch oben steht und der darauf folgende Schlaf lassen das Gesicht entspannen. Der Mensch wird unbewusst durch Traumwelten getragen. Er kommt zu einer derartigen Erfrischung der Psyche, was sich erst im kurzen Schlaf, aber tiefen Traum bemerkbar macht, und dann sich zu einem klaren Denken zusammen fasst.
Leider befassen die Philosophen sich zu selten mit dem was nach einem Mittagschlaf - die Logistiken hinter den neu verordneten Arbeitsorganisationen haben komplett das ausgeblendet - zu Tage getragen wird. Ferner ist das Erkenntnis dieser Welt nach wie vor mit dem Inbegriff des Schönen verbunden. Daraus kann eine einmalige Ästhetik entstehen, voraus gesetzt es wird auf die wahre Liebe eingegangen, und nicht wie so oft einfach in ihrer Existenz und als Anspruch bloß geleugnet weil momentan nicht persönlich erlebt. Denn Liebe ist vorab das menschliche Potential und der verborgene Wunsch auch im Weltall Emphatie fürs Mensch-sein vorzufinden.
Was folgt daraus?
Folgt dem Kuss die Liebe
bleibt die Zeit stehen,
oder zumindest scheint es
als gäbe es Krach nebenan,
weil er das Schweigen
nicht länger ertragen kann.
Er will alle aus dem Haus haben.
Sein Haus, seine Zeit, sein Buch,
ganz allein alles genießen,
nur will er nicht zugeben,
das taugt nicht allzu viel,
um die Nachwelt zu überzeugen.
Allzu viele Fliegen
kreisen ums rohe Fleisch
in der Küche.
Der Mensch stört
ganz einfach
wenn er schweigt.
Es folgt darauf
statt die fließende Sprache
der Aufschrei.
Noch drei Monde später
sprechen die Einwohner
unten im Dorf
darüber was mit ihm
wohl geschehen war
als sie nicht kam.
Philosophischen Notizen – dreizehnte Eintragung
Ganz anders dagegen die Meinung des Soziologen Baudrillard der die Welt als ein Leben scheinhafter Objekte auffasst. Allerdings macht er da eine wichtige Qualifikation. Seiner Meinung nach „erreichen nur wenige Dinge den Zustand des reinen Scheins.“ Er meint dennoch annehmen zu können, „dass die Verführung für alle Dinge unausweichlich ist“. Folglich besteht er darauf, daß es diese Notwendigkeit zur Verführung als „Strategie zu inszenieren“ gibt. Seiner Überlegung nach mündet das in einem echten Dilemma, denn all das kündigt den Anfang des schicksalhaften Bösen an:
„Die Verführung heraufbeschwören bedeutet, unserem Schicksal, Objekt zu sein, zu entsprechen, und an das Objekt rühren bedeutet, das Prinzip des Bösen wecken.“
Baudrillard, das Andere selbst, s. 58
Damit ist gemeint, daß die Dinge sich eher einer anderen Existenz als dem Realen verschreiben. Deshalb wollen die Menschen das Realitätsprinzip überschreiten, um „uns in einer anderen Logik zu ‚brechen’(refracter)“. Das Brechen verändert was wahrgenommen, aber auch geleugnet werden kann.
Daraus folgt die Aufforderung: ,Schaue Dich an. Du bist kein Objekt’. Der Widerstand des Subjekts gegen das Objekt-Sein veranlasst bekanntlich den Bruch mit der Inszenierung einer Verführung.
Entführung – Verführung von Europa
Was will der sinnliche Geruch ihres Körpers
noch mehr sagen als was die erotische Liebe
voller Lust im Auge hat: ihren schönen Körper
weil endlich frei sich zu geben. Es folgt der Kuss,
und das Vortasten zu was sich bewegen lässt
gleich dem Traum in der roten Kammer
worin das erotische Spiel sich inszeniert
zu den tanzenden Flamen der Kerzen
an der Wand - dann der Schlaf bis am morgen
der Wind durch die Vorhänge herein streift,
wie ein beiläufiger Gast vorbei schauend
ob die Treue zu solch einer Liebe anhält.
Philosophischen Notizen – vierzehnte Eintragung
Angesichts den vielen Geschehnissen in dieser Welt, und dazu gehört die imperialistische Kolonialzeit, bleibt zu fragen: was ist die wahre Geschichte von Europa? Im Sinne des Mythos entspricht das der eindringlichen Frage, ob sie wirklich von einer Entführung ausgeht?
Setzt das nicht die Bereitschaft zur Verführung voraus? Wenn ja, dann wird Unschuld pervertiert. Es kommt dann nur zur ständigen Inszenierung einer Strategie, die Liebe als Spiel versteht.
Solch eine Degradierung der Liebesbeziehung verweist auf eine besondere Illusion der sich die Mächtigen immer häufiger bedienen. Es handelt sich um die Illusion des freien Marktes der angeblich durch Wettbewerbe belebt werden soll, aber in der Realität auf ein Ausspielen der Menschen untereinander hinausläuft. Kein Wunder wenn Europa nicht weiter kommt.
Sobald alles zur Illusion angesichts dem Schein der Dinge erklärt wird, bleiben aus die rationalen Erklärungen. Ferner geht angesichts dem großen Schweigen die Zuversicht in die Politik verloren. So geraten die Menschen inmitten solch einer Scheinwelt in bloß negative weil einseitige Abhängigkeiten. Einmal in solch einer Welt verfangen, sind sie machtlos nicht nur gegenüber der Macht, sondern vor allem entfremdet ihrer Selbst einer Welt bloßer Objekte ausgesetzt. Es gilt dann bloß die Scheinwelt des Erfolges. Sie siedeln sich dort an, wo alles was sie tun und sagen, keine ernsthafte Folgen hat, und dennoch nur als Konsumfreiheit Bestand hat. Auf alles andere muss am Roulettetisch verzichtet werden, um zu bestehen.
Das Interessante an solch einer Auffassung, Europa sei nicht nur verführt worden, sondern habe sich verführen lassen, ist, dass dies auf in eine besondere Willensgeschichte hinausliefe, sobald kein anderer Wahrheitsanspruch geltend gemacht werden könne. Wenn das aber stimmt, dann würde es ebenso erklären, wie solch eine Auffassung sowohl intern als auch extern in eine eine anti-Europa Haltung münden kann.
Franz Fanon ging nicht in seiner Verneinung so weit, um alles in Europa in Frage zu stellen, aber er sagte der Parthenon auf der Akropolis könne nicht der einzige Referenzpunkt sein, um Weltgeschehnisse und menschliche Schicksale zu verstehen. Ganz anders hingegen die Frage was entsteht im post-kolonialen Zeitalter, und verlängert darum den Schatten der Macht sobald Europa sich weiter ausdehnt? Hinzu kommt noch Amerika, und was Louis Baeck damit sagen wollte, als er andeutete in der Islamischen Welt würde 'Globalisierung' noch anders als im Westen verstanden werden. Denn das sind erste Hinweise auf Folgen solange Europa bloß aus westlicher Sicht verstanden wird.
Will also Europa mehr sein als nur eine scheinbare Welt der Objekte, dann gilt herauszufinden welch ein Weg bedingt eine andere Auslegung der Ent- wie Verführung, und zwar frei von einem zwanghaften Mythos der lediglich frei von jeglichem Zweifel sein will? Nicht Mythos, sondern sinnliche Gewissheit wird verlangt im Umgang mit solch einer wichtigen Frage, wie die Orientierung innerhalb von Europa anders aussehen könne? Wie also Brüche vermeiden, dennoch etwas wirklich verändern, insofern die Kontinuität der Menschheitsgeschichte von einem absoluten Abbruch bewahrt bleibt?
Bei einer Erwägung eines Bruches mit der Vergangenheit können unterschiedliche Brechungen in Betracht gezogen werden z.B. wenn ein Regenbogen das Licht bricht und das ganze Farbspektrum aufzeigt, oder wenn es zu Brüchen in einer menschlichen Beziehung kommt und die das gesamte Scheitern in der Liebe vorwegnehmen. Der Beinbruch nach einem Skiunfall wäre ein anderes Beispiel. Doch gemeint sei hier ein notwendiger Bruch mit einer fatalen Vergangenheit. Seit 1945 erinnert sich Europa an die beiden großen Kriege, um nicht erneut in die selbe Falle zu stolpern oder da hinein gezwungen zu werden. Denn das würde bedeuten die Rückkehr des Selben und Europa eine falsche Kontinuität aufzwingen, so als würde sich niemals etwas zum Positiven ändern. Also käme es darauf an aus der Geschichte zu lernen, um die Zukunft zu gestalten - ein alter Spruch des Deutschen Gewerkschaftsbundes.
Im Existenzialismus gilt seit Kierkegaard nur das unglückliche Sein, es käme darauf an zu begreifen die alleinige Weise zu existieren. Kierkegaard meinte dadurch die Scheinwelt der Dinge verlassen zu können, aber um den Preis, dass er die Liebe als einzig wahre bindende Kraft aufgeben musste. Das Schicksal kann einfach so beschrieben werden.
Heutzutage hat die postmoderne Philosophie zur weiteren Verwirrung beigetragen. Sie kam nach der Frankfurter Schule zu Wort und wurde von den Medien in die Öffentlichkeit getragen. Geleugnet wurde dabei der Widerspruch. Der wurde hinfällig insofern Paul LeMan meinte Literatur von Europa sei auch ohne jüdischer Schriftsteller gesund und auf höchstem Niveau, denn die meisten jüdischen seien nur mittelmäßig und deshalb vermisse man nicht deren Abwesenheit'. Damit wird aber der wahre Anspruch auf Klärung solch eines Widerspruchs dem Schweigen, und noch mehr das andere Subjekt der Dekonstruktion - ein Vorläufer von Destruktion - ausgesetzt. Manche nennen diese falsch verstandene Form der Kritik, die sich eines Vokabulars der ständigen Abwertung bedient, bereits Ansatz zum Gebrauch 'terroristischer Methoden', und die nicht der politischen Romantik abhold sind. Denn dem Spiel mit der Liebe, gleich einem Vortäuschen von Liebe wenn im Grunde genommen nur ein Ausnutzen, folgt meistens die Enttäuschung die oftmals sehr leicht in bloße Gewalt umschlägt, gäbe es nicht die Dimension der Versöhnung als Bremse von Gewalt.
In Wirklichkeit handelt es sich dabei um eine extreme Form der Verneinung der Liebe die seit Kierkegaard, aber auch bereits bei Goethe - zu denken sei ans 'Leiden des jungen Werthers' - virulent geworden ist. Eine enttäuschte Liebe neigt dazu nicht allein in der Verneinung, sondern ebenso im völligen Bruch mit dem anderen, vermeintliche Befreiung zu erblicken. Es muss darum die wirkliche Existenz der Liebe geleugnet werden, aber völlig verneint kann sie niemals. Denn der Anspruch alle intimen Beziehungen sollten auf Liebe basieren, der kann nicht einfach so weg radiert werden. Bei der Befreiung vom anderen handelt es sich also eher ums Erringen einer Scheinfreiheit die im Widerspruch zum Wissen der sozialen Existenz steht. Denn jeder Mensch ist von den anderen abhängig, nur kommt es darauf an, wie inmitten dieser Existenz die Freiheit realisiert wird. Es kann nicht vom bloßen Schein der Dinge abgeleitet werden, auch nicht von einem Schein-Wissen ab wann das real existierende Subjekt Anspruch auf sowohl Freiheit vom anderen, als auch auf die Liebe erheben könne. Die Differenz zwischen Freiheit und Liebe als gelebter Widerspruch bedarf darum einer besonderen Vermittlung. Sie wird durch die sinnliche Gewissheit mittels der Sprache wahrnehmbar und als besondere Qualität einer persönlich erlebten Zeit realisiert. Kurzum, die Realität anderer Menschen wird durch Erinnerungen, in die das Libido zu anderen Menschen als Verbindungskraft eingegangen ist, als wahre Liebe bewusst. Folglich ist Liebe nicht nur möglich, sondern als existierendes Etwas das was die Differenz im Leben ausmacht.
Folglich kann die Kraft der Verneinung (siehe S. Freuds kleiner Aufsatz dazu: die persönliche Identität wird verneint zugunsten des bloßen Produktes versehen mit dem Stempel 'Made in Germany') nur dann bestehen, wenn das Verlangen nach einer wahren Liebe aufgegeben wird, und das Subjekt lediglich meint in einer Scheinwelt existieren zu müssen. Insofern viele in der Arbeitswelt den Anspruch aufs Subjekt-Sein aufgeben, verwundert es kaum wenn die wahre Liebe als nicht realisierbar bestritten wird.
Das Aufgeben des Subjekts kann mit dem Ende der persönlichen Geschichte gleich gesetzt werden. Das war der Fall unter Hitlers Deutschland als jeder seine Zugehörigkeit zur deutschen Rasse beweisen musste, und darum auch eine persönliche Geschichtsfälschung betrieb, insbesondere da wo die Gefahr bestand außerhalb dieses strengen Rahmens der Zugehörigkeit zu fallen. Etwas ähnliches beschreibt Naipaul in seinem Buch 'Jenseits des Glaubens'. Solch ein politischer Druck nur einer Rasse oder Glauben anzugehören, das kann selten ausgehalten werden. Besonders schlimm ist es bestellt wenn jeglicher Kontakt zu noch anderen Realitäten abbricht, und darum über das Subjekt eine von der Macht abhängige Welt sich derartig stark verdichten kann, so dass an nichts anderes zu denken ist. Auf solch einem totalen Anspruch basiert die negative Macht. Sie hält sich durchs Ausblenden von noch anderen Wirklichkeiten aufrecht. Es verhindert effektiv, dass die Ausübung der Macht im Vergleich zu noch anderen Realitäten infrage gestellt werden könne. Durch die Einengung auf nur diese eine Welt, kann keine öffentliche Wahrheit mehr im öffentlichen Raum ausgesprochen werden.
Bart Verschaffel erhebt deshalb den Begriff der öffentlichen Wahrheit zum Widerspruch gegen das verordnete Schweigen, und befreit dadurch jedes Subjekt vom Zwang reden zu müssen. Gleichzeitig verändert das die Grenze zwischen dem Privaten und dem Öffentlichen. Er nennt die Stadt ein Beispiel für ständige Veränderungen im Design solcher Grenzen.
Habe keine Furcht vor dem Bösen
Afrikanische Skulptur
Schaffen es die Dorfbewohner rechtzeitig die Masken zu schnitzen,
Glauben sie, dadurch werden die Dämonen davon gejagt. Nachts heulen
die Steppenwölfe, aber auf der Hochebene, wo eben dieses Haus steht,
besagt dieser Holzskulptur noch etwas anderes über das Böse aus.
Angesichts der Banalität des Bösen bleibt die Herkunft bislang unbekannt,
oder so etwas ähnliches spielt sich im philosophischen Drama ab,
wenn die Liebe des Wissens mit der Macht der Philosophie verwechselt wird.
Teilen geht dann nicht mehr, auch die Täuschung bleibt ungeklärt,
allein der Wunsch nach Klärung zwischen dem sichtbaren Etwas
als Banalität des Alltags und dem Wissen ums ganz Schlimme
tangiert an Magie. Trommeln werden so hörbar, und die Bäume
tragen goldene Zweige. Von denen fallen herab Blätter
die keine Nacktheit bedecken, sondern offen legen, was fehlt.
Ersichtlich erledigt ist der stärkste Mann im Dorf wenn er
ungewollter Weise die Pfeife des Häuptlings genießt, obwohl
nicht erlaubt. Zur Bestrafung entzieht er sich dem Glauben
er könne noch unbesorgt weiter leben. Im Busch herrscht
solch ein achtsames Gesetz. Es bedarf keiner Aufsicht.
Die dem Selbst inne wohnende Kraft genügt zum Garaus.
Und das Böse schlüpft aus der Schale – Geburt der Schlange.
Philosophischen Notizen – fünfzehnte Eintragung
Wenn Künstler in sich gehen, entdecken sie die Logik der Reduktion: das Runter-brechen auf immer kleinere Teile. Die sind aber noch kein Ersatz für die Realität. Alles bestimmt sich in einem Zusammenhang den die Philosophen einst Metaphysik nannten und heute mit anderen Worten umschreiben.
Die Künstlerin Rosa Naparstek macht aufmerksam was Eva Pierrak in ‚Fürchte nicht das Böse’ zum Ausdruck bringt:
„Was ist der wirkliche Grund fürs Böse ... Verleugnung der eigenen Verwundbarkeit, der Scham aus Hilflosigkeit und das Gefühl nicht liebbar zu sein schaffen das Böse und zerstörerische Einstellungen und Gefühle. Das Böse ist die Verteidigung gegen das Leiden...und wie alle Verteidigungen schaffen sie mehr Leiden, als auch Verwirrung, und all das bei nur einer Andeutung nicht länger in Verbindung mit dem realen Gefühl fürs Selbst zu stehen.“
Dieser Widerspruch durch Selbstverteidigung noch mehr Leiden zuzufügen, will erstmals verstanden sein. Das entspricht einer weiteren Auslegung des Daseins welches Eva Pierrak wie folgt auffasst:
„Ohne Gefühl und Mangel an Sensitivität zum eigenen Schmerz, das gleicht folglich der Gefühllosigkeit und einer mangelnder Sensitivität gegenüber anderen. Wenn man die eigenen Reaktionen genau untersucht, dann kann man beobachten, das die erste spontane Reaktion auf die anderen ein Gefühl für und mit den anderen ist, also Mitgefühl oder Empathie, eine Teilnahme der Seele. Aber die zweite Reaktion begrenzt diesen emotionalen Fluss. Irgend etwas macht in einem Selbst ‚Klick’ und scheint Nein zu sagen. Das Ergebnis ist eine Schutzhaut der Gefühllosigkeit. Ab diesem Moment steht man außerhalb und daneben dar – anscheinend ‚sicher’, aber halt abgetrennt. Später wird diese Gefühllosigkeit überwunden und ausgeglichen mit einer falschen Sentimentalität, ein Ersatz für die Gefühlslosigkeit. Diese Gefühllosigkeit, institutionalisiert für einen selber, muss gegenüber den anderen fortgesetzt werden, da jede Haltung gegenüber sich selber früher oder später auf andere übertragen wird.“
Zuwider der Gleichgültigkeit – Rede über verwundete Seelen
Der verlängerte Schatten spricht mit selbst,
und das aus Angst im Windschatten ginge aus das Licht,
das Licht in ihren Augen, doch dann war es bereits zu spät
als er die Schatten unter ihren Augen entdeckte,
während das Tor zu ihrer Seele weit offen stand,
um ihm einen kurzen Einblick im Moment der Liebe zu gestatten.
Die ganze Verwundbarkeit der Menschheit ist darin enthalten,
fast biblisch vergrößert wie der Aufschrei über so viele Verluste
weil stets die Treue mit Untreue verwechselt wird,
und somit jeder Dieb etwas stehlen kann was niemanden gehört.
Windige Ausreden sind die Folgen nicht wahrhafter Worte,
ausgesprochen in einem flüchtigen Moment halb wahr genommen
als die Sonne unterging und der Schatten ins Meer fiel.
Philosophischen Notizen – sechzehnte Eintragung
Will jemand sich schützen, indem so getan wird als würde einem alles gleichgültig erscheinen, dann verschweigt diese Person den wahren Grund für solch eine Gleichgültigkeit. Es ist darum angebrachter über verwundete Seelen zu sprechen, um diese Gleichgültigkeit zu begreifen. Baudrillard sieht all das als ein Resultat einer Einengung der seelischen Triebe auf nur noch zwei Motive: die der Gleichgültigkeit und der Ungeduld. Dabei gibt es seiner Meinung nach „kein Subjekt der Gleichgültigkeit oder der Ungeduld mehr“, da es sich um ‚objektive Leidenschaften’ handeln würde. Das mag erklären warum viele aus einem Hang zum Leiden am Nicht-Lieben ihren scharfen Gegensatz zum Leben entwickeln. Was daraus folgt ist kaum noch vorstellbar, geschweige erkennbar als Leiden des Menschen:
„Die Welt selbst wird gleichgültig, und je gleichgültiger sie wird desto mehr scheint sie sich einem übermenschlichen Ereignis anzunähern, einem alles übersteigenden Ende, dessen Widerspiegelung sich in unserer gesteigerten Ungeduld findet. Nicht nur wir selbst, sondern auch die Geschichte, die Ereignisse scheinen den Auswirkungen unterworfen zu sein, die diese Ungeduld und diese Gleichgültigkeit gemeinsam nach sich ziehen.“
- Baudrillard, das Andere selbst
Wenn mit Ungeduld auf andere Menschen reagiert wird, dann gewinnt etwas die Oberhand, was erst noch zu begreifen wäre. Einerseits kann es bedeuten, dass die Person wegen Übermaß an Intelligenz, und darum auch einer fast übersinnlichen Fähigkeit schnell Entscheidungsnotwendigkeiten zu begreifen, kein Verständnis mehr aufbringt, weshalb der andere so lange braucht, um etwas offensichtliches zu begreifen. 'Es liegt doch auf der Hand', das ist oftmals ein beliebter Spruch wenn der andere das unmittelbar Vorhandene angeblich nicht sieht. Es kommt zum Ausbruch der Ungeduld. Dabei handelt es sich beim ungeduldig-gewordenen Menschen um Leugnung eines Widerspruches und deutet darauf hin, daß der eingegangene Bruch zwischen Unmittelbarkeit und Vermittlung in der Vergangenheit nicht erinnert bzw. übersehen wird. Anderseit kann es darauf hinauslaufen, daß der Ungeduldige endlich nur noch sein persönliches Recht einklagen will, und darum bereit ist den anderen anzuklagen bzw. nicht länger gewillt ist auf den anderen weiter Rücksicht zu nehmen. Darum ist die Anklage in Verbindung mit dem Verlangen Recht haben zu wollen stets mit einer Verleugnung besonderer Art verbunden. Es wird nämlich eine andere Wirklichkeit geleugnet, also was noch zuvor zwischen den Menschen als Vermittlung bzw. Verständigung noch möglich gewesen wäre, solange jeder dem anderen gleiche Rechte einräume. Aber die Eskalation hin zum Ausbruch an Ungeduld und Leugnung des Widerspruchs mündet dann meistens in eine uneinsichtige Verleugnung des anderen. Es tut sich kund als Ende einer gemeinsamen Sprache und ab dann nur noch Böswilligkeit, also eine Mischung bestehend aus Hass und Zorn, herrscht.
Von imaginärer Selbstreflexion bis hin zur intuitiven Einfühlungen gäbe es einige Möglichkeiten die das böse Ende vermeidbar machen würde. Leider geben viele vorzeitig auf, eben weil alles anscheinend vergeblich erscheint, vorab die wahre Liebe. Dagegen versuchte Camus anzuschreiben und schuf den Mythos der Sisyphusarbeit. Aber angesichts des heranziehenden Krieges in Algerien verfiel er dem Schweigen. Ronald Aronson wunderte sich sehr warum er nicht seinen Leuten die Wahrheit sagen wollte. Das koloniale System machte die Gewalt laut Sartre unausweichlich. Zwischen dem schweigenden Camus und dem kritischen Sartre entstand deshalb solch eine Kluft betreffs der Einschätzung der aufziehenden Gewalt, dass eine für alle wertvolle Freundschaft nicht nur zwischen Camus und Sartre, sondern für die anschliessenden politischen und sozialen Bewegungen, leider in die Brüche ging. Seitdem fehlt vielen philosophischen, zugleich persönlichen und künstlerischen Dialogen die Kraft menschliche Perspektiven hervorzuheben, um den Unterschied zwischen Politik und Kunst verdeutlichen zu können. Auf diese wahre Differenz käme es an, will Leben durch Poesie, Literatur, Philosophie und der Kunst im Allgemeinen, und darum mittels einer menschlichen Praxis bewahrt bleiben. Schließlich landen bekanntlich viele Verneiner von Politik in einer Leugnung menschlicher Praxis, insofern die Opfer in der Geschichte nochmals in der Gegenwart durch moralische statt politische Urteile erneut zu Opfern gemacht werden. Es kommt also zu keinem Lernen aus der Geschichte, wenn die Brüche zwischen Vermittlung und Unmittelbarkeit den in der Geschichte vorhandenen gleich gemacht wird.
Die Leugnung des Widerspruchs ist bekanntlich der Grund für die Gleichgültigkeit.
Obhut
Ideen finden Obhut im Schatten des Hauses
So auch der Schriftsteller im Wunsch allein zu sein.
Das ist keine reine Einsamkeit, sondern nur der Wunsch
Frei von Zensur und Fremdbestimmung zu sein,
um endlich ‚ja’ sagen zu können zu dem was er niederschreibt.
Die Rythmen seiner Sätze gleichen der Musik die er hört.
Wind und Schweigen vereinigen sich im Tanz dazu.
„On the dark side of the moon“ oder nur „money, money”
Wer will, kann es erraten. Die Moral der Geschichte
Bleibt im Zwiespalt zwischen Tag und Nacht
Eine Herausforderung Mensch zu sein und es zu bleiben.
Wer will kann das selber sein: die Obhut
fürs Kind in einem selber, eines das nie erwachsen sein will,
Und darum die Freiheit der Phantasie bewahrt.
Eintritt der Wirklichkeit
Einen Namen gab er ihr
als sie endlich kam:
die unverwundbare Seele.
Insofern Liebe und Leidenschaft
seit Van Gogh
seine sinnlichen Farben tragen,
ergibt sich ein Realitätssinn
fürs Zusammenbleiben
als Art des Überlebens
in einer halb-wahren Gesellschaft
die gerne Dichter als Außenseitern
abstempelt, und sich dennoch wundert
wie es zur Entfremdung
zwischen Mann und Frau
in der Ehe kommen kann.
Halbseligkeiten schaffen Probleme
die die Dichtung belasten.
Goethe gebrauchte dafür ein Wort:
Wahlverwandtschaften.
Soll das Gefühl der Frau
die Regierungsweisheit ergeben,
darf das nicht verloren gehen.
Immerzu stehen dazu Nachrichten
in den Zeitungen.
Am nächsten Tag werden sie
von neuen verdrängt.
So besteht die Welt
aus einem Vergessen
was nur die Liebe
verspricht zu halten:
die Treue zum Wort
weil aus dem Schweigen
endlich geboren,
um Selbst wahr zu sein.
Hatto Fischer
@ Poiein Kai Prattein, Athen 2008 (verbessert 2014)
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